Stadtentwicklung in KölnDie Schäl Sick wird schick

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Die große Freitreppe am Deutzer Rheinufer soll 2015 fertig sein und mehreren tausend Menschen Platz bieten.

Die große Freitreppe am Deutzer Rheinufer soll 2015 fertig sein und mehreren tausend Menschen Platz bieten.

Köln – Jahrelang herrscht auf der sogenannten Schäl Sick in Sachen Stadtentwicklung nahezu Stillstand. Mit dem Bau des LVR-Turms, dem Messeumbau und Einzug von RTL und Talanx in die ehemaligen Rheinhallen sowie der Ansiedlung von Lanxess erlebt die rechte Rheinseite nun seit einiger Zeit einen enormen Aufschwung. Die große Freitreppe am Deutzer Ufer, das Kernstück des mehr als 20 Millionen Euro teuren Rheinboulevards, nimmt Gestalt an. 2015 soll das Projekt fertig sein und die Treppe rund 10 000 Menschen Platz bieten. Auch mit dem geplanten Bau der Messecity, des Euroforum Nord, dem Betrieb des Musicaltheaters im Staatenhaus sowie dem Ausbau des Mülheimer Hafens/Mülheim Süd wird die rechte Rheinseite weiter an Attraktivität gewinnen.

Mehrere tausend Menschen werden künftig zusätzlich in Deutz und im südlichen Mülheim leben und arbeiten. Allerdings dürfte es damit auf der rechten Rheinseite verkehrstechnisch ziemlich eng werden. Derzeit arbeitet die Stadt noch an einem umfassenden Konzept, wie die enormen Verkehrsströme ohne endlos lange Staus bewältigt werden können. Verkehrsexperten glauben allerdings, dass die derzeitigen Pläne noch nicht ausreichen. Wie fragil die Situation ist, zeigt sich bereits jetzt im Zuge der Sperrung der Leverkusener Brücke für Lkw, der Einschränkung der Zufahrten über die Zoobrücke sowie der Sanierung des Kalker Autobahntunnels. Der Verkehr muss im weiten Umkreis anders geführt werden, was erhebliche Staus zur Folge hat.

Ein Blick darauf, wie sich die rechte Rheinseite in den kommenden Jahren verändern wird.

Messecity

Auf dem Areal des früheren Barmer Viertels zwischen Deutzer Bahnhof und der Messe soll ab dem kommenden Jahr mit dem Bau der Messecity begonnen werden. Auf insgesamt 5,4 Hektar werden künftig bis zu 5000 Menschen in sechs neuen Bürogebäuden arbeiten. Rund 500 Millionen Euro wird der gesamte Komplex kosten.

Herzstück wird der zentrale Messebalkon als Verbindungsbauwerk zum Eingang Süd der Kölner Messe. Im Jahr 2017 sollen die ersten Bauten stehen, 2020 die gesamte Messecity. Laut den Investoren Strabag und ECE wird in der zweiten Jahreshälfte der Architektenwettbewerb für die Fassaden der Gebäude abgeschlossen sein. Zudem sollen in der Messecity auf rund 1500 Quadratmetern Gastronomie sowie Einzelhandel angesiedelt werden. „Darüber hinaus führen wir zurzeit Gespräche mit Hotelbetreibern und den Anbietern eines Multiplexkinos, das in dem neuen Quartiert eröffnet werden soll“, sagt Rainer Maria Schäfer von der Strabag. Wer in die Gebäude einziehen soll, ist derzeit noch unklar.

Staatenhaus

Das ehemalige Staatenhaus der Messe im Rheinpark soll zu einem Musicaltheater mit rund 1800 Plätzen umgebaut werden. Das Musical hat derzeit keine Spielstätte mehr, seit die Oper während des Umbaus in das blaue Zelt am Hauptbahnhof gezogen ist. Ursprünglich war die Eröffnung Mitte 2016 geplant. Allerdings verzögert sich der Umbau voraussichtlich um etwa ein halbes Jahr, denn die Stadt verhandelt noch mit zwei Betreibern.

