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Zu starkes GefälleUngebremste Züge am Hauptbahnhof

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Lokführer müssen am Kölner Hauptbahnhof daran denken, die Handbremse zu ziehen.

Lokführer müssen am Kölner Hauptbahnhof daran denken, die Handbremse zu ziehen.

Köln – Köln hat 7,9 Promille. Dabei geht es nicht um einen Blutalkoholwert, sondern um das Gefälle der Gleisanlagen am Hauptbahnhof. Was sich erst einmal harmlos anhört, soll jedoch allein in diesem Jahr schon zu drei Unfällen geführt haben. Denn das eigentlich verschwindend geringe Gefälle am Kölner Hauptbahnhof kann womöglich dazu führen, dass schwere Züge ungewollt ins Rollen kommen – auch während Fahrgäste ein- und aussteigen.

Um das zu verhindern, werden die stehenden Züge eigentlich per automatischer Feststellbremse gesichert. Das Problem: Das Sicherungssystem ist laut Recherchen des ZDF-Magazin Frontal 21 nicht völlig „idiotensicher“, weil den Zugführern diese automatische Bremse nur dann zur Verfügung steht, wenn sie vorne in der Lok sitzen. Sitzen sie im Steuerwagen, müssen sie die Bremse manuell betätigen.

Eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamtes bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass allein 2013 im Kölner Hauptbahnhof sechsmal ein Zug anrollte, der eigentlich stehen sollte. Dreimal sei nichts passiert, dreimal wurden Menschen jeweils leicht verletzt: So habe sich beispielsweise ein Mitarbeiter beim Beladen des Speisewagens an einer Rampe verletzt und sich eine Wunde am Schienbein zugezogen.

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Wie das Bundesamt weiter mitteilt, sind der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes seit 2009 insgesamt 13 Ereignisse bekanntgeworden, bei denen Züge in Köln Hauptbahnhof unbeabsichtigt ins Rollen gekommen sind. „Zum Vergleich: Für alle anderen Regionen zusammen wurden zwölf solcher Ereignisse gemeldet“, teilte die Behörde mit. Dabei wurden 2010 zwei Personen und 2011 eine Person leicht verletzt. Betroffen waren in der überwiegenden Mehrzahl Intercity-Züge mit Lok und Steuerwagen, aber auch drei ICE-Triebzüge und ein Thalys aus Frankreich.

Aufgrund der Vorkommnisse, so die Sprecherin, habe die Bahn nun Konsequenzen gezogen und verschiedene personelle, betriebliche und organisatorische Maßnahmen eingeführt, um die Betriebssicherheit in Köln zu erhöhen. So sollen offenbar die Lokführer nachgeschult und auf die Problematik aufmerksam gemacht werden.

Die Deutsche Bahn AG wollte sich am Mittwoch nicht zu den Maßnahmen oder zu der Frage äußern, wie lange das Problem schon bekannt ist. Eine Sprecherin bat um einen Tag Zeit, um alle Fragen zum Thema beantworten zu können.

Daran, dass die Sicherheit der Passagiere und Bahnmitarbeiter weiter in den Händen der Lokführer liegen bleibt, ändert sich letztlich ohnehin nichts. Denn wie ein Lokführer der Deutschen Bahn im Fernsehen erklärte, vergäßen die Lokführer eben manchmal, die Feststellbremse manuell zu ziehen. Dies sei nämlich an vielen deutschen Bahnhöfen nicht nötig, weil dort ein so geringes Gefälle bestehe, dass eine manuelle Sicherung überflüssig ist. Außer in Köln eben

Und, so die brisante Botschaft der Frontal21-Macher, demnächst auch in Stuttgart. Denn der neu geplante Bahnhof Stuttgart 21 weise ein Gefälle auf, das die internationalen Sicherheitsstandards von 2,5 Promille um ein Sechsfaches übersteige. Im Schlichterausschuss wurden diese Sicherheitsmängel bereits im November 2010 mit dem als Schlichter berufenen Heiner Geißler (CDU) erörtert.

Bahn-Vorstandsmitglied Volker Kefer sah in dem Gefälle allerdings nur eine „theoretische Gefahr”, derer man sich bewusst sei. Daraufhin Geißler: „Es braucht ja nur ein Kind oder irgendjemand aufgrund technischer Mängel ums Leben kommen. Dann ist Ihr ganzer schöner Bahnhof nur noch Schall und Rauch.”

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