Der große Museums-CheckIm Museum Ludwig ist die Gegenwart zu Hause

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Die Heimat der Gegenwart: das Museum Ludwig

Wenn Sammler über das Sammeln sprechen, klingt das manchmal beinahe verschämt, als würden sie eine erotische Marotte beichten. Auch bei Peter Ludwig konnte man gelegentlich das Erschrecken über die eigene Maßlosigkeit heraushören: „Es begann alles in einem normalen Rahmen“, sagte er einmal, „wir kauften Kunstwerke, um sie um uns zu haben in der Wohnung und später dann im Haus.“ Bis Hermann Schnitzler, Direktor des Kölner Museum Schnütgen, ihm etwas zeigte, was dessen Sammlung schmerzlich fehlte und das er sich nicht leisten konnte. Könnt ihr uns helfen, soll Schnitzler laut Ludwig gefragt haben, und das als Leihgabe in unser Museum geben. „Und von da an“, so Ludwig, „immer wachsend begann dann eine Art Fieber, das uns überfallen hat.“

Im Grunde beginnt die Geschichte das Kölner Museum Ludwig – eines von zwölf Museen, die diesen Namen tragen – also schon 1957 im Museum Schnütgen für mittelalterliche Kunst und nicht erst 1968, dem Jahr, in dem Ludwig seine Sammlung zeitgenössischer Kunst im Wallraf-Richartz-Museum zeigte und überhaupt erstmals als Großsammler öffentlich in Erscheinung trat. Im Jahr 1986 wurde dann das Museum Ludwig in Köln eröffnet, zunächst mit Gegenwartskunst, Pop Art und Russischer Avantgarde – wobei man die Nicht-Ludwig’schen Sammlungsanteile nicht vergessen darf: die Fotografische Sammlung, die Expressionisten der Sammlung Haubrich, die zeitgenössische Kunst, die Kasper König und die anderen Direktoren ans Haus holten.

All’ das haben Yilmaz Dziewior und die Museumskuratoren des Ludwig jetzt noch einmal neu und zudem chronologisch geordnet. Oben beginnt das 20. Jahrhundert, im Untergeschoss endet die Gegenwart. Das heimliche Motto lautet, ähnlich wie bei Philipp Kaisers „Not Yet Titled“-Schau: Auch die Sammlung ist ein Großereignis, eine Blockbuster-Ausstellung, die bleibt und in gewandelter Form immer wiederkehrt.

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In dieser Neupräsentation sind einige Akzente anders gesetzt: So rückt Dziewior mit einem üppigen Max-Beckmann-Raum die Schenkung von Georg und Lilly von Schnitzler aus dem Jahr 1957 und damit ein anderes Sammler-Ehepaar ins Rampenlicht, und mit zwei großen Installationen der Künstler Kcho (Kuba) und Xu Bing (China) erweitert er das Spektrum des Hauses um asiatische und lateinamerikanische Kunst. Wobei diese Stücke schon wieder von Irene und Peter Ludwig stammen – dem Sammlerpaar aus einem glücklichen Fiebertraum.

Direktor Yilmaz Dziewior über das Museum

"Für viele ist das Museum Ludwig vor allem für seine herausragenden Sammlungen der Pop Art und der Russischen Avantgarde bekannt. Ein Publikumsliebling ist zudem unsere riesige Picasso-Sammlung, nach Paris und Barcelona haben wir die meisten Picasso-Arbeiten weltweit. Wir können die Bedeutung unserer Sammlung nicht zuletzt an der großen Zahl von Ausleihanfragen anderer Museen messen, aber da sind wir streng, schließlich wollen unsere Besucher vor Ort diese Werke sehen.   Was uns aber ebenso auszeichnet ist unsere Fotografie-Sammlung mit dem Agfa-Photo-Historama und den Beständen der Sammlung Gruber. Wir können die gesamte Geschichte der Fotografie von den Anfängen bis zur Gegenwart zeigen; gerade erst ist eine bedeutende Schenkung von rund 200 Werken hinzugekommen. In Zukunft wollen wir zudem deutlicher machen als bisher, dass Peter und Irene Ludwig schon sehr früh auch Arbeiten von Künstlern aus Afrika, Asien oder Südamerika erworben haben. So können wir in der neuen Sammlungspräsentation eine große Installation von Xo Bing zeigen, einem der bekanntesten zeitgenössischen Künstler aus China. In diesem Jahr feiern wir gleich drei Jubiläen: Bereits vor 70 Jahren hat Josef Haubrich der Stadt seine Sammlung mit Werken vor allem des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit geschenkt; vor 40 Jahren wurde der Museumsneubau beschlossen, vor 30 Jahren das Museum eröffnet. Aus diesen Anlässen haben wir die Präsentation der Sammlung neu, und zwar weitgehend chronologisch geordnet. Als Besucher beginnen sie jetzt im obersten Stockwerk mit den frühesten Arbeiten und kommen im Untergeschoss bei den Zeitgenossen an. Am Ende des Jahres werden wir zudem einen neuen Sammlungskatalog vorstellen."

