Anklage in Köln16-Jähriger soll Plan zum Bau einer Bombe gehabt haben

Lesezeit 4 Minuten
Der Angeklagte als kleiner Junge.

Der Angeklagte als kleiner Junge.

Köln – „Wie baue ich eine Bombe?“, fragt Mohammad J., 16 Jahre alter syrischer Kriegsflüchtling, Mitte September in einem Chat mit einem Mann namens „Bilal“, einem mutmaßlichen Anwerber für die Terrormiliz des Islamischen Staates (IS). Die Textnachricht, später gesichert von Spezialisten der Polizei, ist ein wichtiges Beweismittel bei den Ermittlungen gegen den Jugendlichen, der am 20. September von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei in einer Porzer Flüchtlingsunterkunft festgenommen wurde.

In der jetzt fertig gestellten Anklageschrift wird Mohammad die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ vorgeworfen. Das Strafgesetzbuch sieht dafür eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.

„Mann, töte sie“

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ kommen den sichergestellten Chats über die Kurznachrichtenprogramme Telegram und Whatsapp eine zentrale Rolle bei der Argumentation der Staatsanwaltschaft zu. Obwohl sein Gesprächspartner „Bilal“ davor warnt, dass die Unterhaltung vermutlich überwacht wird, erkundigt sich Mohammad zweimal nach der Möglichkeit, eine Bombe zu bauen. Er solle den Sprengsatz „in den Müll in ihren Versammlungshäusern“ werfen, rät Bilal an anderer Stelle: „Aber lass dich nicht entdecken.“

Alles zum Thema Polizei Köln

Ein Mobiltelefon mit Taschenlampe, ein Wecker, Schwefel und Sprengstoff aus Feuerwerkskörpern: In der Folge erklärt er seinem jugendlichen Gesprächspartner, was er für den Bau einer Bombe benötigt. Mohammad jedoch äußert plötzlich Zweifel. Dürfe man nach dem islamischen Glauben nicht nur die Menschen töten, die selbst getötet haben? „Mann, töte sie. Allah soll die verbrennen lassen“, antwortet Bilal genervt. Doch Mohammad beharrt auf seiner Frage und verlangt von seinem Chatpartner einen „Beweis“, dass der Islam das Morden Unschuldiger erlaubt.

Kein hinreichender Tatverdacht?

Der Kölner Anwalt Michael Murat Sertsöz, der Mohammad vertritt, sieht deshalb keinen hinreichenden Tatverdacht. „Die Chatdiskussionen erreichen nie ein relevantes Vorbereitungsstadium, es gab keine Ausspähaktionen und der Junge hatte zum Zeitpunkt der Festnahme überhaupt nichts in der Hand, dass ihn zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hätte befähigen können“, sagte der Strafverteidiger auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Es gibt nichts, was eine Konkretisierung der Tat auch nur ansatzweise begründen könnte.“

Worauf Sertsöz sich bezieht, ist Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs. Der Bundesgerichtshof hat hierzu im Mai 2014 entschieden, dass für eine Verurteilung der feste Entschluss bestanden haben muss, die Tat zu begehen. Die Staatsanwaltschaft wird Mohammad also nachweisen müssen, dass er keine Zweifel daran hatte, einen Bombenanschlag zu verüben. Dass der 16-Jährige sich mit dem Gedanken befasst und die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, reicht für eine Verurteilung nicht aus.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bestand der feste Entschluss Mohammads spätestens am 15. September. An diesem Tag soll er auf seinem Smartphone bereits ein Bekennerplakat hergestellt haben, heißt es in der Anklage. Zudem habe Mohammad nicht nur von Bilal, sondern auch noch in einem Chat mit einem Mann aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet detaillierte Anleitungen zum Bombenbau mit Nägeln und Metallkugeln erhalten. Einige der geforderten Utensilien, Nähnadeln beispielsweise oder eine Batterie, seien bei der Festnahme gefunden worden.

Militante Homepages

Seinem in den Niederlanden lebenden Cousin schickte Mohammad über Facebook eine Fotomontage mit seinem Kopf auf dem Körper eines IS-Kämpfers. Er schrieb, dass er sich der Terrororganisation anschließen wolle. Hinrichtungsszenen, Sprengstoffgürtel und militante Homepages: Im Internet-Verlauf sowie im Speicher seiner sichergestellten Handys fand die Staatsanwaltschaft dem Vernehmen nach noch zahlreiche weitere Belege für die Radikalisierung des 16-Jährigen.

Ein psychiatrischer Gutachter hat Mohammad für voll schuldfähig erklärt. Der Jugendliche hat ausgesagt, die Bomben-Chats seien nur Spaß gewesen. In arabischen Ländern sei es üblich, Witze über derartige Dinge zu machen. Zudem habe er sich nur im Hinblick auf eine geplante Ausreise nach Palästina über den Bau eines Sprengsatzes erkundigt, mit Deutschland habe dies nichts zu tun.

Chronik der Radikalisierung

5. Juli 2000: Mohammad J. wird in einem Vorort von Damaskus/Syrien geboren.

Dezember 2015: Mohammad, seine Eltern und seine zwölfjährige Schwester flüchten vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland. Sie kommen in eine Flüchtlingsunterkunft in Dülmen, anschließend in ein Heim in der Burgwiesenstraße in Köln.

10. Juni 2016: Bewohner der Unterkunft berichten von einem auffälligen Verhalten Mohammads. Er versende Nachrichten über den IS und bete seltsam. Auf seinem Handy werden sechs Bilder mit IS-Symbolik gefunden. Die Polizei sieht keine Gefährdung durch Mohammad, verlegt die Familie aber nach Porz.

2. September 2016: Mohammad ist nachts unterwegs und verhalte sich komisch, sagt die Heimleitung. Seine Mutter sagt, Mohammad gehe in eine Moschee in der Nähe. Die Polizei vermutet ein psychisches Problem.

18. September 2016: Moscheebesucher berichten, Mohammad wolle sich für den IS umbringen. Der Jugendliche wirke „wie eine lebende Bombe“. Polizeibeamte stellen unter anderem Mohammads Handy sicher.

20. September 2016: Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei nimmt den 16-Jährigen fest. Auf seinem Handy sollen klare Hinweise auf die Vorbereitung eines Terroranschlags gefunden worden sein.

KStA abonnieren