„Ein Mann der Kunst“ von Kristof MagnussonHerrliche Schnurre aus dem Kulturbetrieb

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Der deutsch-isländische Autor Kristof Magnusson hat ein neues Buch geschrieben.

Gut, dass Ingeborg Marx ihren Sohn Constantin angerufen hat! „Du musst mich bei der Sitzung vertreten“, sagt die prinzipiell coole Psychoanalytikerin ausnahmsweise leicht angespannt am Telefon. Welche Sitzung? Na, die mit den Vertretern von Bund und Land, bei der es um den Erweiterungsbau für das Museum Wendevogel in Frankfurt gehen wird. Ingeborg ist die Vorsitzende des Fördervereins, der unbedingt einzubinden ist in die Beratungen der potenziellen Geldgeber. Doch nun muss sie einen Patienten ins Krankenhaus begleiten.

So steigt Constantin in die Debatte um das Bauprojekt ein. Fortan lässt er uns als staunend-beredter Erzähler an einer herrlichen Schnurre aus dem Kulturbetrieb teilnehmen. Die staatlichen Repräsentanten sind überraschend schnell von der Einzigartigkeit des Plans überzeugt. Der Anbau soll allein einem Künstler gewidmet werden, der noch unter den Lebenden ist. Sein Name: KD Pratz. Der große Beuys-Schüler hat schon viele künstlerische Richtungsänderungen vollzogen. Er ist dem Vernehmen nach detailverliebter als Gerhard Richter, archaischer als Anselm Kiefer und expressiver als Georg Baselitz. Mit Marina Ambramovic hatte er eine kurze Liaison: „Die Clintons der Kunstwelt.“

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Es war Ingeborgs Vorschlag gewesen, dem von ihr zutiefst verehrten „Malerfürsten“ diese prominente Präsentation zu ermöglichen. Allerdings schmückt sich bald schon Museumsdirektor Michael Neuhuber mit dieser Idee. Die Erweiterung scheint auf einem sehr guten Wege zu sein. Ärgerlich nur, dass der Förderverein noch nicht komplett überzeugt ist. So plädiert der einflussreiche Herbert von Drübber für Werke von Gudrun Pause und Sebastiao Salgado. Auch kämen zwei Rauminstallationen von Yoko Ono und die größte zusammenhängende Sammlung verschimmelter Objekte von Dieter Roth in Frage. Doch dafür würden Bund und Land kein Geld geben – siehe oben.

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Jetzt kann nur noch eine exklusive Kontaktaufnahme helfen. Der Förderverein macht sich auf, um dem als sperrig und kontaktscheu geltenden Künstler einen Besuch auf seiner Burg Ernsteck im Rheingau abzustatten. Spätestens an dieser Stelle müssen wir uns allerdings aus der Nacherzählung ausklinken, um nicht den Spaß zu verderben, der jetzt so richtig losgeht: ein farbenfroher Reigen über dem Rhein.

Der Roman „Ein Mann der Kunst“ ist eine süffige Satire auf vollgepumpte Künstler-Egos und kreatives Interpretations-Gefasel. Nicht unerheblich sind in diesem Zusammenhang die Fragen nach Sexismus und Feminismus. Auch von Käuflichkeit ist die Rede.

Das Buch

Kristof Magnusson: „Ein Mann der Kunst“, Kunstmann, 238 Seiten, 22 Euro. E-Book: 16,99 Euro. Der Roman erscheint am 12. August.

Und was ist das überhaupt – Kunst? Wie amüsant dieses Themenfeld sein kann, hatte Daniel Kehlmann mit seinem Roman „Ich und Kaminski“ (2003) gezeigt. Nun wird dieser Befund von Kristof Magnusson eindrucksvoll bestätigt. Der Autor legt in diesem Kunstbetriebsroman die Schwächen seiner Figuren bloß, doch bleibt er ihnen empathisch verbunden. Das Engagement wird nicht lächerlich gemacht, aber lustvoll auf seine Tiefgründigkeit getestet. Die Dialoge sitzen passgenau. Und die Dynamik, die sich aus der Begegnung mit dem Großkünstler ergibt, führt zu urkomischen Szenen.

Manche von ihnen wirken wie gemalt im rheinischen Stil. Da sitzen KD Pratz und Constantin Marx im Geländewagen mitten in den Weinbergen und lauschen der Bundesligakonferenz im Radio, was sich liest wie eine Reminiszenz an Ror Wolf. Dabei erfahren sie von Sabine Töpperwien, dass sich der FC im Derby gegen Düsseldorf prächtig schlägt: „Die Kölner Welt ist wieder rosa.“ Aber auch dieser Roman hat am Ende drei Punkte sicher.

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