Abo

Hilfe für MissbrauchsopferNeuer Verein ruft zur Umwidmung der Kirchensteuer auf

Lesezeit 4 Minuten
Carolin Kebekus 270521

Carolin Kebekus unterstützt den neuen Verein „Umsteuern!“

Köln – Angesichts der derzeitigen Welle an Kirchenaustritten rufen kirchenkritische Katholikinnen und Ex-Kirchenmitglieder zu einer gezielten Umwidmung der eingesparten Kirchensteuer auf. An diesem Montag gründen sie dazu den gemeinnützigen Verein „Umsteuern! RobinSisterhood“.

Zu den Gründungsmitgliedern gehören die Comedian, Schauspielerin und Moderatorin Carolin Kebekus, die Mitgründerin der Bewegung Maria 2.0, Lisa Kötter, der frühere WDR-Hörfunkdirektor und Vorstand des Kölner Literaturhauses, Wolfgang Schmitz, sowie Karl Haucke, ehemaliger Co-Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln.

Kein Aufruf zum Austritt

„Wir rufen nicht zum Kirchenaustritt auf“, betont die Theologin Maria Mesrian von Maria 2.0. Auch sie gehört – als Kirchenmitglied – zu den Gründern des Vereins. „Aber wir machen denen ein Angebot, die ihr Geld nicht länger einer Institution geben wollen, die Missbrauch begünstigt und Menschen diskriminiert.“

Alles zum Thema Carolin Kebekus

Damit gehöre er exakt zur Zielgruppe, sagt Wolfgang Schmitz, der die katholische Kirche 2020 nach jahrzehntelangem Engagement verlassen und dies in einem Beitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ begründet hat. Auf der Suche nach einer sinnvollen Verwendung seiner eingesparten Kirchensteuer sei er auf den neuen Verein und dessen Ziele aufmerksam geworden: „Rat und Unterstützung für Missbrauchsopfer, die der Amtskirche verständlicherweise nicht mehr vertrauen können, und tatkräftige Hilfe für Frauen, die Schutz suchen.“

„Andere Wege gehen“

Der „von Kardinal Rainer Woelki zu verantwortende unsäglich verlaufende Prozess der Klärung und Aufarbeitung der vielen Missbrauchsfälle“ sei für ihn der letzte Anstoß zum Austritt gewesen, sagte Schmitz. Dem Glauben und der christlichen Gemeinschaft fühle er sich weiter verbunden. „Solange aber die katholische Kirche durch ihre Struktur einem System Vorschub leistet, das Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Lebensführung oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und verletzt, müssen wir, die der Zustand ‚unserer‘ Kirche und die Folgen für viele Betroffene bedrückt, andere Wege gehen“, erläutert Schmitz im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Auch Kebekus, die die Kirche nach eigenen Angaben bereits vor Jahren verlassen hat, erklärt ihre Unterstützung für den Verein mit dem Anliegen, „Menschen zu unterstützen, die Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen machen mussten“.

Auch Kirchenmitglieder willkommen

Der Verein will nicht nur Ausgetretene ansprechen. Auch Kirchenmitglieder, „die mit ihrem Geld etwas Gutes tun wollen“, seien willkommen, sagt Mesrian. Als Beispiele für konkrete Hilfen nennen die Initiatorinnen und Initiatoren Selbsthilfegruppen von Gewaltopfern, die derzeit mit einem minimalen Budget auskommen müssten. Das könnte sich durch den Verein ändern.

Karl Haucke sieht speziellen Bedarf für Opfer von Missbrauch im Raum der Kirche. „Ich rede immer wieder mit Betroffenen, die noch nie zuvor über ihre Erfahrungen gesprochen haben. Für sie wünsche ich mir unabhängige Anlaufstellen und die Möglichkeit zur Vernetzung, ohne dass sie sich der Institution Kirche aussetzen müssen.“

Wie bei entwöhnten Rauchern

Als er von der Idee des Vereins „Umsteuern!“ erfahren habe, sei er „sofort dabei“ gewesen. „Ich hätte mir nicht träumen können, dass es mal so etwas geben könnte“, sagt Haucke. Und mit der gesparten Kirchensteuer nach dem Austritt sei es wie mit entwöhnten Rauchern: „Wenn sie das Geld für die Zigaretten sofort in einen eigenen Topf stecken, kommen sie gar nicht auf den Gedanken, dass es ihnen fehlt.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Als weiteren Schwerpunkt sehen die Vereinsgründer die Unterstützung von Frauen- und Kinderschutzhäusern. „Allein in Köln mussten im vorigen 370 Frauen, die um Aufnahme in das Frauenhaus baten, abgewiesen werden, weil nur 45 Plätze zur Verfügung stehen“, sagt Mesrian.

Austrittszahlen auf Rekordhöhe

Allein im Bereich des Amtsgerichts Köln werden bis Ende Juli mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten sein als im gesamten Jahr 2019. Damals wurde mit 10100 Austritten ein Rekordwert erreicht. Im laufenden Jahr ist die Zahl der Austritte um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Das Amtsgericht musste sein Kontingent für Online-Buchungen wegen der hohen Nachfrage mehrfach erhöhen.

Kirchenmitglieder geben in Nordrhein-Westfalen neun Prozent ihrer Lohn- und Einkommensteuer als Kirchensteuer. Diese wird von den Finanzämtern eingezogen und an die Kirchen weitergeleitet. Bei einem Alleinstehenden mit einem Monatseinkommen von 4000 Euro brutto beläuft sich die Kirchensteuer auf rund 60 Euro im Monat.

Einbrüche bei der Kirchensteuer

Das Erzbistum Köln begründet Einschnitte in seine sozialen und gesellschaftlichen Aktivitäten – wie die Schließung des Erholungshauses „Maria in der Aue“ für belastete Familien oder die Streichung von Zuschüssen für öffentliche Büchereien – auch mit den Einbrüchen bei der Kirchensteuer.

Die Gründungssitzung des Vereins „Umsteuern RobinSisterhood e.V.“ findet am Montag, 21. Juni, um 19.30 Uhr in der Kölner Karl-Rahner-Akademie statt  

KStA abonnieren