Neue Heumarkt-StationEin Hauch von London und New York

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Die neue U-Bahn-Station am Heumarkt wurde eröffnet.

Die neue U-Bahn-Station am Heumarkt wurde eröffnet.

Innenstadt – Er hat zu seinem Besuch in der Innenstadt ganz bewusst seine Kamera mitgebracht. Bernd Krischker steht an diesem Sonntag auf dem Bahnsteig der neuen, gewaltig großen U-Bahn-Haltestelle Heumarkt und hält Ausschau nach interessanten Fotomotiven. „Ich finde es spannend zu sehen, ob bei dieser gigantischen Größe Nutzen und Wirkung übereinstimmen“, sagt er.

Architektur sollte seiner Ansicht nach kein Selbstzweck sein. Krischker gehört zu den ersten Fahrgästen, die sich die seit Sonntag für die Öffentlichkeit zugängliche Station der Nord-Süd-Stadtbahn anschauen.

Seit dem Morgen verkehrt die Linie 5 aus Richtung Ossendorf bis zum Heumarkt. Der weitere Streckenabschnitt nach Süden kann wegen der Folgen des Stadtarchiv-Einsturzes im März 2009 vorerst nicht befahren werden. „Es handelt sich hier für die nächste Zeit also erst mal um eine teure und sehr große Endhaltestelle“, sagt Krischker.

Schon beim Herunterfahren mit der Rolltreppe vom Eingang an der Cäcilienstraße wird dem Betrachter die ungeheure und für Kölner Verhältnisse nahezu unwirkliche Dimension des Bauwerks deutlich. Der Blick auf das riesige Sichtbeton-Gewölbe erinnert an Weltstädte wie New York und London und doch liegt die Hohe Straße nur einen Steinwurf entfernt. Der größte und tiefste Kölner U-Bahnhof umfasst auf drei Ebenen eine Fläche von 20000 Quadratmetern. Das entspricht in etwa drei Fußballfeldern. Das Bauwerk erreicht insgesamt eine Tiefe von 28,50 Metern und einen umbauten Raum von rund 78 000 Kubikmetern. Nach Rechnungen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) würden in der Haltestelle 565 Gelenkbusse Platz finden.

Angesichts dieser Superlative dürfte es kein Wunder sein, dass die Redner bei der feierlichen Eröffnung mit geladenen Gästen am Samstag immer wieder die Größe herausstellen. Nahezu jeder bemüht das Bild einer Kathedrale, um die Ausmaße einzuordnen. „Es handelt sich um ein gewaltiges Bauwerk, ich halte den Vergleich mit einer Kathedrale für berechtigt“, sagt KVB-Vorstand Jürgen Fenske. Die Größe kommt zustande, weil die U-Bahn-Station mit ihrem markanten kuppelartigen Dach bereits für eine mögliche Ost-West-Stadtbahn vorbereitet wurde. Die derzeitige Zwischenebene könnte in einer fernen Zukunft einmal als Gleisebene dienen. „Wir haben nach dem Archiveinsturz lange über die Dimensionen diskutiert, aber eine wachsende Stadt braucht eine wachsende Infrastruktur“, sagte Fenske.

Die KVB rechnen am Heumarkt pro Tag mit 10.000 Fahrgästen. Das Bauwerk sei nicht nur für die nächsten 30 Jahre angelegt, er müsse „locker 100 Jahre“ überdauern. Mitten in der Stadt sei ein architektonisches Meisterwerk entstanden, das selbst im Vergleich zu anderen deutschen Städten als außergewöhnlich gelten müsse.

Die riesigen Dimensionen fordern allerdings auch ihren stolzen Preis. 90 Millionen Euro hat der Bau insgesamt verschlungen. Die Stadt hat davon allerdings lediglich zehn Prozent bezahlt. Der Großteil wird von Bund (60 Prozent) und Land (30 Prozent) finanziert. „Es ist hier eine fantastische Architektur gelungen", sagte Oberbürgermeister Jürgen Roters. Er verwies allerdings auch darauf, dass die Station eigentlich längst hätte eröffnet sein sollen und erinnerte an die Opfer des Archiveinsturzes. „Wir dürfen nicht vergessen, dass bei dem schrecklichen Unglück am Waidmarkt zwei Menschen ums Leben gekommen sind.“ Architekt Ulrich Coersmeier, der selbst in der Südstadt wohnt, hat auf die Materialien Chrom, Stahl und Glas gesetzt, um die Haltestelle hell und freundlich wirken zu lassen.

„Wir wollen den Heumarkt mit diesem Bauwerk wieder an der Stadt heranrücken“, sagte Coersmeier. „Wirklich fertig ist es aber erst, wenn die Strecke zur Südstadt durchgeführt werden kann.“ Die Größe beruhe einzig darauf, dass bereits eine mögliche Ost-West-Verbindung eingebaut wurde. Der Architekt hat die beiden Ebenen deshalb im spitzen Winkel gegeneinander geschnitten.

Zunächst wird auf der Zwischenebene eine Ladenzeile eingerichtet, die Galeria Kaufhof betreibt. „Wir freuen uns, an dieser Stelle geschäftlich tätig zu werden“, sagte Geschäftsführer Michael Hövelmann. Als direkter Nachbar habe das Kaufhaus in den vergangenen Jahren während des Baus einige Hürden überwinden müssen. Die Ladenzeile mit Glasfront, die derzeit noch von einem Bauzaun umschlossen ist, umfasst eine Fläche von 300 Quadratmetern. Dort sollen ab dem Frühjahr 2014 unter anderem Backwaren, Zeitschriften, Tabak und Dienstleistungen angeboten werden.

Auch der künstlerische Aspekt soll an der Haltestelle Heumarkt nicht zu kurz kommen. In den Abendstunden zwischen 20 Uhr und Mitternacht wartet auf die Fahrgäste eine unheimliche Überraschung. Einmal pro Tag ist in diesem Zeitraum am Bahnsteig zu hören, wie ein Geisterzug anhält. Dabei handelt es sich um eine akustische Kunstinstallation von Werner Reiterer, die von einem Zufallsgenerator gesteuert wird. „Damit soll die permanente Mobilität überspitzt werden“, sagt Reiterer.

Am Sonntag informieren sich viele Besucher an zwei KVB-Infoständen, die in der Station aufgebaut wurden. Die meisten zeigen sich beeindruckt von Kölns neuer Vorzeige-U-Bahn-Station. „Das ist wirklich überwältigend und in natura noch beeindruckender als auf Fotos“, sagt Christian Melchert.

Rita Becker sieht das ähnlich und stellt fest: „Dieser Bau ist sagenhaft und ganz außergewöhnlich. Das hätte ich in Köln nie erwartet.“

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