Hells-Angels-Mitglied verletzt sich selbstPolizei geht von Rocker-Bezug bei Schüssen in Köln-Ehrenfeld aus

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Ermittler der Polizei untersuchen den Tatort in Ehrenfeld am Donnerstagabend.

Ermittler der Polizei untersuchen den Tatort in Ehrenfeld am Donnerstagabend.

Nach der Tat schwankt die Stimmungslage auf der Venloer Straße zwischen Verunsicherung und Lakonie. 

Am Tatort, dem kleinen Platz vor dem Ehrenfelder Bezirksrathaus, sind über Nacht zwei Blutflecken auf dem Asphalt getrocknet. Sie erinnern an die Gewalteskalation, die sich hier am Donnerstagabend ereignet hat: Gegen 18.30 Uhr alarmierten mehrere Anrufer die Polizei und meldeten eine Massenschlägerei auf der Venloer Straße. Zehn bis 15 Personen sollen daran beteiligt gewesen sein. Vor Ort fanden die Beamten zwei schwer verletzte Männer mit Schusswunden, sie wurden ins Krankenhaus gebracht und liegen auch am Freitag noch auf der Intensivstation.

Polizei und Feuerwehr sperrten die Venloer Straße weiträumig ab, eine Mordkommission wurde eingerichtet. In dem sonst belebten Ausgehviertel gab es kein Durchkommen mehr. Polizisten durchkämmten Kneipen und Cafés auf der Suche nach Zeugen. Viele Lokale schlossen bereits um 21 Uhr ihre Läden. Erst am späten Abend hob die Polizei die Sperrung wieder auf. 

Hells-Angels Mitglied in Schießerei verwickelt

Nach ersten Erkenntnissen geht die Polizei von einem Rockerhintergrund aus, weshalb auch das Kommissariat 21 für Organisierte Kriminalität die Ermittlungen übernommen hat. Offenbar war der Streit zwischen den beiden Verletzten am Donnerstagabend eskaliert. Sie sollen sich gekannt haben. Einer der beiden, ein 39 Jahre alter Mann, ist Mitglied des Hells-Angels-Charters „Honorfield“. Wie es heißt, soll er auf den anderen Beteiligten, einen 27-Jährigen, geschossen haben. Beim Wegstecken der Waffe soll sich dann ein weiterer Schuss gelöst haben, bei dem sich das Hells-Angels-Mitglied selbst verletzte.

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Von dem anderen Verletzten, einem 27-Jährigen, sei bisher kein Rockerbezug bekannt, teilte die Polizei mit. Derzeit fahnden die Beamten noch nach den Beteiligten der Schlägerei, die nach den Schüssen geflüchtet waren. Auch von der Tatwaffe fehlt bislang jede Spur.

Ermittler der Polizei am Tatort in Ehrenfeld am Donnerstagabend.

Ermittler der Polizei am Tatort in Ehrenfeld am Donnerstagabend.

Am nächsten Morgen erinnert abgesehen von den Blutflecken nur noch wenig an die Tat. Eine Kehrmaschine der AWB rollt über die Venloer Straße und verschluckt Herbstlaub unter sich, Studenten und Eltern mit ihren Kindern sitzen in der Herbstsonne vor den Cafés. Die Stimmung unter den Anwohnern schwankt zwischen Schock, Verunsicherung und gefasster Geschäftigkeit.

Ein 75-jähriger Mann, der nach eigenen Angaben seit 50 Jahren in Ehrenfeld wohnt, sagt: „Es wird immer gefährlicher, hier zu wohnen.“ Wenn seine Frau abends mit der Straßenbahn nach Hause kommt, hole er sie von der Haltestelle ab, aus Angst, dass ihr etwas passieren könnte. „Das ist doch nicht normal“, schimpft er. Auch ein junges Elternpaar, das mit Kinderwagen durch die Nachbarschaft schlendert, ist von der Tat vor der Haustür verunsichert: „Das ist schon krass“, findet die Mutter. „Aber die Straße ist sehr belebt und die Polizeiwache gleich um die Ecke. Deshalb fühlen wir uns insgesamt sicher.“

Hells-Angels-Charter in Ehrenfeld polizeibekannt

Die Bedienung eines Restaurants reagiert dagegen lakonisch: „Das ist halt Ehrenfeld“, sagt sie und zuckt mit den Schulten. Jetzt müsse sie aber zurück an die Arbeit. Der Betrieb muss weitergehen.

Es ist jedenfalls nicht das erste Mal, dass die Hells Angels in Ehrenfeld ins Visier der Polizei geraten. Das Charter „Honorfield“, in Anlehnung an den Stadtteil Ehrenfeld, ist neben „Rhine City“ und „CGN Cologne City“ derzeit eine von drei Ortsgruppen der Hells Angels in Köln. Nach Erkenntnissen der Polizei habe alle drei Charter jeweils um die zehn Mitglieder. Seit die konkurrierende Rockergang Bandidos sich 2019 aufgelöst hat und ihre Neugründung 2021 verboten wurde, gibt es zwar keine Gebietsstreitigkeiten mehr im öffentlichen Raum.

Dafür machte „Honorfield“ mit einem internen Machtkampf auf sich aufmerksam, der im Herbst 2021 in Schüssen auf einen 31-Jährigen ehemaligen Hells Angel vor seiner Wohnung am Thürmchenswall in der Innenstadt gipfelte. Als Folge durchsuchte die Polizei Wochen später ein Dutzend Objekte mutmaßlicher Hells-Angels-Mitglieder und stellte unter anderem Drogen, Waffen und Munition sicher.

Zuletzt im Mai dieses Jahres sollen „Honorfield“-Rocker im Leo-Amann-Park an der Venloer Straße einen Mann brutal zusammengeschlagen haben. Er wurde am Kopf verletzt, flüchtete aber, bevor die Polizei eintraf. Ermittler identifizierten drei Tatverdächtige und durchsuchten im Juni ihre Wohnungen in Ehrenfeld.

Ob es sich auch bei der Schießerei in Ehrenfeld um das Ergebnis eines internen Streits im Rockermillieu handelt, ist derzeit noch unklar. Die Hintergründe der Tat werden noch ermittelt, so die Polizei.

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