„Die SA Jesu Christi“

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Das Eingangsportal des 1934 eingeweihten Martin-Luther-Hauses in Köln-Marienburg zierten zwei überlebensgroße Reliefs des Bildhauers Willy Meller: links Martin Luther mit Rose und Kreuz, rechts ein SA-Mann mit NS-Hoheitszeichen. Der Reformator an der Seite eines Nazi. Es gibt unzählige Beispiele aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, die belegen, wie häufig im nationalsozialistischen Deutschland Bezug auf Luther genommen wurde.

Das Ausmaß hat den Historiker Ulrich Prehn, Kurator der Ausstellung „Überall Luthers Worte...“, die nun im NS-Dokumentationszentrum zu sehen ist, überrascht. Prehn und seine Kollegen legen dar, dass sich diese Beschäftigung sowohl von staatlicher also auch von kirchlicher Seite us durch die gesamten braunen Jahre zieht. „Luther hat eine viel größere Rolle in dieser Zeit gespielt, als ich dachte“, so Prehn.

Umso mehr frappierte den Historiker, dass es bisher nur wenig Forschungsliteratur zu diesem Thema gibt. Die Ausstellung arbeitet sehr anschaulich heraus, wie groß die Spannbreite der Luther-Rezeption war. Und das nicht nur im Zuge der Feierlichkeiten zu Luthers 450. Geburtstag im November 1933 und des Jubiläums 400 Jahre Lutherbibel 1934.

Es gab da zum einen den engen Schulterschluss mit dem neuen Regime. Mit der Einsetzung eines „Reichsbischofs“ sollte die Gleichschaltung der evangelischen Kirche vorangetrieben werden. Die Angehörigen der „Glaubensbewegung Deutscher Christen“ versuchten, ihre Religion ganz in den Dienst der Nazis zu stellen und ihr so mehr Einfluss zu verschaffen.

„Die Deutschen Christen sind die SA Jesu Christi“ schrieb der Berliner Pfarrer und Vizepräsident des Oberkirchenrats der altpreußischen Union, Joachim Hossenfelder, 1933 in der ersten Ausgabe der Schriftenreihe der Deutschen Christen, „Unser Kampf“. Reichsbischof Ludwig Müller forderte 1934 bei der Reichstagung der Deutschen Christen im Berliner Sportpalast „die Vollendung der deutschen Reformation im Dritten Reich“.

Die Bekennende Kirche setzte sich ebenfalls intensiv mit Luthers Schriften auseinander, kam jedoch zu völlig anderen Erkenntnissen. Bei Dietrich Bonhoeffer etwa trug diese Beschäftigung dazu bei, aus einer gewissensbasierten christlichen Ethik ein Widerstandsrecht abzuleiten. Seinem Zitat „Überall Luthers Worte und doch aus der Wahrheit in Selbstbetrug verkehrt“ aus dem Jahr 1937 ist der Titel der Ausstellung entlehnt.

Viel Platz nimmt erwartungsgemäß die Aneignung von Luthers antisemitischen Schriften und Predigten ein. Sie sollten die Propaganda der NSDAP theologisch rechtfertigen. So nannte der „Stürmer“ Luther im März 1937 einen „verdienten Kämpfer gegen den Judengeist in der christlichen Kirche“. Nach den Novemberpogromen 1938 nutzte man Luthers judenfeindliche Aussagen – etwa in der Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ –, um die Verbrechen zu legitimieren. Kurator Ulrich Prehn wehrt sich jedoch gegen die Lesart, Luther sei von den Nationalsozialisten missbraucht worden. Vielmehr sei diese Aneignung in seinem Werk angelegt gewesen.

INFOS ZUR AUSSTELLUNG

Die Ausstellung „»Überall Luthers Worte...« – Martin Luther im Nationalsozialismus“ wurde von der Stiftung Topographie des Terrors und der Gedenkstätte deutscher Widerstand konzipiert. Sie ist bis zum 24. Februar im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, zu sehen.

www.nsdok.de

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