Glücksstoffe im GehirnDarum macht uns Kooperation zufrieden

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Da staunte selbst die Fachwelt: Das natürliche Ziel der Motivationssysteme im Gehirn sind soziale Gemeinschaft und glückliche Beziehungen mit anderen Individuen.

Da staunte selbst die Fachwelt: Das natürliche Ziel der Motivationssysteme im Gehirn sind soziale Gemeinschaft und glückliche Beziehungen mit anderen Individuen.

Menschen und Mäuse unterscheiden sich nicht stark - zumindest für die Neurobiologie. Das zeigt ein Experiment: Eine Maus sitzt in einem Einzelkäfig, riecht und sieht aber ihre Artgenossen in einem benachbarten Käfig. Die einsame Maus kann sich dorthin einen Weg öffnen, wenn sie auf eine Leiste drückt. Das lernt sie schnell, wobei ihr „Motivationssystem“ im Gehirn auf Touren kommt.

So zeigen neurobiologische Studien, „wie die Motivationssysteme auf sozialen Kontakt reagieren“, stellt Joachim Bauer fest, ein renommierter Medizinprofessor und Psychotherapeut aus Freiburg. Er hat das Buch geschrieben: „Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren“. Seine These: Der Mensch ist nicht in erster Linie auf Konkurrenz und Egoismus eingestellt. Seine Motive zum Handeln wurzeln vielmehr in dem Streben, Zuwendung und Wertschätzung von anderen Menschen zu erfahren.

Motivation und Emotion hängen zusammen

Warum stützen gerade Experimente mit Mäusen diese These? „Deren prinzipieller Aufbau des Gehirns“ entspricht dem menschlichen Denkorgan, so Bauer, „ob es und gefällt oder nicht.“ Biochemische Prozesse laufen bei Maus und Mensch ähnlich ab, im Zentrum steht das „Motivationssystem“: Es hat seinen Sitz im Mittelhirn, Nervenbahnen verbinden es mit vielen anderen Regionen im Gehirn. Besonders eng ist es mit den Emotionszentren verschaltet: „Informationen, die von dort eintreffen, melden dem Motivationssystem, ob die Umwelt Ziele in Aussicht stellt, für die es sich einzusetzen lohnt.“

Wird das System aktiviert, schüttet der Körper glücklich machende Stoffe wie Dopamin, Oxytozin und Opioide aus. Die Frage war lange Zeit: Was bringt das „Motivationssystem“ dazu, diese Botenstoffe zu erzeugen? Wohin „will“ es die Menschen lenken? „Das Ergebnis verblüffte selbst die Fachwelt“, erklärt Bauer in seinem Buch. „Das natürliche Ziel der Motivationssysteme sind soziale Gemeinschaft und gelingende Beziehungen mit anderen Individuen.“ Dabei gehe es nicht nur um persönliche Beziehungen, sondern um „alle Formen sozialen Zusammenwirkens.“ Daraus zieht Bauer den Schluss: Kern aller Motivation sei es, „zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben.“

Das Netzwerk „culture²business“ setzt sich zum Ziel, gesellschaftlichen Wandel zu erkennen und in die Wirtschaft zu tragen. Die Partnerinnen und Partner wollen einen Wechsel gestalten, der zu einer zukunftsfähigen Kultur in Unternehmen führt. Die Stichworte lauten: Mehr Kooperation und weniger Konkurrenz. Mehr Gemeinwohl und weniger Egoismus. Mehr Ganzheitlichkeit und weniger Profitmaximierung.

Das Netzwerk „culture²business“ unterstützt Unternehmen, die eine ganzheitlich-zukunftsorientierte Kultur aufbauen wollen, um im Wettbewerb durch engagierte Mitarbeiter zu bestehen. Daher vereint das Netzwerk Kompetenz aus unterschiedlichen Gebieten: Die Partnerinnen und Partner sind Unternehmensberater, Systemische Coaches, Trainer, eine Wirtschaftswissenschaftlerin, ein Journalist und ein Experte für Bildung im Internet.

