„Das ist wirklich schlecht“Aus diesen zwei Gründen schwankt die Kölner Inzidenz

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Gesundheitsdezernent Harald Rau in seinem Büro im Stadthaus

Köln – Weiterhin gibt es keine verlässliche Sieben-Tage-Inzidenz für Köln. Es ist nicht davon auszugehen, dass der aktuelle Wert von 289 stimmt. Das Gesundheitsdezernat geht allerdings davon aus, dass die Stadt ab Samstag wieder verlässliche Zahlen herausgeben kann.

Dass es seit mehreren Wochen immer wieder erhebliche Probleme bei der Inzidenz-Ermittlung gibt, führt Gesundheitsdezernent Harald Rau im Wesentlichen auf zwei Gründe zurück. Zum einen komme das Gesundheitsamt bei der Kontaktverfolgung nicht hinterher. „Das ist hochgradig bedauerlich, wirklich schlecht“, räumt Rau ein. „Mit 800 Neuinfektionen am Tag sind wir schlicht überfordert.“

Quarantäne-Verpflichtung auch ohne Meldung des Gesundheitsamtes

Die Folge der Verzögerung: Das Laborergebnis des PCR-Tests wird von der Stadt nicht mehr binnen 24 Stunden, sondern binnen ein bis zwei Tagen erfasst – in einigen Fällen dauerte dieser Prozess zuletzt sogar vier Tage. Erst dann geht eine Meldung beim Landeszentrum für Gesundheit (LZG) und beim Robert-Koch-Institut ein.

Erst nach der digitalen Erfassung des Laborbefundes werden die Kontaktpersonen durch das Gesundheitsamt informiert. Vorher jedoch erhalten sie ihr Testergebnis direkt durch das Labor. Ist das Ergebnis positiv, sind Infizierte durch eine Allgemeinverfügung der Stadt verpflichtet, sich in Quarantäne zu begeben – auch, wenn das Gesundheitsamt sich noch nicht gemeldet hat.

„Man arbeitet viel, man pumpt Personal rein, trotzdem reicht es nicht“

Inzwischen ist der Stau bei den Infektionsmeldungen fast abgebaut, so dass die Stadt für Samstag derzeit wieder mit einer zuverlässigen Inzidenz rechnet. „Viele haben das Kontaktpersonenmanagement schon aufgegeben, auch im Kölner Umland“, betont Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamtes. Für Köln gelte das nicht. „Man arbeitet viel, man pumpt Personal rein, trotzdem reicht es nicht“, bedauert er den Zustand der vergangenen Wochen.

Tatsächlich hat Köln das Covid-19-Team im Gesundheitsamt zuletzt um 215 Mitarbeitende aufgestockt, 60 Personen wurden pro Woche neu eingestellt. Mit Blick auf die wohl über diesen Winter hinaus andauernde Pandemie sollen die neu eingearbeiteten Angestellten nun in vielen Fällen auch länger gehalten werden. Bis Mitte Januar helfen zudem 54 Soldaten der Bundeswehr bei der Kontaktverfolgung.

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Der zweite Grund für die Schwankungen ist laut Stadt ein Softwarefehler, der grundsätzlich alle Kommunen betrifft. Lange war die genaue Ursache nicht bekannt, inzwischen ist klar: Datensätze über Infektionsmeldungen sind im Meldesystem nicht lesbar, wenn sie dieselbe Identifikationsnummer haben wie andere Datensätze. „Das ist kein Kölner Thema, das ist beim Robert-Koch-Institut verursacht“, betont Rau. An einer Überarbeitung der Software wird derzeit gearbeitet, bis dahin tragen die betroffenen Gesundheitsämter ihre Fälle händisch nach.

In Köln trat dieser Fehler gleich zweimal auf. Rau bezeichnet das als einen „statistischen Effekt“: Weil Köln als Millionenstadt besonders viele Datensätze an die zuständigen Behörden weiterleitet, war die Chance höher, dass Köln von dem Fehler betroffen ist. Zudem ist Köln im Fall eines Fehlers deutlich schwerer betroffen, weil die Datensätze größer sind. Auch sind jeweils weitere Datensätze, die im Anschluss an den jeweils nicht lesbaren Datensatz geschickt wurden, nicht lesbar gewesen.

Land greift wegen schwankender Inzidenz nun ein

Weil die Stadt Köln seit Tagen nicht in der Lage ist, verlässliche Neuinfektionen zu melden, griff das Land NRW am Donnerstag ein. In einer Allgemeinverfügung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. Dezember heißt es, Köln habe nach Feststellung des Robert Koch-Instituts vom 6. Dezember an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Inzidenzwert von 350 überschritten. Damit gilt die 2G-Regel für private Veranstaltungen, zudem dürfen Clubs nicht öffnen.

Mit leichten Korrekturen ist aufgrund des Meldesystems weiterhin zu rechnen: Das Gesundheitsamt arbeitet zwar bis spät in den Abend hinein, muss aber täglich bis 17 Uhr die aktuellen Infektionszahlen melden – gezählt wird dann seit 17 Uhr des Vortages. Erst im Nachhinein wird der Wert von 0 Uhr bis 0 Uhr geglättet.

Beide Probleme, die zuletzt hinterherhinkende Kontaktverfolgung und der Softwarefehler, scheinen vorerst gelöst. Ob Köln ab Samstag tatsächlich wieder regelmäßig eine zuverlässige Inzidenz veröffentlicht, bleibt abzuwarten. 

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