Das Give-Box-PrinzipGeben und Nehmen in Ehrenfeld

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Vor dem Bunker in der Körnerstraße steht die Geschenkebox.

Vor dem Bunker in der Körnerstraße steht die Geschenkebox.

Ehrenfeld – Das Prinzip ist einfach und genial: Geben und Nehmen. Ausrangierter Hausrat – zu schade zum Wegwerfen – und noch tragbare Kleidung oder auch Spielzeug und Bücher werden in einem öffentlichen Schrank deponiert. Dort warten sie als Geschenk zum Mitnehmen auf neue Besitzer. In Berlin stand der erste Schrank, Hamburg, München und Düsseldorf zogen nach. Und selbst die Bürger von Siegen und Kleinenbroich schufen ein solches Angebot, das als Give-Box bekannt ist. Köln brauchte etwas länger.

Seit wenigen Wochen steht in der Körnerstraße ebenfalls ein solcher Schrank. Seinen Platz hat das hübsch gezimmerte mannshohe Möbelstück vor dem Hochbunker zwischen der Grimm- und der Subbelrather Straße. Initiatorin Marion Dickhoven, eine pensionierte Lehrerin, erfuhr durch einen Zeitungsartikel vom Give-Box-Prinzip, das sogar schon in Paris, Wien und San Francisco Nachahmer gefunden hat. „Ich fand das faszinierend und wollte das gerade hier in Ehrenfeld auch verwirklichen“, erzählt Marion Dickhoven. Ihr Mann Siegfried und ein befreundetes Architekten-Ehepaar unterstützten sie.

Der erste Kölner Gabenschrank ist ein echter Hingucker. Ein kleiner bunter Schuppen aus Dachlatten, je nach Blickwinkel in einer anderen Farbe leuchtend, weil die Seitenflächen der Latten unterschiedlich lackiert sind.. „Da habe ich vier Wochen lang dran gearbeitet“, sagt Dickhoven stolz. Inmitten der Blütenpracht des kleinen Bunkergartens, einer Art Guerilla-Gärtner-Projekt, kommt die kölsche Give-Box gut zur Geltung.

Gästebuch mit begeisterten Kommentaren

„Ich möchte aber das Englische vermeiden und nenne den Schrank lieber Geben und Nehmen“, betont Marion Dickhoven. Einige kleine Regeln sollten die Nutzer beachten. Sauber und noch verwendbar sollten die abgelegten Geschenke sein. Und wer etwas Sperriges hat, kann einen Zettel oder ein Foto samt seinen Kontaktdaten aufs Regal legen. Neu hinzugekommen ist eine Pinnwand, die zu einer Kontaktbörse für nachbarschaftliche Hilfe werden soll. Sarah aus Berlin, derzeit in Ehrenfeld bei ihrer Freundin zu Besuch, die denselben Vornamen hat, fand sich auf Anhieb zurecht in der Box. „Das gibt es in Berlin auch. Am Senefelder Platz in Mitte“, berichtet sie. Als Geschenk nahm sie einen Roman mit.

„Leider kann ich jetzt nichts dafür zurück geben, aber dafür lege ich etwas in die Berliner Give-Box“, verspricht sie. Zwingend vorgeschrieben ist ein Tausch beim Give-Box-Prinzip jedoch nicht. Von Anfang an stieß der Schrank in der Körnerstraße auf eine schier überschwängliche Resonanz. Das golden eingebundene Gästebuch füllte sich schnell mit begeisterten Kommentaren. Worte wie „wunderbar“ und „fantastisch“ sind ebenso zu lesen wie „Menschlichkeit“ und „Nächstenliebe“. Man erfährt, dass nostalgische Backformen schon glückliche neue Besitzer fanden. Und dass sich eine Frau spontan entschied, eine Sonnenbrille gegen eine Kühltasche zu tauschen. Per Zettel sucht jemand einen alten Plattenspieler und bietet Stereoboxen.

Währenddessen sucht eine einsame CD seit Tagen einen neuen Besitzer. Aber anscheinend will die Michel Telo-Scheibe „Nooossaa“ – immerhin der Sommerhit des Jahres 2011 – niemand mehr geschenkt haben. Warum bloß?

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