Zwischen großen Plänen und VerfallWie es mit den Industriearealen in Köln weitergeht

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Zu sehen ist der Außenbereich der Hallen Kalk.

Der ehemalige Produktionsstandort der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) in Köln-Kalk soll zu einer Fläche für Kultur- und Sozialprojekte umgewandelt werden.

Der neuen Nutzung historischer Orte stehen oft zahlreiche Hürden entgegen. Vier Beispiele aus Köln mit großem Potenzial.

„Warum die Stadt Köln an ihren alten Industrieflächen scheitert“ – so titelte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Ende August. Der Grund: Die renommierte Montag-Stiftung zog sich aus der Entwicklung der Hallen Kalk auf dem ehemaligen Klöckner-Humboldt-Deutz-Areal zurück. Die Stadt habe sich nicht als verlässlicher Partner erwiesen. Die Politik sprach von „Führungsversagen“, die Verwaltung gelobte Besserung. Was hat sich seitdem getan? Und wie wichtig sind die historischen Orte für die Stadtentwicklung Kölns?

Das Industrieflair des 19. Jahrhunderts verschwindet in Köln

„Köln kann mit seinen Industriearealen punkten“, sagt Ulrich Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. „Die Stadt muss erkennen, welchen Wert diese Orte für sie haben, und die Areale, die ihr gehören, instand halten. Sonst wird eine Sanierung am Ende umso teurer.“ Dabei sei die Pflege der Industrieareale für Köln ungemein wichtig.

„Im Gegensatz zu Berlin oder Leipzig hat Köln nicht mehr viele dieser alten Industrieareale. Es ist schon einiges abgerissen worden, wie die zwei großen Hallen der Chemischen Fabrik Kalk oder Teile der Baumwollbleicherei in Holweide. Das Industrieflair des 19. Jahrhunderts gibt es nur noch an sehr wenigen Stellen.“

Neben den Hallen Kalk zum Beispiel auf dem Otto-und-Langen-Quartier im Mülheimer Süden, auf dem der erste Viertaktmotor der Welt entwickelt wurde. Dabei gebe es positive Beispiele, auch in Köln. Dazu zähle das ehemalige Felten & Guilleaume-Gelände in Mülheim, das Carlswerk. „An der Schanzenstraße sind mit dem E-Werk, dem Palladium und dem Schauspiel tolle Orte entstanden“, für die sich private Investoren wie Palladium-Betreiber Bernd Odenthal und der Immobilienentwickler Beos eingesetzt hätten, so Soénius.

„Die Stadt kann die Entwicklung der Areale nicht alleine stemmen und bezahlen und soll das auch nicht.“ Bei den Festungsanlagen solle hingegen die Stadt Eigentümerin bleiben. „Die militärischen Bauten können positiv umgenutzt werden. Bürgerschaftliches Engagement in diesen Räumen zu stärken sowie Friedenspolitik und -geschichte hier greifbar zu machen, bietet sich an.“

Ob in Köln weitere Positiv-Beispiele für die Nutzung historischer Areale folgen werden, hängt davon ab, wie konstruktiv die Stadt mit allen Akteuren zusammenarbeitet. Fortschritte gibt es seit September unter Lothar Becker, dem Leiter des Rechtsamtes, der nun zusätzlich auch die bis dato vakante Position der Liegenschaftsamtsleitung ausfüllt. Von den Initiativen ist viel Positives über Beckers Kommunikation und Aufgeschlossenheit zu hören. Ob er den Posten allerdings über die ursprünglich geplanten drei Monate – also über den Jahreswechsel hinaus – weiter ausfüllt, ist noch offen. Laut Stadt befindet sich die Personalangelegenheit „aktuell in der internen Abstimmung“.

Otto-Langen-Quartier

Am Areal der Deutz AG im Mülheimer Süden gibt es aktuell zwei Entwicklungsstränge. Zum einen soll die Künstlerinitiative Raum 13 im kommenden Jahr wieder in die ehemalige KHD-Hauptverwaltung auf dem Gelände einziehen, beide Parteien verständigten sich auf Rahmenbedingungen für einen Mietvertrag. Raum 13 hatte bis 2021 auf dem Otto-und-Langen-Quartier das „Zentralwerk der schönen Künste“ betrieben, bis sie vom damaligen Eigentümer vom Grundstück geworfen wurden.

Zwei Frauen sitzen auf Kisten vor dem Otto-und-Langen-Quartier.

Im Otto-und-Langen-Quartier soll eine Mischung aus Kultur, Gewerbe und Wohnen entstehen.

Nun sollen sie Teile der KHD-Verwaltung für eine Zwischennutzung wieder bespielen dürfen. Die Stadt hat die Hauptverwaltung 2021 für 21 Millionen Euro gekauft. Zum anderen treibt die Stadt das Investorenverfahren für den Teil des Areals voran, der dem Land NRW gehört. Ein privater Investor soll dort ein Quartier entwickeln, in dem es eine Mischung aus Kultur, Gewerbe und Wohnen geben soll.

