Partynacht auf der Schaafenstraße„Mein Sohn schläft nur noch mit Kopfhörern“

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Die Schaafenstraße ist abends für den Autoverkehr gesperrt.

Köln – Judith S. öffnet das Zimmerfenster ihres Sohnes, links steht sein Bett, vor der Fensterfront sein Schreibtisch. Ins Zimmer hallen Rap, Pop und lateinamerikanische Musik aus verschiedenen Boxen, der Rap kommt von einer Gruppe Jugendlicher, die sich auf die Vorgartenmauer der Nachbarn gesetzt haben. S. wohnt in einer Nebenstraße der Schaafenstraße, wo explizit queere Personen willkommen sind.

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Am Treffpunkt der Queer-Szene gab es Probleme mit randalierenden Jugendlichen.

Seit die Bars dort wieder öffnen dürfen, können S. und ihr Sohn kaum noch schlafen. Beide hätten Schlafstörungen entwickelt: „Mein Sohn schläft nur noch mit lärmunterdrückenden Kopfhörern ein, und die Situation erschwert ihm auch das Lernen“, sagt sie. Es ist halb elf, Freitagnacht. S. hat gerade Besuch aus Berlin bekommen und will entspannen, geht aber erst noch aus ihrer Wohnung im Hochparterre vor die Tür. „Das hier ist Wohngebiet“, mahnt sie einen der zehn Jugendlichen auf der Mauer, „bitte geht, sonst muss ich das Ordnungsamt rufen.“ Die Jugendlichen trinken weiter, reißen Sprüche, teils sexistische, und gehen schließlich. Auch, weil ein Mitarbeiter der gegenüberliegenden Obdachlosenunterkunft S. zu Hilfe kam: „Ich verstehe nicht, warum die herkommen, wenn auf der Schaafenstraße doch Bars sind“, sagt er. Ein Problem, so der Mitarbeiter, sei wohl das Verweilverbot am Brüsseler Platz. Jugendliche kämen seither von dort auf die Schaafenstraße, um mit Alkohol, Drogen und eigener Musik auch im Wohngebiet zu feiern. „Von Fäkalien im Hauseingang bis zu Drogenkonsum vor unserem Fenster war schon alles dabei“, sagt S.

Außengastro vollbesetzt, auf der Straße stehen Gruppen aller Altersklassen

„Meist sind es aber schon queere Jugendliche, die Anschluss an die Szene suchen. Die Stadt muss hier tätig werden und alternative Angebote schaffen.“ Auf der Schaafenstraße ist die Situation entspannt: Die Außengastro ist vollbesetzt, auf der Straße stehen kleine Gruppen aller Altersklassen zusammen.

Die Straße ist neuerdings seit 21 Uhr für den Autoverkehr gesperrt. Grund ist ein eskalierter Streit, bei dem ein Autofahrer einen Mann anfuhr und flüchtete. Die Absperrungen stellt die Stadt, die Wirte bauen sie auf, an diesem Wochenende bereits zum zweiten Mal. Zusätzlich haben sie rund 20 Sicherheitsleute organisiert. „Wir hatten Sorge, dass durch Absperrungen noch mehr Leute kommen würden, aber letztes Wochenende sind beide Nächte recht ruhig verlaufen“, sagt Matthias Eiting, Mitbetreiber der „Mumu“-Bar. Die Wirte hätten einen solchen Unfall vorhergesehen und seien schon häufig mit der Stadt im Gespräch gewesen, um die Straße sicherer zu machen. Die Sperrungen sind ein Versuch, sie werden noch ein weiteres Wochenende zum Einsatz kommen, dann wird Bilanz gezogen.

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Security überwacht abends die Schaafenstraße.

„Wir merken, dass zurzeit mehr Leute kommen, die nicht Teil der Szene sind“, beobachtet der Wirt. Alle Menschen seien auf der Straße willkommen, aber sie dürfe nicht ihren Schutzraum-Charakter für queere Personen verlieren.

„Ins Wohngebiet gehen ja auch nicht unsere Kunden, sondern eben Jugendliche, die gerade nicht in die Clubs können. Es ist schade, dass dadurch teilweise ein schlechtes Licht auf uns Wirte und die Szene geworfen wird.“ Eiting weiß, dass ab Herbst auch der Betrieb auf der Schaafenstraße ruhiger werden wird. Heute wird er seine Tische im Außenbereich sowieso um Mitternacht abbauen: „Was den Lärm und die Corona-Abstände angeht hilft die Außengastro dabei, beides unter Kontrolle zu halten. Wenn sie schließt, wird es auf der Straße immer lauter und Leute stehen näher beieinander.“

Anwohnerin will gegen die Lautstärke tätig werden

Gegen die Lautstärke will Anwohnerin S. aber trotzdem langfristig tätig werden. Sie telefonierte bereits mit dem Ordnungsamt und schrieb an Andreas Hupke, dem Bezirksbürgermeister der Innenstadt. In ihrem Schreiben spricht sie von bis zu 4000 Personen auf der Schaafenstraße, beschreibt die Zustände in den Nebenstraßen und äußert konkrete Wünsche an die Stadt. So könnten eine Streetworkerin für die Jugendlichen und zusätzliche Absperrungen für die Nebenstraßen helfen, glaubt S. „Ich bin Unterstützerin der Szene und habe kein Problem mit Feiernden, aber auch ich will respektiert werden und schlafen dürfen“, kommentiert die 55-jährige ihr Schreiben. Sie erhielt eine Antwort: Die Bezirksvertretung plant nun, ein Gespräch mit allen Parteien zu organisieren. Nach den Sommerferien könnte es so weit sein.

Gegen halb drei Uhr morgens ist die Straße immer noch gut besucht, die rund 300 Personen stehen aber nicht eng beieinander. Anderthalb-Meter-Abstände halten sie jedoch auch nicht ein, was wohl dem bisherigen Alkoholkonsum geschuldet sein könnte. In der „Mumu“-Bar sind die Fenster schon lange zu, die letzten Gäste sitzen drinnen. Eine Jugendliche erklärt ihrer Freundin, dass sie auf Toilette müsse, woraufhin beide an der Bar vorbei in die Nebenstraße gehen.

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