Internationale Möbelmesse startetGibt es die berühmte Kölner Möbelmeile eigentlich noch?

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Die Pesch-Geschäftsführer Hartmut Roehrig (l.) und Alf Busse im riesigen Showroom

Die Pesch-Geschäftsführer Hartmut Roehrig (l.) und Alf Busse

Seit vielen Jahren gibt es den Begriff „Möbelmeile“ für einen Teil des Kölner Rings. Aber ist der noch zutreffend? Wir haben aus Anlass der Möbelmesse nachgefragt.

Am Sonntag startet in Köln die internationale Möbelmesse, eine der wichtigsten der Welt. Reinschauen dürfen allerdings nur Fachbesucher, Neugierige kommen nur auf Einladung in die Hallen. Doch Köln wurde auch einst berühmt für seine „Möbelmeile“ am Ring, wo jedermann hochwertige Design-Einrichtungen besichtigen konnte. Aber gibt es diese Möbelmeile wirklich noch, angesichts der vielen Veränderungen im Handel, nach Geschäftsaufgaben und einer Möbelindustrie, die in der Krise ist? Und ist es ein Alarmzeichen, dass sich in den Räumen von Interlübke nun ein Fahrradladen befindet, und in das ehemalige Domizil von Who’s Perfect der Karnevalsspezialist Deiters eingezogen ist?

Möbel-Pesch gibt es seit 120 Jahren in Köln

Ein Besuch bei Möbel Pesch am Kaiser-Wilhelm-Ring. Das Geschäft gibt es seit 120 Jahren. Nach Insolvenz und Besitzerwechsel 2008 hat sich die neue Leitung auf italienische Designermöbel spezialisiert. Und sitzt fest im Sattel, der Verkauf auf 3000 Quadratmetern läuft bestens. „Pesch war schon immer ein Leuchtturm für viele wichtige Marken“, sagt Hartmut Roehrig, einer der Geschäftsführer. „Unsere Hersteller sagen uns immer wieder, Köln sei die wichtigste Möbelstadt in Deutschland.“ In Hamburg, München oder Berlin gebe es eine solche Konzentration von Geschäften nicht.

In der Tat sind hier hochwertige Geschäfte wie Perlen an einer Kette aufgereiht: Giorgetti, der Beleuchtung-Flagship-Store von Occhio, Boffi mit einem 280 Quadratmeter großen Showroom, der Deko-Spezialist Lambert und Inneneinrichter Becker. Zwei Abgänge waren vor kurzem zu verzeichnen: Interlübke zog an die Aachener Straße, der deutsche Edel-Fahrradbauer Rose Bikes übernahm die Räume. Das Familienunternehmen Heider gab den Standort auf, ein Brautausstatter kam dafür.

Blick in das mehrstöckige Pesch-Geschäft

Pesch am Kaiser-Wilhelm-Ring hat eine Verkaufsfläche von 3000 Quadratmetern.

Hartmut Roehrig findet die Nachbarschaft gut. Das alles sei hochwertig und passend. „Man muss in diesem Segment eine klare Position haben. Ein bisschen Leistung zu einem bisschen Preis wird nicht mehr angenommen.“ Gerade im Möbelbereich gebe es keine „Mittelschicht“ mehr: entweder hochpreisiges Design oder Ikea. Und das Hochpreisige sitzt gut positioniert am Ring. Den Begriff Möbelmeile findet er jedoch etwas veraltet, denn er suggeriere, dass Menschen den Ring „abklappern“, um sich etwas anzusehen. Das gebe es aber schon lange nicht mehr. Die Kunden träfen eine Vorauswahl etwa über das Internet und kämen dann ganz gezielt.

Doch woher kommt eigentlich die Bezeichnung Möbelmeile? Sabine Voggenreiter, die seit 35 rund um die Möbelmesse die „Passagen“ mit vielen Aktionen und Ausstellungen organisiert, sagt: „Ich habe zwar kein Copyright angemeldet, aber ich habe den Begriff vor über 20 Jahren eingeführt.“ Und zwar, um den Ring im „Passagen“-Programm räumlich zu unterscheiden von den Veedeln. Von Anfang an sei es aber tatsächlich so gewesen, dass es viele Design- und Möbelgeschäfte vor allem am Kaiser-Wilhelm-Ring und Hohenstaufenring gab. Über die Jahrzehnte seien es sogar mehr geworden, jetzt sei die Lage recht stabil. Begründet worden sei der Ruf von Köln als Möbelstadt in den 1950er Jahren durch Pioniere wie Pesch und die „5 Möbelbrüder“. „Und dadurch, dass Köln ein riesiges Einzugsgebiet hat und die Leute hierhergekommen sind, um zu kaufen.“ Die seit 1949 stattfindende Möbelmesse habe das auch international bekannt gemacht.

