Vergewaltiger in Köln festgenommenWarum es keine Sicherungsverwahrung für Sven S. gab

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Der Täter wurde 2006 in einer KVB-Bahn aufgenommen.

Der Täter wurde 2006 in einer KVB-Bahn aufgenommen.

Köln – Wie ist es möglich, dass ein mehrfacher Sexualstraftäter, der als höchst rückfallgefährdet gilt, nach der Verbüßung seiner Haftstrafe wieder frei kommt? Warum wurde keine Sicherungsverwahrung angeordnet? Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag die Öffentlichkeit über den erneuten Haftbefehl gegen den kurz zuvor festgenommenen Serientäter Sven S.informierten, liegen solche Fragen nahe. Sven S. soll nur zwei Monate nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Aachen, wo er zwölf Jahre einsaß, erneut zwei Frauen in Lindenthal beziehungsweise in der Südstadt angegriffen und versucht haben, sie zu vergewaltigen – und das, obwohl er sich in einem Programm für rückfallgefährdete Sexualstraftäter befand und von der Polizei überwacht wurde.

Als „Sex-Täter aus der Linie 1“ hatte Sven S. im Jahr 2006 traurige Berühmtheit erlangt. Innerhalb kurzer Zeit vergewaltigte der damalige Gelegenheitsarbeiter drei Frauen in einem Waldstück nahe der Haltestelle Lustheide. Seine Opfer hatte er sich in der Straßenbahn ausgesucht. Im Jahr 2001 missbrauchte er zudem ein zwölfjähriges Mädchen. Bereits damals stellte sich dem Gericht die Frage, ob eine Sicherungsverwahrung möglich sei. „Das wurde mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen intensiv geprüft, doch die Voraussetzungen dafür konnten nicht zweifelsfrei festgestellt werden“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Auch eine nachträgliche Anordnung sei geprüft worden, doch auch das sei verneint worden. „Die rechtlichen Möglichkeiten waren damit ausgeschöpft.“

Die Anordnung der Sicherungsverwahrung sei der „größtmögliche Eingriff“ in die Freiheitsrechte eines Menschen, so Bremer, und werde daher nur selten angewandt. Ein solcher Fall, der 2015 für Aufsehen sorgte, war das sogenannte Staumauer-Urteil. Das Kölner Landgericht verurteilte damals einen Mann wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft, weil er einen 18-Jährigen an der Brucher Talsperre in Marienheide über die Staumauer gestoßen hatte. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Täter damit eine andere Straftat – nämlich den jahrelangen sexuellen Missbrauch des 18-Jährigen – vertuschen wollte. Wegen der besonderen Schwere der Schuld ordneten die Richter Sicherungsverwahrung an. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil in einem Revisionsverfahren 2017 erneut.

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Enge Vorschriften führen oft zur Freilassung

Unter welchen Voraussetzungen Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, regelt Paragraf 66 des Strafgesetzbuchs. So muss der Täter bereits zuvor wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sein. Und er muss eine Persönlichkeitsstörung aufweisen, die ihn für die Allgemeinheit weiterhin zu einer Gefahr macht. In der Praxis führen die engen Vorschriften immer wieder dazu, dass auch Sexualstraftäter auf freien Fuß kommen, die als rückfallgefährdet eingestuft werden.

Genau für solche Fälle wurde vor acht Jahren das „Kurs“-Programm ins Leben gerufen. Kurs – die Abkürzung steht für „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ – soll durch eine engmaschige Überwachung der Entlassenen verhindern, dass diese erneut straffällig werden. Auch Sven S. wurde als sogenannter „Proband“ in das Kurs-Programm aufgenommen, unter anderem weil er während der Haft jegliche Therapie abgelehnt hatte.

Ständige Überwachung fand nicht statt

In einer dreistufigen Skala wurde er als A-Proband eingestuft, was für höchste Rückfallgefährdung steht. Seit seiner Freilassung bekam er daher zweimal Besuch von einem Bewährungshelfer, die Polizei erteilte ihm zudem zu Hause eine Gefährderansprache und fertigte neue Fingerabdrücke und Fotos an. Eine ständige Überwachung jedoch fand nicht statt. „Es ist nicht möglich, alle potenziellen Rückfalltäter rund um die Uhr zu überwachen, weder rechtlich noch tatsächlich“, sagt der stellvertretende Kölner Kripo-Chef, Andreas Koch, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag nach der Festnahme von Sven S.

Erst seit den versuchten Vergewaltigungen der beiden Frauen am 31. Mai und am 2. Juni wird S. ständig observiert und wurde am Mittwoch festgenommen. Angesichts der Vorgeschichte wird die Staatsanwaltschaft jetzt erneut die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung prüfen.

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