Neuer Party-HotspotAnwohner im Agnesviertel klagen über Müll, Lärm und Feiernde

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Neusser Platz_verpixelt

An Sommertagen ist der Neusser Platz gut besucht.

  • Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner schreibt regelmäßig in ihrer Kolumne über Köln.
  • In dieser Episode: Der Ärger von Anwohnern über „Party-People“ am Agneskirchplatz und die geplante Verschönerung des Neusser Platzes.

Ein Hilferuf erreicht mich aus dem Agnesviertel: Rund um die Agneskirche mit ihrem Vorplatz als dem Mittelpunkt urbanen Lebens im Quartier drohen Brüsseler-Platz-Verhältnisse, sagen Anwohner wie Monika Fünfzig. Sie wohnt ungefähr so lange neben der Kirche, wie sie heißt. Mit dem Dreck und dem Lärm werde es immer schlimmer, klagt sie. Nicht bloß in lauen Nächten sei an Schlaf nicht mehr zu denken, und am Morgen findet sie den Neusser Platz regelmäßig übersät mit leeren Flaschen, Pizzakartons und anderem Müll.

„Die Party-People kommen, feiern und lassen alles liegen“, sagt Peter Otten, Pastoralreferent der Pfarrgemeinde Sankt Agnes. Die Abfallwirtschaftsbetriebe haben inzwischen den Takt geändert, in dem die viel zu kleinen Mülleimer geleert werden: einmal weniger in der Woche, dafür auch samstags und sonntags. Das bringt etwas Entlastung, reicht aber nach der Erfahrung der Anwohner nicht. Wären größere Abfallbehälter eine Lösung? Das böte nur noch mehr Anreiz, sagen Fachleute und raten ab.

Otten weiß auch noch von einem weiteren Problem zu berichten. Es hat sehr direkt mit dem Konsum von Flüssigkeiten aller Art zu tun. Sie ahnen sicher, was ich meine: Jede Ecke, jeder Winkel der Kirche – und von denen gibt es sehr, sehr viele – wird von Wildpinklern heimgesucht, bekanntlich meine Lieblingsspezies, mit der ich am Dom auch meine liebe Not hatte. Weil ungezählte Zwei- und Vierbeiner zudem auch ihr großes Geschäft in den Beeten, den Lichtschächten und Kellerzugängen verrichten, stinkt es an der Kirche nicht nur widerlich, es sieht auch ekelhaft aus.

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Barbara Schock-Werner inspiziert die Müll-Situation an der Agneskirche.

Schon seit Jahren, berichtet mir Birgitt Caspers vom Pfarrgemeinderat, bemüht sich die Gemeinde darum, dass die Stadt in der Nähe der Kirche eine Toilettenanlage errichtet und sich um die Reinigung des Geländes kümmert. Passiert ist lange, lange nichts. Dann gab es in der Stadtteilkonferenz einen Beschluss, und es war sogar schon ein Standort für die Toiletten ausgeguckt. Aber dann sollte der auf einmal ein ganzes Stück weit weg verlegt werden, und inzwischen wurde die Aufstellung der Toiletten bis auf Weiteres verschoben. Es gibt offenbar Ecken mit weit dringenderem Bedarf als diesen belebten Platz mitten in einem der beliebtesten Viertel Kölns. „Eine Stadt, die nicht mehr dafür sorgt, dass man aufs Klo gehen kann, ist doch verloren“, schimpft Otten. Da kann ich ihm nur Recht geben.

Die traurige Folge: Der Naturschutzbund Nabu, der für einige Jahre eine Patenschaft für Wildblumenwiesen auf den Freiflächen rund um die Kirche übernommen und sich – wie Peter Otten mir erzählt – „richtig viel Mühe gegeben“ hat, wird die Pflege nicht fortsetzen. „Die hatten einfach die Schnauze voll“, sagt Otten. Die Gemeinde überlegt nun, Teile des Areals einzuzäunen.

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An der Agneskirche stehen Dixi-Klos.

Allerdings sind – wie sie oft in Köln – die Eigentumsverhältnisse nicht allen Beteiligten klar. Unlängst erhielt Otten eine Mail vom Ordnungsamt, die Gemeinde möge bitte das Areal um die Kirche säubern. „Nö“, sagt Otten und schüttelt den Kopf. „Dafür ist die Stadt zuständig.“ Tatsächlich beweist der Blick ins Grundbuch: Das Kirchengrundstück endet mit der Kirchenmauer. Schon die Treppen zu den Seiteneingängen der Kirche liegen auf städtischem Gebiet.

Weil der Pfarrgemeinderat es einfach nicht mehr länger – nun ja – laufen lassen wollte, hat er vor einer Woche ein Dixi-Klo neben der Kirche aufstellen lassen. Auf eigene Kosten und ohne Genehmigung. Ein Wildpinkel-Klo sozusagen. Ich bin mal gespannt, ob jemand von der Stadt kommt und Knöllchen verteilt. Ein Zettel des Pfarrgemeinderats an der Tür und auf der Seite des blauen Toilettenhäuschens klärt Benutzer und Passanten über „unsere Guerilla-Aktion“ auf, wie Birgitt Caspers es formuliert. „Dass Hauptamtliche der Gemeinde regelmäßig den Kot auf den Außenstufen zur Krypta wegschippen müssen, ist entwürdigend für alle Seiten “, steht da. Und: „Nutzen Sie das Dixi-Klo, wenn Sie mal müssen. Wenn Ihnen das zu unbequem ist: Schreiben Sie der Stadt! Der Bau eines Klos ist kein komplexer Opernbau… Ein öffentliches Klo sollte sogar die Kölner Stadtverwaltung bauen können.“ Und wieder kann ich nur sagen: So ist es!

Köln kann keine Plätze

Nun geistert zu allem Überfluss auch noch eine kühne städtebauliche Vision durchs Viertel: Neugestaltung des Neusser Platzes! Noch mehr Bäume und noch mehr Grün schwebt den Grünen vor, die diese Idee propagieren. Von einem Flair wie auf der Piazza del Campo in Siena schwärmen sie. Die Anwohner, das habe ich gespürt, sind darüber ent- statt begeistert: Sie fürchten noch mehr Betrieb, noch mehr nächtlichen Lärm und noch mehr Brüsseler-Platz-Atmosphäre. An diesem Samstag wollen die Grünen einen Info-Stand aufstellen und mit den Leuten ins Gespräch kommen.

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Wenn Sie mich fragen: „Wie kann Köln ein wenig mehr Siena werden?“, das ist mal wieder ein typisch kölscher Spleen. Zweifellos ist der halbrunde Platz in Siena eine der schönsten innerstädtischen Anlagen der Welt. Aber da beginnt schon das Problem: Köln kann nun mal keine Plätze. Sich dann gleich an Siena zu messen, das kann nur schiefgehen. Autofrei ist die Piazza del Campo zum Beispiel schon allein deshalb, weil der Platz ein Rondell ist, in dem bei Autofahrern bestenfalls Karussell-Feeling aufkäme.

Bei aller Wertschätzung für Sankt Agnes und den Neusser Platz – die spielen dann halt doch einer völlig anderen Liga. Natürlich kann man den Platz schöner machen. Aber ob die Ideen der Grünen dazu angetan sind, das will ich dann doch mal schwer bezweifeln.

Die Kolumne wurde aufgezeichnet von Joachim Frank.

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