Krankenhaus-SuchmaschinenWelche Klinik ist die beste?

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Online-Wegweiser zeigen, wo es die beste Behandlung gibt. (BILD: DAK/SCHOLZ)

Online-Wegweiser zeigen, wo es die beste Behandlung gibt. (BILD: DAK/SCHOLZ)

Hans-Georg Kurz hatte keine Zeit, sich zu entscheiden. Der 88 Jahre alte Zahnarzt aus Münster stürzte in seinem Treppenhaus - und kam mit dem Notarztwagen ins nächste Krankenhaus. Diagnose: Oberschenkelhalsbruch. Er wurde direkt operiert. Aussuchen konnte er sich weder den Arzt noch das Krankenhaus. „Ich hatte Glück“, sagt er, „ich habe durch Zufall einen guten Operateur erwischt.“ Heute kann er wieder normal gehen, ohne Stock, ohne Treppenlift. Helga Salomon dagegen hat fast zu viel Zeit zum Überlegen. Seit Jahren weiß die 68-jährige Mönchengladbacherin, dass sie eine neue Hüfte braucht. Immer wieder geht sie zu Informationsveranstaltungen. „Doch je mehr ich lernte, desto größer wurde meine Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.“

Welches Krankenhaus macht die besten Hüftoperationen? Wo haben die Ärzte die meiste Erfahrung für ihren speziellen Fall? Fast alle Patienten wünschen sich klare Informationen, welche Klinik für sie die beste ist. Wie oft wird dort am Herzen, an der Hüfte oder am Knie operiert? Wie hoch ist die Komplikationsrate? Früher waren solche Informationen ein regelrechtes Staatsgeheimnis. Heute haben die Patienten schon bessere Karten. Aber sie müssen wissen, wo sie suchen. Denn die sogenannten Qualitätsberichte, die Krankenhäuser seit 2003 alle zwei Jahre veröffentlichen müssen, waren vor allem am Anfang für medizinische Laien schwer verständlich - auch wenn es ausdrücklich das Ziel der Gesetzesvorgabe war, Versicherte, Patienten und einweisende Ärzte besser zu informieren.

Doch Verbraucherschützer beobachten eine positive Entwicklung. Vor allem die Klinikführer im Internet sind patientenfreundlicher geworden. Wer sich durch solch ein Angebot durchklickt, muss nicht mehr mühsam die einzelnen Qualitätsberichte verschiedener Krankenhäuser vergleichen. Denn die Daten der Qualitätsberichte fließen in die Klinikführer ein - es steht also heute dort viel mehr drin als Bettenzahl, Besuchszeiten, Telefonkosten, Cafeteria-Angebot oder Internetanschluss.

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Für Verbraucher ist Unabhängigkeit wichtig

Der „Klinik-Lotse“ der Angestellten-Krankenkassen und Arbeiter-Ersatzkassen war im November 2007 Testsieger bei der Stiftung Warentest, gefolgt vom „TK-Klinikführer“ der Technikerkrankenkasse. Ein Pionier war die private Klinikgruppe Helios. Bereits seit 1999 sind in der „Helios Klinik-Suche“ die Daten der 61 Helios-Krankenhäuser abrufbar. Doch für Verbraucherschützer zählt die Unabhängigkeit des Anbieters. Das sei zum Beispiel beim „Klinik-Führer Rhein-Ruhr“ gegeben, sagt Kai Vogel, Gesundheitsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. Der „Initiativkreis Ruhrgebiet“ macht dort seit 2004 Leistung und Angebote von mittlerweile 75 Krankenhäusern der Region abrufbar. Die neue Nummer eins ist aber der Klinikführer „Weisse Liste“ der Bertelsmann Stiftung. Seit drei Monaten erst ist das Internet-Angebot auf dem Markt und kann laut Projektleiter Sebastian Schmidt-Kaehler schon mit 10 000 Nutzern pro Tag aufwarten. „Das ist mehr, als wir gedacht haben. Rund 25 000 Menschen werden in Deutschland täglich in ein Krankenhaus eingewiesen, da sind die Notfälle bereits abgezogen. Insofern sind wir mehr als zufrieden.“

Die „Weisse Liste“ zeichnet sich vor allem durch eines aus: Verständlichkeit. „Die Vorschrift für flächendeckende Qualitätsberichte in Deutschland ist zwar weltweit einzigartig, aber damit war das Ziel des Gesetzgebers, Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen, nicht erreicht“, sagt Schmidt-Kaehler. „Uns war es wichtig, alle Daten an einer Stelle zu bündeln und zugleich leicht lesbar zu machen.“ Deshalb habe Bertelsmann mit Wissenschaftlern, Patienten- und Verbraucherorganisationen und Medizinlinguisten kooperiert, um Fachbegriffe und Hintergründe zu übersetzen.

Schließlich ist es schwierig, die Qualität eines Krankenhauses zu messen. Es sei nicht das Ziel, „das beste Krankenhaus“ zu finden, sondern je nach persönlicher Anforderung „das richtige Krankenhaus“, betont der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, in dem Ärzte, Krankenkassen und Kliniken vertreten sind.