Am Hohenstaufenring zog Deiters auf die Möbelmeile

Relativ stabil sei auch der südliche Bereich der Möbelmeile am Hohenstaufenring, so Voggenreiter. Hier sitzen Ligne Roset, Pfannes und Virnich und Stoll Forum. Bo Concept zog in die neuen Wallarkaden am Rudolfplatz. Who’s Perfect gab seinen Standort nahe dem Zülpicher Platz nach 20 Jahren auf, weil die Kette in wirtschaftliche Schieflage geraten war. Man suche aber nach einer neuen Ladenfläche zumindest nah an der Möbelmeile, hieß es. Nach Beobachtung von Voggenreiter geht seit einigen Jahren die Entwicklung aber auch dahin, dass sich Geschäfte und Showrooms vermehrt in den Veedeln ansiedeln, zum Beispiel Teppich-Designer Jan Kath und Betten-Hästens im Belgischen Viertel. Insgesamt stehe Köln mit all den interessanten Lagen sehr gut da.

Auch die Firma Becker Interior fühlt sich in Köln gut platziert. 122 Jahre ist die Firma alt und ein Nachbar von Pesch. „Die vergangenen fünf Geschäftsjahre waren die besten in der Geschichte der Firma“, sagt Jan Becker (49), der das Familienunternehmen in vierter Generation führt. Unter anderem wegen der Cocooning-Trends in der Pandemie, aber vor allem, weil man sich seit Jahren unstrukturiert hat. „Ganz früher schlenderten hier am Wochenende noch betuchte Kunden lang und schauten einfach mal, meistens hatte die Dame den Herrn im Schlepptau, das passiert heute nicht mehr.“

Geschäftsführer Jan Becker im Showroom

Jan Becker leitet die Firma Becker am Kaiser-Wilhelm-Ring in der vierten Generation.

Laufkundschaft gibt es so gut wie nicht. Becker hat deshalb auf internationale Vermarktung gesetzt. Nur etwa acht bis zehn Prozent des Umsatzes wird am Ring gemacht. 90 Prozent kommt durch Aufträge reicher Kunden, die sich ihre Wohnsitze in der ganzen Welt von Becker im „Rundum-Sorglos-Paket“ einrichten lassen: Kapstadt, Paris, St. Moritz, Sylt. Namen werden nicht genannt, Diskretion ist Gesetz. Es gibt eine Filiale auf Ibiza und ein Projektbüro in New York.

Fensterfront der Firma Becker am Ring

Die Firma Becker gibt es seit 122 Jahren.

Warum ist Becker dann überhaupt noch am Ring vertreten? „Wir wollen Vertrauen schaffen, den Kunden ein Gesicht zeigen, nicht nur eine Internetadresse sein.“ Unter anderem auch, weil die Klienten teilweise sehr hohe Anzahlungen leisten, manchmal im Millionenbereich. „Außerdem tragen wir auch eine Verantwortung für das Stadtbild und die Tradition. „Ich kriege oft Feedback von den Kunden, dass sie sich freuen, dass es uns als Fachgeschäft noch immer gibt.“

Den Begriff Möbelmeile findet Jan Becker in Ordnung. „Ja, wir sind noch die Möbelmeile und das braucht die viertgrößte Stadt Deutschlands auch.“ Obwohl es nach seiner Erinnerung der 2013 verstorbene, sehr umtriebige Ex-Pesch-Besitzer Dieter Pesch war, der den Begriff geprägt hat. Sei’s drum, fest stehe: „Wir halten hier die Fahne hoch.“ Am Montag gibt es wie immer zur Möbelmesse einen Tag der offenen Tür bei Becker.

Bei Pesch in Köln wird Minotti-Showroom eröffnet

Und nebenan bei Pesch wird am Montag der neue Showroom des italienischen Designlabels Minotti eröffnet, es ist die größte Ausstellung in Deutschland. Die Familie Minotti kommt persönlich zum Event. Auf der Messe ist die Firma wie andere große italienische Label in diesem Jahr nicht vertreten, weil die Mailänder Möbelmesse für sie wichtiger ist. Aber auf der Kölner Möbelmeile will man dabei sein.

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