Fort XI in Buchheim

Die historische Festungsanlage Fort XI an der Piccoloministraße in Buchheim verwaist seit Jahren. Eine Instandsetzung würde laut Stadt mehrere Millionen Euro kosten. Der Verein „Rosarot“ möchte das Gelände in ein Kulturzentrum verwandeln und dazu einen Erbpachtvertrag mit der Stadt abschließen. „Von der Lage und dem Flair ist das Fort XI genau das, was für uns passend ist. Es liegt so weit abseits, dass man dort niemanden stört, aber so zentral, dass es gut erreichbar ist“, sagt Philip Minettos von Rosarot. Die Anlage wollen sie sanieren und die mehr als 40 Räumlichkeiten an gemeinnützige Vereine vermieten. Auch kleine Handwerksbetriebe und Angebote für Jugendliche sind geplant.

Philipp Minettos vom Rosarot e.V., steht vor dem Fort XI. in Köln Mülheim.

Der Verein „rosarot e.V.“ will die alte Festungsanlage für kulturelle und soziale Zwecke nutzen.

Seit 2021 bemüht sich der Verein um eine Nutzungserlaubnis. Er hat diverse Schallschutz-, Bau- und Umweltgutachten erstellen lassen, dafür mehrere tausend Euro ausgegeben. „Das Konzept steht. Wir könnten direkt loslegen“, sagt Minettos. Bereits im Sommer könnte man erste Veranstaltungen wie ein Public Viewing zur EM, Konzerte und Märkte auf dem Außengelände durchführen.

Doch von der Stadt wird der Verein vertröstet. Auf einen zuletzt eingereichten Stufenplan für die Nutzung erhielt man lange erst gar keine Antwort. Und nun ist die Stadt offensichtlich selbst an der Nutzung des Außengeländes interessiert. So soll es wohl Bestandteil des Open-Air-Konzeptes des Kulturraummanagements werden. Eine Entscheidung über das Konzept des Vereins sei daher nicht möglich. „Das ist für uns ein Schlag ins Gesicht“, sagt Minettos. „Wir fühlen uns in großem Stil übergangen und ausgenutzt.“

Hallen Kalk

Ende Oktober haben die Initiativen der Verantwortungsgemeinschaft Osthof (VGO) erstmals Zutritt zu den Hallen des ehemaligen Klöckner-Humboldt-Deutz-Standorts in Kalk erhalten. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die sogenannte Pioniernutzung, die 2024 starten soll. Durch diese soll eine erste Nutzung des historischen Industrieareals möglich werden. Entstehen sollen Kunst- und Kulturräume, dazu will sich das Kreationszentrum für Zeitgenössischen Zirkus dort ansiedeln.

Das Gelände der Hallen Kalk.

Das Gelände der Hallen Kalk.

„Wir könnten im April mit den ersten Aktionen starten“, sagt Dominikus Moos vom Kreationszentrum. Das hänge aber davon ab, in welchem Zustand sich die Hallen befinden. Im Ortstermin habe sich gezeigt, dass nicht alle Räume über Strom- und Wasseranschlüsse verfügen, in Räumen hin zur Dillenburger Straße gebe es Taubenplagen.

Wann es mit der Pioniernutzung in Kalk losgehen soll, ist unklar. Die Stadt sagt auf Anfrage, dass „ein möglicher Zeitplan zurzeit parallel mit den nötigen Vorbereitungsmaßnahmen verwaltungsintern geprüft“ wird. „Der Starttermin 2024 ist dehnbar“, sagt Moos. Nach dem Ausstieg der Montag-Stiftung im August, die das Quartier mitentwickeln wollte, kommt aber wieder Bewegung in das Projekt. „Es gibt sehr gute Signale für das Projekt Osthof Hallen Kalk“, sagt Moos. „Was uns weiterhin fehlt, ist eine langfristige Perspektive der Stadt, wie sie mit solchen Orten umgehen will.“

Fort X in Nippes

Das historische Fort X in Nippes wird wohl auf unabsehbare Zeit ungenutzt bleiben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ deutet sich ein Abbruch des Anhandgabeverfahrens für die stark sanierungsbedürftige Festungsanlage von 1825 an. Zwei Bewerber wollten das Fort von der Stadt in Erbpacht übernehmen, sanieren und nutzen, auch für Gastronomie und Veranstaltungen. Doch daraus wird nichts.

Außenansicht des Fort X am Neusser Wall.

Das Fort X am Neusser Wall ist stark sanierungsbedürftig.

Der Grund dafür könnte in der Ausschreibung der Stadt selbst liegen. Dort wurde sich explizit gewünscht, das Fort für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten und Veranstaltungen für ein breites Publikum anzubieten. Dabei ist das wohl gar nicht gestattet. Denn das Fort X befindet sich im Landschaftsschutzgebiet des Inneren Grüngürtels, in dem keine Gastronomie und öffentlichen Veranstaltungsräume erlaubt sind. So, wie die Stadt die Anhandgabe ausgeschrieben hat, hätte also vermutlich kein Bewerber ein rechtskonformes Konzept einreichen können.

Für das Fort X bedeutet das: Ein eineinhalb Jahre langes Verfahren bleibt ergebnislos, die Festungsanlage verfällt weiter – ohne Perspektive auf Nutzung.

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