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RundfunkgebührenAuch Blinde müssen zahlen

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Die GEZ hat zum Jahreswechsel einige Änderungen vorgenommen. Nicht alle sind begeistert.

Die GEZ hat zum Jahreswechsel einige Änderungen vorgenommen. Nicht alle sind begeistert.

Sie sind fast blind oder können kaum etwas hören – und trotzdem sollen sie für die Nutzung von Fernsehen und Radio zahlen. „Eine Ungerechtigkeit!“, schimpfen nicht nur viele Nutzer im Internet. Die Vertreter führender Sozialverbände laufen Sturm gegen den neuen Rundfunkbeitrag.

Vor allem Menschen mit Behinderungen, die früher von der Gebühr befreit waren, würden nun benachteiligt. „Es ist ein Irrsinn, Demenzkranken und Pflegebedürftigen ohne ausreichende Seh- und Hörfähigkeit mit einer Rundfunkgebühr in die Tasche zu greifen“, sagte Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SOVD). Seiner Meinung nach bedeutet der neue Rundfunkbeitrag „für die Mehrheit der Menschen mit Behinderung eine deutliche Verschlechterung“. Denn bisher waren etwa Blinde und Gehörlose von der Gebühr befreit. Bauer kritisiert, dass nun der „seit Jahren bewährte behinderungsspezifische Nachteilsausgleich“ wegfällt und fordert, weiterhin alle behinderten Menschen vom Rundfunkbeitrag zu befreien.

Lediglich Blinde, die Blindenhilfe erhalten, und taubblinde Menschen sind künftig völlig von der Gebühr befreit. Zehntausende behinderte Menschen, die bisher nichts bezahlen mussten, werden dies künftig tun müssen. Selbst Gehörlose und Menschen mit einer schweren Sehbehinderung (mindestens 60 Prozent) sind gehalten, zu zahlen. Nur auf Antrag wird ihr Beitrag auf 5,99 Euro monatlich reduziert.

Von der neuen Rundfunkabgabe völlig befreit sind Empfänger von Sozialhilfe, Grundsicherung und Arbeitslosengeld II (Hartz IV), Asylbewerber sowie Menschen, die in einem Pflegeheim leben. Eine Befreiung gilt außerdem für Studenten, die Bafög erhalten und nicht mehr bei ihren Eltern wohnen. Nicht zur Kasse gebeten werden auch Blinde, die Blindenhilfe erhalten, taubblinde Menschen und Behinderte, die Sozialhilfe erhalten. Die Befreiung erfolgt nur, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. (kst)

Blinde oder stark Sehbehinderte, Gehörlose und schwer behinderte Menschen sind nicht mehr – wie bisher – generell von der Rundfunkabgabe befreit. Sie müssen künftig den ermäßigten Beitrag von 5,99 Euro im Monat zahlen. Eine Ermäßigung erhalten nur Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 Prozent, die in ihrem entsprechenden Ausweis den Vermerk „RF“ eingetragen haben. In bestimmten Fällen sollen Härtefallregelungen greifen. Auch hier ist ein Antrag erforderlich (kst)

Personen, die bereits die Rundfunkgebühr bezahlen, werden automatisch auf den neuen Betrag umgestellt – egal, welche Geräte sie bisher angemeldet hatten. Jeder, der bisher nicht bei der GEZ angemeldet war, muss sich nun anmelden und ab 1. Januar zahlen. In Haushalten, in denen bislang mehrere Personen und Geräte angemeldet waren, muss nur noch die pauschale Gebühr von 17,98 Euro gezahlt werden. Das gilt auch für Wohngemeinschaften. Wer sich nicht abmeldet, wird gegebenenfalls mehrfach abkassiert. (kst)

Die Einzelhandelsverbände haben unter dem Motto „Rundfunkgebühren 2013 – Jetzt hat sich’s ausGEZahlt!“ im Internet eine Initiative gegründet (www.gebuehrenwucher.de). Sie befürchten für die Wirtschaft und vor allem für den Einzelhandel eine Kostensteigerung von bis zu 500 Prozent. Denn die Höhe des Beitrags richtet sich von nun an nach der Anzahl der Niederlassungen, Beschäftigten und Dienstwagen – unabhängig vom tatsächlichen Rundfunkkonsum. Die Verbände fordern ein „gerechtes Gebührenmodell“.(kst)

Um den neuen Beitrag erheben zu können, wird es einen gigantischen Datenabgleich mit den Einwohnermeldeämtern zu allen volljährigen Bürgern geben. Stichtag ist der 1. März 2013, und es geht um insgesamt rund 70 Millionen Datensätze. Zusätzlich zu diesem einmaligen Abgleich sollen – wie es auch bisher der Fall war – regelmäßig An- und Ummeldungen und Sterbefälle von den Einwohnermeldeämtern an die Einzugsbehörde übermittelt werden. Die ungeliebten GEZ-Fahnder sollen so überflüssig werden. (kst)

ARD und ZDF hatten angekündigt, die Gebühr nicht bei den Bewohnern von Pflegeheimen einzutreiben. Das geht den Verbänden aber nicht weit genug. Nötig seien „deutlich mehr Sendungen für Hör- und Sehgeschädigte mit Gebärdensprache und Audiodeskription, wenn sie dafür bezahlen müssen“, fordert Wolfgang Tigges, Vize-Geschäftsführer der Düsseldorfer Dachorganisation der Behinderten-Selbsthilfe-Organisation BAG Selbsthilfe.

Pro Haushalt 17,98 Euro

Vom 1. Januar an muss jeder private Haushalt monatlich 17,98 Euro Gebühr für die Nutzung eines Fernsehers oder Radios bezahlen – auch wenn die Geräte gar nicht vorhanden sind. Laut Statistischem Bundesamt besitzen etwa rund 1,5 Millionen der deutschen Privathaushalte gar keinen Fernseher. Wer von ihnen bislang ein Radio oder einen Computer nutzte, musste den ermäßigten Betrag von 5,76 Euro zahlen. Für sie wird jetzt der mehr als dreifache Satz fällig.

Auch im Internet ist eine hitzige Debatte entbrannt. Viele Nutzer von ksta.de äußern ihre Empörung über die neue Rundfunkabgabe. Sie bezeichnen sie unter anderem als „staatliche Abzocke“, „mafiöse Geldeintreiberei“ und die Einzugsbehörde als „rücksichtslosen Selbstbedienerladen“ oder „Inkasso-Unternehmen“. Auf Twitter schreibt ein Nutzer: „GEZ zahlen müssen, obwohl man keine Geräte hat? Kann ich auch Kindergeld beantragen, obwohl ich kein Kind habe?“ Auf der Seite Online-Boykott.de wurden bislang knapp 30000 Unterschriften gegen die Abgabe gesammelt. (mit dpa)

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