Ihr Netzwerk wurde inzwischen als Fachgruppe „Unternehmenskultur und Kommunikation“ in die „Offensive Mittelstand“ aufgenommen, die vom „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“ gefördert wird.

Das Netzwerk will für Unternehmen ein fundiertes Beratungs- und Informationsangebot entwickeln: Analysen, Beratungen, Webinare, Vorträge und Trainings. Kontakt: Netzwerk culture²business, Sabine Gilliar, Tel. 0157/797 090 21, E-Mail: sabine@gilliarconsulting.de, Internet: www.culture2business.eu

Genau darauf kommt es an: Ethische oder religiöse Argumente sind nicht nötig, um in der Wirtschaft den Blick für Kooperation zu schärfen – und von einem überzogenen Egoismus Abschied zu nehmen. Denn die Naturwissenschaft beweist: Menschen haben durch ihre Biochemie stärkere Anlagen zur Zusammenarbeit, als es das tradierte Menschenbild der Ökonomie wahr haben will. Wer nur mikroökonomischen Modellen folgt, rechnet aus, wie der „homo oeconomicus“ seinen Nutzen oder Profit maximiert. Der Mensch verkümmert zu einem „zweckrationalen Entscheider“.

Zu diesem Menschenbild sagte Prof. Reinhard Selten der Zeitschrift „Institutional Money“: „In einem früheren Stadium der Wissenschaft war es vielleicht sehr vernünftig, von diesem Bild auszugehen, aber inzwischen muss man erkennen, dass dieses Bild nicht mehr tragfähig ist und durch ein anderes ersetzt werden muss.“ Prof. Selten hat als einziger deutscher Ökonom bislang den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.

Nicht alle sind reflektiert genug

Vor diesem Hintergrund bekommen Bauers Aussagen ein besonderes Gewicht: „Wir sind – aus neurobiologischer Sicht – auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen.“ Das Modell des Menschen als „zweckrationaler Entscheider“ sei falsch, „weil es den im Menschen verankerten Wunsch, vertrauensvoll zu agieren und gute Beziehungen zu gestalten, außer Acht lässt.“

Die Idee eines „zweckrationalen Entscheiders“ prägt die wissenschaftliche Theorie der „rational choice“ – und ihre Folgen können verheerend sein, wie es Thomas Ruf aus vielen Unternehmen kennt. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbandes StrategieForum e. V., einer Plattform für Kommunikation und Kooperation in der Wirtschaft. Außerdem engagiert sich Ruf unter anderem im Netzwerk „culture²business“.

Seine Einschätzung stützt sich auf die Arbeit von Peter Molzberger, einem inzwischen verstorbenen Informatikprofessor aus München: „Es gibt große Leistungspotentiale, die sich durch innere Reibung in Teams und Organisationen in Bremswärme verwandeln.“ Wo Konkurrenz und Egoismus überhand nehmen, wird diese Energie nicht kreativ entfaltet, sondern zerstört Gesundheit und Lebensfreude der Menschen. Das Betriebsklima geht kaputt; Geld und Sachmittel werden verschwendet.

Der Personalentwickler Robert Berkemeyer nennt eine weitere Ursache: „Einem kooperativen Verhalten steht entgegen, dass ein Mitarbeiter auch die Meinung eines anderen gelten lassen, ja sogar den eigenen Standpunkt anzweifeln müsste.“ Das verlange ein großes Reflexionsvermögen, über das nicht alle Menschen verfügten.

