Asyl in KölnErmüdung, Ernüchterung, Frustration bei den Helfern

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Eine Lehrerin unterichtet Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse, die auf den Regelunterricht vorbereitet werden. (Symbolbild)

Köln – Kölner Flüchtlingsrat und Willkommensinitiativen schlagen Alarm: Wurden sie vor einem Jahr geradezu überrannt von Helfern, die sich um die neu ankommenden Flüchtlinge kümmern wollten, haben sich viele der Freiwilligen mittlerweile wieder zurückgezogen. „Wir bekommen keine neuen Ehrenamtler“, sagt Claus-Ulrich Prölß vom Flüchtlingsrat. „Auf unserer Warteliste hatten wir damals 300 Interessierte. Jetzt steht da niemand mehr.“

Die Kölner Freiwilligen-Agentur berichtet ähnliches. Als sie seinerzeit zehn Mentoren zur Begleitung von Flüchtlingen suchte, hätten sich gleich 200 Freiwillige gemeldet, berichtet Gabi Klein. Heute stünden gerade noch zwei bereit. Noch drastischer schildert es Mario Ascani vom Arbeitskreis Politik der Willkommensinitiativen. Von ehemals 11.000 Unterstützern sei die Zahl auf rund 5.000 zurückgegangen.

Gründe für schwindendes Engagement

Ermüdung, Ernüchterung, Frustration: Die Gründe für das schwindende Engagement sind vielschichtig. Oft sei es schlicht ein Zeitproblem, so Klein. „Viele haben sich ein Jahr lang extrem reingehängt. Jetzt ist doch eine Ermüdung eingetreten.“ Hinzukommt: Der Prozess der Integration ist komplizierter und langwieriger, als so mancher zunächst gedacht hatte. Spracherwerb, Arbeitssuche, Ausbildung, Wohnungssuche – das alles erfordere eine sehr intensive Begleitung und ein hohes Maß an Know-how, sagt Wolfgang Schmitz von der Willkommensinitiative in Brück. „Das ist nicht für jeden etwas.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Auch die langen Wartezeiten bei der Anerkennung als Asylbewerber sowie bürokratische und rechtliche Hindernisse haben die Helfer zermürbt. Hinzu kommen bei manchem persönliche Enttäuschung, wenn Sprachkurse und andere Hilfen von den Flüchtlinge nicht so angenommen werden wie erwartet.

Räumlichkeiten und Personal fehlen

Einig sind sich die Initiativen in der Forderung nach mehr Unterstützung vonseiten der Stadt. Der Verwaltungsaufwand ist vielen längst über den Kopf gewachsen. Es fehlt an Räumen für Treffen und an Personal zur Schulung.

„Wir brauchen eine Kampagne, um neue Freiwillige zu rekrutieren. Und die Stadt muss stärker in die Finanzierung einsteigen, sonst bricht die Integration zusammen“, warnt Claus-Ulrich Prölß. Eine Erkenntnis, die – zumindest theoretisch – auch von Oberbürgermeisterin Henriette Reker teilt. Sie wüsste gar nicht, wie die Stadt ohne die vielen Ehrenamtler in allen Bereichen funktionieren sollte, bekannte sie kürzlich anlässlich des 25-jährigen Bestehens des „Runden Tischs für Integration“. „Für sie müssen wir eine hauptamtliche Koordinierungsstelle einrichten – und auch finanzieren.“

Wenig Hoffnung auf Lösung

Das allerdings dürfte vorerst ein Lippenbekenntnis bleiben. Gerade erst ist die Stärkung des Ehrenamts am Einspruch der Kämmerei gescheitert (siehe „Stadt streicht Ausgaben...“). In der Beschlussvorlage, über die der Sozialausschuss am Donnerstag und anschließend der Stadtrat beraten sollen, ist genau dieser Punkt aber aus Kostengründen gestrichen worden.

Auch Sozialdezernent Harald Rau macht wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Lösung. Alles, was Geld koste, sei angesichts der schwierigen Finanzlage aktuell nicht durchsetzbar. Erst für den Haushalt 2018 will er eine Ehrenamt-Stelle, wie sie von Reker in Aussicht gestellt wurde, einbringen.

Stadt streicht Ausgaben zusammen

Die Mindeststandards, erarbeitet vom „Runden Tisch für Flüchtlingsfragen“, markieren eine Art rote Linie, die nicht unterschritten werden soll. Nun hat die Verwaltung eine stark abgespeckte Version vorgelegt. Kostenintensive Punkte sind darin nicht mehr enthalten.

Gestrichen wurden die Erhöhung des Betreuungsschlüssels durch Sozialarbeiter sowie zusätzliche Stellen in den Unterkünften für die Koordinierung der ehrenamtlichen Helfer. Auch eine regelmäßige medizinische Sprechstunde in allen größeren Einrichtungen wird es nicht geben. Die dafür nötigen 7,2 Millionen Euro sind nach Angaben der Verwaltung angesichts der Haushaltslage nicht umsetzbar.

Für pädagogische Angebote zur Kinderbetreuung sollen dagegen jährlich 480.000 Euro zusätzlich zu Verfügung stehen.

Geplante Unterkünfte

Die Stadt will auf acht Grundstücken neue temporäre Flüchtlingsunterkünfte errichten. Als Standorte sind der Lindweiler Weg in Longerich, der Loorweg in Zündorf, der Erbacher Weg in Lindweiler, die Sinnersdorfer Straße in Roggendorf, die Aloys-Boecker-Straße/Frankfurter Straße in Lind, die Antoniusstraße in Urbach, der Schlagbaumsweg in Holweide sowie die Straße Haferkamp in Flittard vorgesehen.

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