Euroforum Nord/Mülheimer Süden

Mit dem Euroforum Nord auf dem ehemaligen Gelände von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD), das von der Zoobrücke, der Deutz-Mülheimer Straße und der ICE-Strecke eingegrenzt wird, soll künftig ein neues Wohngebiet sowie Gewerbe entstehen. Verwaltung und Politik entwickeln derzeit einen Bebauungsplan für das etwa zehn Hektar große Grundstück. So sollen an der Deutz-Mülheimer Straße drei Wohnblöcke mit Innenhöfen, einem großen Platz und rund 350 Wohnungen entstehen. Entlang der ICE-Gleise soll sich Gewerbe ansiedeln. Die nördliche Spitze ist für den Einzelhandel vorgesehen. Baubeginn könnte 2015 sein. Der preisgekrönte Musik-Club Gebäude 9 darf bleiben. Allerdings steht ein Lärmschutzgutachten noch aus.

Rhein-Estate, eine Tochter der Sparkasse Köln-Bonn, hat das Grundstück mittlerweile an eine Investorengruppe verkauft. „Wir machen aber nach wie vor die Planung“, sagt Helmut Raßfeld, Geschäftsführer von Rhein-Estate.

Das Euroforum Nord ist das erste Projekt des Mülheimer Südens, das verwirklich wird. Für den Rest des Areals wurde im Februar ein Werkstattverfahren beendet. Bis zu 2000 Wohnungen sollen auf dem 70 Hektar großen Areal mit dem Hafen entstehen – Platz für rund 5000 Menschen. Zwei Planungsteams aus Münster und Köln haben zwei unterschiedliche Konzepte zur Erschließung des Areals entworfen.

Die Entwürfe des Münsteraner Teams sehen zahlreiche öffentlichen Freiräume wie Wege- und Platzflächen sowie Grünzüge vor, die das Areal mit der Stegerwaldsiedlung verbinden. Geplant ist zudem ein großer zentraler Platz an den alten KHD-Gießereihallen, dort könnten ein Markt, Gastronomie angesiedelt werden oder die Flächen könnten zum Parken neu genutzt werden.

Das Kölner Team hat das Areal in acht Korridore eingeteilt, die grüne Verbindungen zwischen Rhein und Deutz-Mülheimer Straße schaffen. Zudem soll die Höhe der Häuser variieren, in Richtung Zoobrücke sollen sie höher werden, um dem neuen Quartier eine Skyline zu geben.

Bis die Ideen der Architekten umgesetzt werden, dürfte es noch etwas dauern, denn die Vorhaben müssen noch eine Bauleitplanung durchlaufen.

Deutzer Hafen

Auch der gut 100 Jahre alte Industriehafen in Deutz soll umgestaltet werden. Dabei hat die Stadt bereits mehrere Nutzungskonzepte untersucht: vom vollständigen Umbau bis hin zum Erhalt als Industriehafen. Die Variante, die derzeit als Favorit gilt: Nur die Ellmühle, deren Verlagerung einen dreistelligen Millionenbetrag kosten dürfte, soll erhalten bleiben; für alle anderen Flächen ist eine Mischung von Wohnungen für 3000 Menschen, Büros und Dienstleistung vorgesehen. Derzeit ist allerdings die Frage des Hochwasserschutzes noch nicht geklärt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Verkehrssituation und die Pläne der Stadt

Die Verkehrssituation

Schon jetzt ist das Verkehrsaufkommen durch die großen Arbeitgeber RTL, Talanx und Lanxess erheblich. Hinzu kommt der Veranstaltungsverkehr der Lanxess-Arena, des Tanzbrunnens und künftig des Musicals. Deutlich verschärft wird die Situation vor allem zu Messezeiten. Dabei ist es gerade die innenstadtnahe Lage, die die Kölner Messe im Gegensatz zu vielen anderen Messestandorten für Kunden und Besucher attraktiv macht.

Besonders das Nadelöhr Messekreisel, aber auch die Kreuzung Deutz-Mülheimer Straße/Opladener Straße, der Ottoplatz und die Ecke Justinianstraße/Deutz-Kalker Straße/Gotenring sind nach Einschätzung von Verkehrsexperten kritische Knotenpunkte, an denen es sich immer wieder staut und die mit der Entwicklung der Messecity, des Euroforums Nord sowie des Musical-Standortes noch deutlich stärker belastet werden. Auch auf der Deutz-Mülheimer-Straße und dem Auenweg, den beiden großen Verkehrsachsen für den Mülheimer Süden, kommt es schon jetzt streckenweise zu erheblichen Behinderungen.

