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Stickstoffdioxid in NRWKöln ist landesweiter Spitzenreiter bei Schadstoffen

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Die Kölner Messstation am Clevischen Ring

Die Kölner Messstation am Clevischen Ring

Köln/Berlin – Alles Mögliche hat Köln schon unternommen, um die Luft sauberer zu machen und vor allem die erhöhten Stickstoffdioxid-Werte zu drücken. Man hat die Fernbusse aus der Innenstadt an den Flughafen verbannt, Stromanschlüsse für den Schiffsverkehr am Rhein installiert und sogar ein Durchgangsfahrverbot für Lastwagen ab 7,5 Tonnen in Erwägung gezogen. Die Kölner Verkehrs-Betriebe werden die Linie 133 bis zum Herbst 2016 auf Elektrobusse umstellen. Die ersten sind sogar schon unterwegs.

Wie wichtig das ist, belegen die neuesten Zahlen des Umweltbundesamts zur Abgasbelastung in den Großstädten. Danach werden auf dem Clevischen Ring in Mülheim die Grenzwerte für Stickstoffdioxid immer noch deutlich überschritten. Mit 66 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel ist die vielbefahrene Verkehrsachse landesweiter Spitzenreiter vor der Corneliusstraße in Düsseldorf (59 Mikrogramm) und der Mülheimer Straße in Oberhausen (53 Mikrogramm). Erlaubt sind 40 Mikrogramm. Auch die Turiner Straße in Köln liegt mit 46 Mikrogramm darüber.

Wegen dieser erhöhten Werte hat die Deutsche Umwelthilfe bereits im November 2015 Klage nicht nur gegen Köln, sondern auch gegen die Städte Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt/Main und Stuttgart eingereicht, die ähnliche Probleme haben. Sie will die Verantwortlichen dazu zwingen, ihre Luftreinhaltepläne zu ändern. In mehreren Städten, darunter Hamburg, München, Darmstadt und Wiesbaden, haben Umweltverbände bereits erfolgreich geklagt. Geändert hat sich jedoch nur wenig. Wenn es überhaupt zu Zwangsgeldern kommt, hat das für die Städte keine Folgen. Weil die Reinhaltepläne Sache der Bundesländer sind, wäre das ein reines Umbuchen von der Umwelt- zur Justizverwaltung. Überdies hat die EU gegen die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie in Bezug auf Stickstoffdioxid eingeleitet.

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22 Ampeln gesteuert nach Schadstoffbelastung

Bevor die EU-Kommissare darüber befinden, sollten sie mal einen Abstecher nach Köln machen und sich mit Rainer Liebmann unterhalten. „Wir stecken in einer Zwickmühle“, sagt der Chef des Umweltamts und verweist auf den Clevischen Ring. „Eigentlich müssten wir zumindest den Transitverkehr für Lastwagen über 7,5 Tonnen untersagen. Das würde schon sehr viel bringen. Doch das lässt sich schon wegen des Fahrverbots auf der Leverkusener Rheinbrücke nicht lösen.“

Die Stadt will das Problem anders bewältigen. Im März beginnt ein Versuch, 22 Ampelanlagen auf der Verkehrsachse zwischen dem Zubringer zur Autobahn 3 an der Anschlussstelle Mülheim, der Mülheimer Brücke und dem Bergischen Ring in Höhe der Grünstraße nach Schadstoffbelastung zu steuern. Vereinfacht gesagt soll der Verkehr immer dann besonders zügig fließen, wenn die Abgasbelastung zu hoch wird.

300.000 Euro hat die Stadt in diese umweltsensitiven Signalsteuerungen investiert. Aufwendige Computerprogramme kombinieren die Abgasmessungen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) mit Wetterdaten, Windrichtung, Windgeschwindigkeit und erstellen daraus eine aktuelle Prognose. „Wenn die Werte bedenklich werden, schaltet sich die grüne Welle automatisch anders. Wir versuchen, den Verkehr flüssig zu halten“, sagt Hartmut Sorich vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik. In gering bewohnten Bereichen mit gutem Luftaustausch und Grünzügen blieben Ampeln zur Not länger auf Rot. „Das kann beispielsweise für die Mülheimer Brücke gelten. Das ist ein ähnliches Steuerungsprinzip wie bei den Pförtnerampeln an Autobahn-auffahrten.“ Der Versuch wird ab März zunächst vier Wochen im Hintergrund laufen, ohne dass Autofahrer etwas davon mitbekommen. Prognosen haben ergeben, dass sich die Werte für Feinstaub um 25 Prozent, für Stickoxide um 18 Prozent verringern lassen. Ab April 2016 soll es dann scharf geschaltet werden.

„Wenn wir gute Erfahrungen gemacht haben, könnte man das System auch an anderen Hotspots wie auf der Turiner oder der Bergisch Gladbacher Straße einsetzen“, sagt Sorich. Voraussetzung sei allerdings, dass genügend Rückstauflächen zur Verfügung stehen. Das sei in der kleinteiligen Kölner Innenstadt ein Problem. „Es macht ja keinen Sinn, wenn der Verkehr auf einer Achse besser fließt und wir dadurch anderswo Probleme bekommen.“

Beim Feinstaub hat sich die Lage in Köln entspannt. Dort werden seit der Verschärfung der Umweltzone im Juli 2014 die Jahreshöchstwerte nicht mehr überschritten.

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