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Pressekodex zu den Vorfällen an SilvesterDarum sollen die Medien die Herkunft der Kölner Täter nennen

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Die Neujahrsnacht am Kölner Hauptbahnhof.

Die Neujahrsnacht am Kölner Hauptbahnhof.

Köln – Auf der Suche nach den (Sexual-)Straftätern der Kölner Silvesternacht hat sich die Frage, wer die Männer waren, von Anfang mit der Frage verbunden, woher sie kamen: Aus Nordafrika? Dem „arabischen Raum“, wie es in einer der vielen Zwischenberichten der Kölner Polizei zur Information, womöglich aber auch zur Desinformation der Öffentlichkeit hieß.

Die „Herkunft“ ist gerade in diesem Fall fast gleichbedeutend mit der Nationalität der Täter zu verstehen. Die soll, so sagt es deutsche „Pressekodex“, die standesethische Selbstverpflichtung der Medien in ihren Richtlinien, in der Berichterstattung über Straftaten normalerweise nicht genannt werden, um Pauschalisierungen, Vorurteile gegen ganze Bevölkerungsgruppen und ethnische Stigmatisierungen zu verhindern. Einschränkend heißt es, dass die Herkunft eines Täters erwähnt werden kann, „wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“

Für Marc Jan Eumann (SPD), Medienstaatssekretär der nordrhein-westfälischen Landesregierung, besteht in Abwägung des „begründbaren Sachbezugs“ durch die Journalisten die entscheidende Leistung der Presserats-Richtlinie: keine Selbstzensur, sondern eine Selbstprüfung. „Der Pressekodex erfüllt seinen Sinn, wenn Journalisten vorab darüber reflektieren, was sie schreiben.“

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Warnung vor einer „schrecklichen Debatte“

Im konkreten Fall der Kölner Ausschreitungen in der Silvesternacht sieht Eumann die Nennung der Nationalität von Tatverdächtigen im Einklang mit den Vorgaben des Pressekodex. „Die Angabe der Herkunft ist in diesem Fall notwendig, um das Geschehen einordnen zu können“, findet Eumann.

Dagegen beklagte die „tageszeitung“ (taz) eine Erosion journalistischer Standards und machte dafür das Internet verantwortlich. Es sei eine Illusion, zu glauben, bestimmte Informationen ließen sich „außen vor halten“. Hinzu komme der „Druck der rechten Gegenöffentlichkeit aus dem Netz, die schnell mit dem Vorwurf bei der Hand ist, »die Medien« würden aus falsch verstandener Toleranz und »politischer Korrektheit« die Verbrechen von Migranten verschweigen oder schönfärben“. Um dem zu entgehen, seien „auch seriöse Medien im vorauseilenden Gehorsam dazu übergegangen, die Herkunft von Straftätern offensiv zu benennen – jedenfalls, so lange es sich um migrantische Straftäter handelt.“

Der Bonner Medienanwalt Gernot Lehr sieht eine solche Gefahr auch und rät daher umso mehr zur Differenzierung. Lehr warnt vor einer „schrecklichen Debatte“, in der die – noch weitgehend unaufgeklärten – Übergriffe auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof instrumentalisiert würden, um „gegen Flüchtlinge insgesamt Stimmung zu machen“.

Eigenverantwortung der Medien

Nun lässt sich aber kaum bestreiten, dass die Debatte über die Kölner Vorkommnisse – auch und gerade in ihrer Heftigkeit – vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und der Auseinandersetzung über deren Bewältigung stattfindet. Lehr sieht „ein berechtigtes öffentliches Interesse, Auskunft über die Herkunft mutmaßlicher Täter zu erhalten.“ Verallgemeinernd gesagt, setzt der Hinweis auf die Herkunft eines Täters voraus, dass eine kausale, gesellschaftlich relevante Beziehung zur Straftat besteht – es sich also nicht nur um einen „Ausreißer“ handelt. Wie Lehr betont, muss die Presse dem öffentlichen Interesse aber auch durch ausgewogene Berichterstattung auf gesicherter Faktenbasis entsprechen und dabei Verallgemeinerungen oder Vorverurteilungen meiden.

Aus juristischer Sicht interessant: Im Presserecht findet sich keine Regel, die es grundsätzlich ausschlösse, die Herkunft eines Straftäters oder Verdächtigen zu nennen. Umso größeres Gewicht, so Lehr, komme damit der Berufsethik und der Eigenverantwortung der Medien zu. „Wir alle – nicht nur die Medien – tun gut daran, notorische Vorurteile nicht zu bedienen. Dazu leistet der Pressekodex einen wichtigen Beitrag.“

Verbrechen hat keine Nationalität. Mörder, Räuber, Vergewaltiger gibt es in allen Gesellschaften. Die Berichterstattung über Kriminalität darf daher nicht zum Tummelplatz für Rassisten werden.

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