Bei den Verkehrsbetrachtungen für die Entwicklung der Messecity, des Staatenhauses sowie des Euroforums wurde anfangs von den Verkehrsplanern der Stadt lediglich das Verkehrsaufkommen einer mittelgroßen Messe untersucht. Großveranstaltungen wie etwa die Möbelmesse, die Anuga oder die Spielemesse Gamescom mit mehr als 100 000 Besuchern und tausenden Ausstellern wurden ursprünglich überhaupt nicht berücksichtigt. Mittelgroße Messen sorgen an bis zu 150 Tagen im Jahr für mehr Verkehr inklusive Auf- und Abbau. Großmessen immerhin an 30 Tagen.

„Es ist unabdingbar, alle Planungen an den Großmessen auszurichten. Tun wir das nicht, riskieren wir sehenden Auges immer wieder ein Verkehrschaos, vor dem wir unsere Aussteller und Besucher, aber auch unsere Nachbarn rund ums Messegelände bewahren müssen“, sagt Messechef Gerald Böse. Auf Initiative der Kölner Messe, die zurzeit einen Masterplan für ihr Gelände und die Umgebung entwirft, „wurden die Verkehrsuntersuchungen entsprechend überarbeitet“, so Klaus Harzendorf, Leiter des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik. Dabei wurde deutlich, dass zwar das Euroforum Nord und das Musical auch unter den Bedingungen von Großmessen entwickelt werden können. Allerdings müssen für den weiteren Ausbau im Mülheimer Süden zusätzliche Straßenverbindungen gebaut werden.

Probleme für Lkw durch wegfallende Parkflächen

Die Messe sieht sich zudem mit dem Problem konfrontiert, dass ihr im Rahmen der Bauvorhaben zahlreiche Parkflächen wegfallen – nach eigenen Untersuchungen insgesamt 3000 Stellplätze. So sind durch den Bau der Messecity der P3 und der P12 (rund 1000 Plätze) entfallen. Durch den Bau des Euroforums der P 20 (rund 1000 Plätze). An der Brügelmannstraße könnten der Messe zudem weitere 800 Plätze auf den drei Parkflächen P21, P22 sowie der P22a durch geplante Verkehrsachsen sowie einen Bebauungsplan nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Die Grundstücke gehören der Stadt und sind zu einem kleinen Teil in privater Hand.

Tunnel Schon jetzt ist das Rechtsrheinische durch die Sanierung des Kalker Autobahntunnels stark belastet. Die Zufahrten von der A 3 auf die Stadtautobahn im Kreuz Köln-Ost sind gesperrt, ebenso die Auffahrt Buchheimer Ring; auf der Autobahn selbst stehen nur zwei statt drei Spuren in jeder Richtung zur Verfügung. Die Sanierung am Stadtautobahntunnel in Köln-Kalk dauert noch 20 Monate. Die Hoffnung, dass sich die Situation durch den geringeren Ferienverkehr entspannt, ist bislang nicht eingetreten. Staus gibt es nicht nur durch die gesperrten Zufahrten auf der A 3, sondern auch auf Ausweichstrecken.

Die Leverkusener Brücke ist für Lkw gesperrt. Viele Fahrer weichen auf die A 3 aus und belasten die ohnehin viel befahrene Trasse zusätzlich. In beiden Richtungen sind nur noch zwei Fahrstreifen frei, die überdies verschwenkt wurden, um die marode Konstruktion der vor knapp 50 Jahren in Leichtbauweise errichteten Brücke zu entlasten. Durch die Einschränkungen auf den Zufahrten über die Zoo- und die Leverkusener Brücke wählen derzeit viele Autofahrer eine Ausweichroute über die Mülheimer Brücke. Dort staut es sich vor allem am Abend stadtauswärts. (ksta)

Besonders ein möglicher Wegfall der letzten drei Stellflächen würde die Messe empfindlich treffen, denn dort sammeln sich an den Auf- und Abbautagen die Lkw. Bei Großmessen oder bei mehreren Veranstaltungen mit zeitlicher Überschneidung können bis zu 1000 Lkw von den Flächen in Tranchen ohne größere Verkehrsbelastung auf das nahe gelegene Gelände gelotst werden. Jährlich sind es 30 000. Verlöre die Messe die Parkplätze und würden die Lkw weiter draußen an der Peripherie gesammelt, dürfte die Masse an Schwerverkehr das rechtsrheinische Straßennetz nach Einschätzung von Verkehrsexperten streckenweise lahmlegen.

Die Messe steht derzeit in intensiven Gesprächen mit der Stadt, um die benötigten Flächen nachhaltig zu sichern.