Informationen zu den Angeboten

Information

Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Köln,

Öffnungszeiten: Di.–So. 10–18 Uhr, jeden ersten Donnerstag des Monats von 10–22 Uhr.

Tel. (0221) 22126165      www.museum-ludwig.de Anreise: Fünf Minuten Fußweg von der Haltestelle Dom/Hauptbahnhof (Bahnlinien 3, 4, 5, 16, 18). Mit dem Auto: Parkhäuser am Dom und in der Innenstadt.

Eintritt: Tagesticket: 11 Euro/ 7,50 ermäßigt. Das Familienticket kostet 22 Euro. Kinder bis 6 Jahre haben generell freien Eintritt, für Kinder und Jugendlich bis 18 Jahre ist der Eintritt in die ständige Sammlung frei.

Steckbrief

Ein Haus der Superlative: die drittgrößte Picasso-Sammlung, der Welt, Pop Art so weit das Auge reicht und Meisterwerke der Russischen Avantgarde. Auch die Fotografische Sammlung besitzt Weltrang, die klassische Moderne ist  in der Josef-Haubrich-Sammlung glänzend vertreten.

Für Kinder

Der Eintritt in die Sammlung ist für alle Besucher bis 18 Jahre frei. Gegen Pfand kann man an der Infotheke einen Familienkoffer zum Spielen und Lernen ausleihen,  es gibt Familienführungen, jeden Samstag veranstaltet der Museumsdienst eine Werkstatt für Kinder zwischen 5 und 7 bzw. ab 8 Jahren (Erwachsene müssen draußen bleiben).

Das Art Lab gibt es seit 2015 und lädt Eltern und Kinder zum Spielen, Experimentieren und (wenn es denn klappt) Entspannen ein. Im Kunstlaboratorium finden sich unter anderem Farbbrillen und eine Magnettafel, an der jeder zum Expressionisten reifen kann.

Umgebung und Café

Gastronomie: Die Küche des Ludwig im Museum bietet so ziemlich alles von rustikal bis ambitioniert, ist auf regionale Produkte spezialisiert und hat  sowohl vegane Gerichte als auch  Kaffee aus eigener Röstung im Angebot. Ein paar Schritte zum Rhein hinab wird es im wunderbar unkomplizierten Sterne-Restaurant MaiBeck noch etwas leckerer.

Attraktionen in der Nähe: Mehr als man aufzählen kann. Am naheliegendsten sind das  Römisch-Germanische Museum, Dom und Domschatzkammer, Rheinufer und Rheinschifffahrt, Kolumba, Altstadt und Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud.

Online

Die Website des Museums bietet ein „Best-of“ der Sammlung mit Bildergalerien und kurzen Bildbeschreibungen, dazu einführende Texte in die einzelnen Schwerpunkte der Sammlung und eine Übersicht der Neuerwerbungen der letzten Jahre. Auf der Vimeo-Seite des Museum Ludwig finden sich derzeit immerhin 26 Videos, sonderlich aktuell ist der Auftritt allerdings nicht. Via Facebook hält das  Ludwig seine  Besucher deutlich besser auf dem Laufenden. www.museum-ludwig.de

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