Produzent Leopold Hoesch über Autoren-Streik„Deutsches Programm findet in der Welt viel zu wenig statt“

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Ein Protestschild der streikenden Autoren in den USA ist vor den Paramount Studios zu sehen.

In den USA streiken die Autorinnen und Autoren weiterhin.

Der Kölner Produzent Leopold Hoesch sieht den Autoren-Streik in den USA als Chance für Deutschland

Herr Hoesch, am Mittwoch findet in Köln wieder eine Halbfinal-Jurysitzung für die Internationalen Emmys statt. Nun wurde kürzlich bekannt, dass die Primetime-Emmys wegen des Streiks der Autoren und Schauspieler in den USA verschoben werden. Hatten Sie Sorge, dass die Absage der Primetime Emmy-Verleihung in Los Angeles auch Auswirkungen auf die Internationalen Emmys in New York haben könnte?

Die International Emmys werden nicht ausfallen. Es sind zwei unabhängige Systeme, wenn es um die Preisverleihungen geht. Die Primetime-Emmys bewerten amerikanisches Primetime-Programm, die Internationalen Emmys das Fernsehprogramm, das außerhalb der USA entsteht. Der Markt außerhalb der USA ist sogar größer. Die Primetimes werden in 90 Kategorien vergeben, die Internationalen Emmys nur in 20 Kategorien. Die US-Entertainment-Industrie ist tatsächlich eine Industrie mit einem einheitlichen sehr großen homogenen Markt, mit einem sehr gut funktionierenden Star-System. Dadurch ist der Teppich erst mal länger. Dieses Jahr allerdings nicht, weil die Primetimes ausfallen und die Internationalen Emmys nicht.

Sie haben recht, der Primetime-Emmy deckt „nur“ den amerikanischen Markt ab, der International Emmy den Rest der Welt. Haben Sie denn Hoffnung, dass der Weltmarkt vielleicht Nutzen daraus ziehen kann, dass der Fokus jetzt erst mal nicht auf die Primetime-Emmy gerichtet ist?

Die Chance besteht durchaus. Aber die Entertainment-Industrie außerhalb der USA und insbesondere in Europa funktioniert schlechter als die US-amerikanische. Gerade die deutsche Entertainment-Industrie funktioniert deutlich schlechter. Da muss was passieren. Es ist eine Chance, aber wenn man strukturell nicht an die entscheidenden Punkte rangeht, wird man die Chancen nicht nutzen können.

Die Entertainment-Industrie außerhalb der USA und insbesondere in Europa funktioniert schlechter als die US-amerikanische
Leopold Hoesch

Was muss passieren?

Zum Beispiel ein Marketing-Investitionsprogramm für den Vertrieb von deutschen Programmen würde helfen. Wir geben im Jahr vielleicht 14 Milliarden aus nur für Fernsehen. Und wie viel geben wir für Marketing im Ausland aus? Vielleicht zehn Millionen? Das sind geschätzte Zahlen, aber sie sagen etwas aus. Dieses Missverhältnis ist auffällig. Deutsches Programm findet in der Welt viel zu wenig statt. Es bräuchte eine konzertierte Aktion.

Wie sollte die aussehen?

Man muss es verdichten. So wie Wolfgang Clement die Medien nach NRW geholt hat und daraus ein eigenes Geschäft wurde, wäre es nun an der Zeit, Geld für das Marketing für deutsche Film- und Fernsehprodukte im Ausland in die Hand zu nehmen. Fünf Jahre lange jedes Jahr 100 Millionen Euro. Dann würde Deutscher Film und deutsches Fernsehen international ganz anders wahrgenommen werden. Dann funktioniert Kultur-Transfer auch wieder.


Leopold Hoesch (54) leitet die Kölner Produktionsfirma Broadview TV, bei der zuletzt Filme wie „Schwarze Adler“ und „Die Unbeugsamen“ entstanden. Außerdem ist er Botschafter der International Emmy Awards. Am Mittwoch entscheidet auf Schloss Arff eine Fach-Jury darüber, wer 2023 in drei Kategorien für den International Emmy Award nominiert wird.


Sie haben den Eindruck, dass deutsche Fernsehen weniger wahrgenommen wird im Ausland? Aber es gab doch, gerade im Streaming, einige weltweite Erfolge aus Deutschland, etwa „Dark“ oder „How to sell drugs (online fast)“.

Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber das ist immer noch marginal. Ja, „How to sell drugs“ war ein Erfolg, aber es ist nun auch nicht so, dass Amerika deswegen stillstand. Wir starten selbst am 17. September bei Netflix weltweilt mit dem Film „Ordinary Men: The Forgotten Holocaust“, aber das ist wieder ein Nazi-Thema. Eine genuin erzählte deutsche Geschichte, die nichts mit dem Dritten Reich zu tun hat, gibt es doch kaum. Im Verhältnis zum Geld, was hier Jahr für Jahr für Fernsehen ausgegeben wird, ist es tatsächlich viel zu schwach.

Jenseits von der Verbindung Deutschland und Krieg ist es nicht gelungen, einen Markenkern zu etablieren, der im Ausland zieht?

Ich finde ja und die Tendenz ist, dass es noch weniger wird. Es fehlt ein gezieltes Marketings um diesen Markt wachzuküssen. Viele Hollywood-Filme, die nach Deutschland kommen, geben allein hier zig Millionen nur für Marketing aus. Jeder deutsche Kinofilm, der überhaupt mal in den USA in die Kinos kommt, hat überhaupt kein Geld für PR. Auch der wirklich gute Film „Im Westen nichts Neues“ hätte ohne die von Netflix bezahlte Kampagne, niemals diese Aufmerksamkeit bekommen. Ohne sie hätte der Film heute genau null Oscars, keinen Deutschen Filmpreis und auch keinen BAFTAs , wäre meine Vermutung. Das ist leider unsere Realität.

Halten Sie es für wahrscheinlich, dass der Protest in der US-Branche auch auf Deutschland überschwappt? Die Drehbuchautoren haben sich ja schon solidarisiert.

Es ist so schwer, das zu beurteilen. Aber diese Solidarisierungen aus Deutschland interessieren die Amerikaner würde ich sagen nicht wirklich.

Können die Jury-Sitzungen für die Internationalen Emmys denn einen Beitrag leisten, um Werbung für den deutschen Markt zu machen?

Nicht nur die Jury-Sitzungen hier. Auch die Initiativen des Landes NRW bei der Verleihung der Internationalen Emmys in USA ist total hilfreich. Jetzt wäre es an der Zeit, das noch mal auszubauen und die Gunst der Stunde zu nutzen und weitere Strukturen zu schaffen: Wir nehmen das Wohl und Wehe des deutschen Films jetzt mal in die Hand. Man muss einen Topf aufmachen und alle ansprechen: Industrie, Auswärtiges Amt, Goethe Institut, Fernsehsender, Streamer. Dann könnte man diese Chance, die sich jetzt auftut, ergreifen.

Aber die Lücke, die durch die fehlenden Neuproduktionen aus den USA entstehen, wird ja erst in einer Zeit entstehen.

Total. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, dieses Geld zu investieren. Jetzt ist die Lücke da.

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