Das Unternehmen sucht nach alternativen Parkmöglichkeiten und lässt den gesamten Raum in der Umgebung des Geländes vom südlichen Mülheim bis zum Deutzer Hafen nach in Frage kommenden Flächen untersuchen.

Als möglicher Standort für ein Parkhaus käme ein Areal gegenüber dem Messehochhaus an der Deutz-Mülheimer Straße in Frage. Des weiteren gibt es Gespräche zwischen der Messe und den Investoren des Euroforums über den Bau eines Parkhauses, das zwischen Zoobrücke und Wohnbebauung auch gleichzeitig als Schallschutz dienen könnte. Zudem gibt es Überlegungen, in einer der Rampen der Zoobrücke auf dem P21 ein Parkhaus hochzuziehen. Dort soll die untere Ebene für Lkw als Sammelstelle nutzbar sein, die oberen Geschosse für Pkw vorbehalten sein. Auch eine Aufstockung der Halle 10 um ein Parkgeschoss wird derzeit von der Messe geprüft. Die Ergebnisse sollen im Rahmen des Masterplans in den kommenden Monaten vorgestellt werden.

Die Pläne der Stadt

Um die Verkehrssituation zu entzerren, ist bislang von Seiten der Stadt geplant, eine Verbindungsstraße zwischen dem Auenweg und der Deutz-Mülheimer Straße zu schaffen, die über das Gelände des Euroforums Nord verläuft. Darüber hinaus soll der Auenweg weiter nördlich über die Deutz-Mülheimer Straße bis zum Bergischen Ring in Höhe Grünstraße verlängert werden. Zudem wird die Verkehrssteuerung am Ottoplatz optimiert. Im Sommer sollen Umbauten und eine geänderte Signalschaltung laut Klaus Harzendorf die Leistungsfähigkeit zum Messetor Nord deutlich erhöhen. „Zur Entlastung der Deutz-Mülheimer Straße im Bereich des Messekreisels ist zudem eine Ost-West-Verbindung zwischen Deutz-Mülheimer Straße und Bergischem Ring angedacht“, so Harzendorf. Darüber hinaus prüfe die Stadt derzeit unter anderem noch, ob eine Westumgehung über Kalk einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten könnte. „Zum Beispiel ist hier eine Verbindung der Straße des 17. Juni bis zur Karlsruher Straße denkbar, um Deutz/Ost und Kalk West unter Umfahrung des Deutzer Zentrums direkt mit Mülheim zu verbinden und so den Messekreisel weiter zu entlasten“, so Klaus Harzendorf.

Zudem wird auf Seiten der Stadt schon seit Längerem sehr kontrovers über eine direkte Anbindung des Auenwegs auf die Zoobrücke diskutiert. Nach Einschätzung von Verkehrsexperten würde eine neue Auf- und Abfahrt die Verkehrssituation enorm entlasten. Durch die direkte Auffahrt auf die Stadtautobahn würde der gesamte Verkehr rund um das Messegelände extrem entzerrt. Allerdings hätten neue Rampen nach Einschätzung der Kritiker städtebauliche Nachteile. Die wuchtigen Bauten, so heißt es, passten sich nicht gut in die dann neugestaltete Umgebung ein. Außerdem sei das Projekt mit sehr hohen Baukosten verbunden. Wie teuer die Anbindung werden könnte, wurde bislang von Seiten der Stadt noch nicht geprüft.

„Uns freut der Aufbruch des Rechtsrheinischen sehr. Vorausschauende Planung ist für die Zukunft unserer innerstädtischen Messe und des gesamten Umfelds von existenzieller Bedeutung. Entscheidende Bausteine, die wir dringend einfordern, sind die Verbindung zwischen Deutz-Mülheimer Straße und Bergischem Ring sowie der Anschluss des Auenwegs an die Zoobrücke. Wir reden ständig mit den Verantwortlichen bei der Stadt und sehen uns auf gutem Wege“, sagte Messechef Böse.

Eine neue Wendung dürfte die Debatte um die Anbindung der Zoobrücke dann bekommen, wenn sich herausstellt, dass drei zentrale Zufahrtsrampen an der Amsterdamer Straße, am Zoo sowie am Pfälzischen Ring abgerissen werden müssen, weil in ihnen ein problematischer Spannstahl verbaut ist, der reißen oder brechen könnte. Dann könnte die Stadt wohl auch über eine große Lösung für die Brücke nachdenken.

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