Nur ein kleiner Teil der Qualitätsdaten ist aber überhaupt öffentlich zugänglich. Zwar müssen die Krankenhäuser nicht nur Qualitätsberichte veröffentlichen, sondern auch ihre Ergebnisse in Medizin und Pflege in 26 Versorgungsbereichen mitteilen. Diese Daten gehen an die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS), die seit 2001 im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses die Behandlungsqualität überprüft.

Qualitätsindikatoren bleiben meist verborgen

„Unsere Qualitätssicherung deckt 20 Prozent der Krankenhausarbeit ab, und davon wiederum fließt nur ein Teil in die Qualitätsberichte ein", erklärt Felix Höfele von der BQS. Nur knapp 30 von rund 180 Qualitätsindikatoren gelangen so an die Öffentlichkeit. Festgelegt hat der Gemeinsame Bundesausschuss dafür bislang vor allem operative Fächer, die Geburtshilfe, dazu die Krankheitsbilder Lungenentzündung und Dekubitus, aber wenige Krebsbehandlungen.

Andererseits: Alle Daten zu veröffentlichen sei gar nicht sinnvoll, sagt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Bei vielen Behandlungen spielen mehrere Faktoren eine Rolle, auch solche, die eine Klinik nicht beeinflussen kann, so dass eine objektive Bewertung kaum möglich ist.“ Eine Uni-Klinik etwa habe fast nie die besten Zahlen, weil dort in der Regel schwerere Fälle landeten. Trotzdem dienen die BQS-Indikatoren natürlich dazu, Mängel aufzudecken. Gute Klinikführer übersetzen die Fachcodierungen mit einer Art Ampel: Grün steht für gute Leistungen, Rot für schlechte. Manche Kliniken geben von sich aus mehr Informationen heraus als gesetzlich vorgeschrieben.

Mit Offenheit, so scheint es, kann man punkten. Die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung ist überzeugt, dass die Krankenhausergebnisse sich durch diesen Wettbewerb verbessern. „Bei 20 der 194 Qualitätsindikatoren aber erreichen wir unser Ziel nicht“, sagt Geschäftsführer Christof Veit, etwa bei der Behandlung einer Lungenentzündung. Die Messung der Sauerstoffsättigung im Blut - spätestens acht Stunden nach Einlieferung nötig und wichtig für die Diagnose des Schweregrades - werde nur in 84 Prozent aller Fälle korrekt gehandhabt. Ziel seien 95 Prozent.

Rangluisten können unseriös sein

Ranglisten, wie sie Medien so gerne propagieren, können nach Expertenansicht aus Qualitätsberichten trotzdem nicht abgeleitet werden. „Ranglisten sind aus wissenschaftlicher Sicht problematisch, können sogar unseriös sein“, betont der Gemeinsame Bundesausschuss. „Denn es wird nur ein kleiner Ausschnitt gemessen, nur Vergangenes beurteilt und die vielen externen Faktoren nicht berücksichtigt. Statistisch sind selbst Einzelvergleiche von mehreren Fachabteilungen extrem schwierig.“

Das weiß man auch bei der Bertelsmann Stiftung. „Es gibt nicht das objektiv beste Krankenhaus“, sagt Sebastian Schmidt-Kaehler. Man könne nur „das passende Krankenhaus“ für sich finden. „Wir wollen auch nicht den Arzt ersetzen, sondern Patienten mit zusätzlicher Information ausstatten. Zwei Patienten mit der gleichen Erkrankung können ganz unterschiedliche Prioritäten haben. Für den einen zählt die medizinische Qualität, für den anderen zählt auch Menschliches: Wie viel Zeit nehmen sich Ärzte und Pflegepersonal, wie gehen sie mit Kranken um?“ Solche Aspekte sind in den gesetzlichen Qualitätskriterien allerdings nicht enthalten. Deshalb wird die „Weisse Liste“ im Herbst um den Punkt „Patientenzufriedenheit“ erweitert, wie ihn andere Klinikführer teilweise bereits bieten. Das Ziel der Bertelsmann Stiftung geht allerdings darüber hinaus: „Wir wollen ein Versorgungs-Informationsportal schaffen“, erklärt Schmidt-Kaehler. Von der Klinik bis zur Selbsthilfegruppe sollen Versicherte die gesamte Versorgungsstruktur abrufen können.

„Als Patient sollte man sich nicht allein auf einen Klinikführer verlassen“, rät Kai Vogel von der Verbraucherzentrale NRW. „Viele Informationen sind immer noch nur für Experten verständlich. Man sollte Unterstützung in Anspruch nehmen, um die Daten zu interpretieren.“ Gesprächspartner können etwa die eigene Krankenkasse oder behandelnde Ärzte sein.

Helga Salomon hat sich lange durch das Internet geklickt. Doch am Ende hat sie sich bei der Auswahl ihrer Wunsch-Klinik für die Hüft-OP auf persönliche Kontakte verlassen: „Es ist zwar gut zu wissen, dass dieses Krankenhaus im Jahr 2006 insgesamt 319 künstliche Hüftgelenke ohne nennenswerte Komplikationen eingesetzt hat. Mich beruhigt aber vor allem, dass ich den zuständigen Arzt kenne.“

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