Ein Grund zu Pessimismus? Thomas Ruf verweist in dieser Diskussion gerne auf ein Zitat von Antoine de Saint-Exupery: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Eine gefährliche Kettenreaktion

Diese Worte des französischen Schriftstellers greift auch Molzberger auf, und zwar in seinem Buch „Synergetische Zusammenarbeit – ein Schwimmkurs für Führungskräfte“: Sie seien das „Erfolgsrezept für Synergie.“ Saint-Exupery schildere zunächst die übliche Vorgehensweise in der Wirtschaft, personelle und materielle Voraussetzungen zu schaffen. Außerdem werden Pläne und Ziele festgelegt. Das Geheimnis sei aber eine Vision wie die Sehnsucht nach dem Meer: „Wenn Ihre Leute mit Leib und Seele hinter Ihrer Firma stehen, dann liegt eine Vision zugrunde, sonst ist es bloß ein Plan.“

Dann macht Molzberger auf ein Phänomen aufmerksam, für das Bauer die neurobiologischen Grundlagen geklärt hat: „Der Schlüssel zur Synergie heißt Gleichheit, Anerkennung Ihrer Mitarbeiter“. Wer sich als Chef über seine Mitarbeiter stellt, löst eine gefährliche Kettenreaktion aus: „Die Haltung 'ich bin größer, besser, wertvoller als Du' heißt doch umgekehrt: 'Du bist kleiner, schlechter, weniger wertvoll als ich'“. So breite sich eine Atmosphäre der allgemeinen Bedrücktheit im Unternehmen aus, weil die Mitarbeiter diese Einstellung gegenüber Kollegen wiederholen. Ein psychischer Teufelskreislauf.

Alle Fähigkeiten der Mitarbeiter nutzen

„Einer solchen Entwicklung stellt Molzberger seine Idee des 'Synergetischen Teams' gegenüber“, erläutert Thomas Ruf, der den Informatikprofessor auch persönlich gekannt hat. Klassisch sei der Gedanke, homogene Teams wären besonders leistungsfähig. Wer aber als Führungskraft den Mitgliedern Raum zur Entfaltung gibt, stößt einen synergetischen Prozess an: Jetzt werden alle Fähigkeiten genutzt, die ein Mitarbeiter bereithält.

Springt das „Motivationssystem“ im Gehirn an, wird Dopamin ausgeschüttet, das im gesamten Körper seine Wirkung entfaltet: „Es erzeugt ein Gefühl des Wohlbefindens und versetzt den Organismus psychisch und physisch in einen Zustand von Konzentration und Handlungsbereitschaft“, sagt Medizinprofessor Joachim Bauer.

Doch damit nicht genug: Weitere „körpereigene Botenstoffe“ machen sich auf die Reise, die so genannten „endogenen Opioide“. Ihre Rolle erklärt der Medizinprofessor: „Sie haben positive Effekte auf das Ich-Gefühl, auf die emotionale Gestimmtheit und die Lebensfreude.“

Und der dritte „Wohlfühlbotenstoff“ ist Oxytozin: Er entsteht durch positive Bindungserfahrungen – und erhöht umgekehrt die Bereitschaft, Vertrauen in einer Beziehung aufzubauen.

Liegt eine gemeinsame Vision vor, schreibt Molzberger: „Je heterogener das Team bezüglich Ausbildung, Alter, Geschlecht, kultureller/ethnischer Zugehörigkeit, Denkstruktur (rational-intuitiv), desto größer die potenzielle Leistungsfähigkeit.“ Die Leistungen homogener Teams würde einem Strohfeuer gleichen – und ein heterogenes Team entwickelt die „Hitze von Anthrazit-Kohle“.

Auf diese Weise kommt neue Fahrt in den Job: „Plötzlich ist die Arbeit, ja das Leben, faszinierend und erfüllend. Freude, Zufriedenheit, Selbstwertgefühl, Kraft...!“, so Molzberger. Dazu würde die Neurobiologie nüchtern feststellen: Dopamin, Oxytozin und endogene Opioide kreisen im Körper. Und das ist der Grund, warum wir von Natur aus kooperieren, wie es der Medizinprofessor aus Freiburg nachgewiesen hat.

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