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Neue ZDF-SerieNazi-Skandal um Neuverfilmung von „Das Boot“

Lesezeit 4 Minuten
Bloß gute Fernsehunterhaltung: Die neue „Boot“-Besatzung?

Bloß gute Fernsehunterhaltung: Die neue „Boot“-Besatzung?

  • Glaubt man dieser Roman-Adaption trägt die internationale Großfinanz die Schuld am Zweiten Weltkrieg - und nicht Nazi-Deutschland.
  • Die aufwendige TV-Produktion lief zuerst beim Bezahlsender Sky.
  • Das ZDF strahlt das Prestige-Projekt seit Freitagabend aus.

Mainz – Philip K. Dicks Science-Fiction-Roman „Das Orakel vom Berge“ spielt in einer alternativen Realität, in der die Achsenmächte den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Amazon hat den Roman unter seinen Originaltitel als „The Man in the High Castle“ als Serie adaptiert und weitererzählt.

Wäre Lothar-Günther Buchheims biografischer Bestseller „Das Boot“ nicht in unserer, sondern in Philip K. Dicks verschobener Zeitachse als TV-Serie weitergesponnen worden, fiele diese wohl in etwa so aus, wie der vor einem Jahr auf dem Bezahlsender Sky ausgestrahlte Achtteiler, den das ZDF seit diesem Freitag in vier, jeweils knapp zweistündigen Folgen zweitverwertet.

Der britische Romancier Tony Saint und der deutsche Drehbuchautor Johannes W. Betz haben die Serie geschrieben, der österreichische Regisseur Andreas Prochaska hat die mit 25 Millionen Euro vergleichsweise üppig budgetierte Produktion umgesetzt. 

Zuerst fühlt man sich durchaus an Wolfgang Petersens legendäre Verfilmung des Stoffes aus dem Jahr 1981 erinnert, die Kamera verfolgt stolpernd fluchende, ölverschmierte Männer durch den engen Schlauch eines U-Boots, im Glutschein der Kampfbeleuchtung lauschen sie dem vertrauten „Ping“ des Echolots, sogar Klaus Doldingers berühmtes Titelthema hat der Komponist Matthias Weber in seiner Serienmusik wieder verarbeitet.

Aber das 2018er „Boot“ erzählt eine andere Geschichte, rund die Hälfte davon spielt an Land, in der Hafenstadt La Rochelle, von der aus die deutschen U-Boote in den Atlantik auslaufen. Hier gerät Vicky Krieps („Der seidene Faden“) als Schwester eines jungen U-Boot-Funkers zwischen den Fronten der Résistance und der Gestapo, im buchstäblichen Sinne verkörpert von Lizzy Caplan („Masters of Sex“) und Tom Wlaschiha („Game of Thrones“), die beide auch ein sexuelles Interesse an der schon schmerzhaft Naiven haben.

Bereits hier irritiert, wie Wlaschihas Gestapo-Mann als im Grunde anständiger Kerl gezeichnet wird, ein strammer Nazi ja, aber auch einer, der an die Aussöhnung zwischen Franzosen und Deutschen glaubt und sich gegen Massenerschießungen einsetzt.

Lizzy Caplans Résistance-Anführerin dagegen wird als ruchlos-dunkle Morphinistin und Verführerin porträtiert, die Bombenattentate auf unschuldige Landsleute verübt, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Massenerschießungen nimmt sie dabei nicht nur in Kauf, sie provoziert sie sogar.

Auf hoher See wird die Sache nur noch schlimmer: Die vom noch unerfahrenen Kapitänleutnant Klaus Hoffmann kommandierte U 612 erhält den Geheimbefehl, einen amerikanischen Geschäftsmann als Gast aufzunehmen und gegen einen deutschen Gefangenen auszutauschen.

Spezialist für Schmieriges

Dieser Sam Greenwood wird von Vincent Kartheiser gespielt, seit seiner Rolle als Pete Campbell in „Mad Men“ Spezialist für schmierige Charaktere. Die Mannschaft verdächtigt ihn sofort als Juden („Erinnern sie sich noch an den Grund für den Krieg: Luft zum Atmen ohne Juden und Bolschewiken“, bemerkt ein Offizier zum anderen); zudem facht er deren Zorn zusätzlich durch defätistische Aussprüche an: „Scheiß aufs Vaterland!“

Schließlich erklärt Greenwald, dass sein Vater die deutsche U-Boot-Flotte finanziert habe: „Wir haben Deutschland bis an die Zähne bewaffnet und für jeden investierten Dollar zahlt uns Adolf jetzt 50 zurück.“ Krieg sei der größte Wirtschaftsmotor der Welt und sein Auftrag sei es gewesen, in der Schweiz das so erwirtschaftete Geld einzusammeln, denn das brauche sein Vater, um den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft zu bezahlen.

Mit der Vaterfigur könnte sowohl Joseph P. Kennedy, Vater von John F. Kennedy, als auch Prescott Bush, Vater von George Bush und Großvater von George W. Bush, gemeint sein. Beiden Präsidentenvätern werden moralisch nicht ganz einwandfreie Geschäfte nachgesagt. Mit der Aufrüstung Nazi-Deutschlands hatten sie freilich nichts zu tun, auch nichts mit dem Ingenieurskantoor voor Scheepsbouw, einem niederländischen Tarnunternehmen, mit dem die deutsche Reichsmarine die Beschränkungen des Versailler Vertrags umgehen wollte.

Es war auch sonst kein amerikanisches Unternehmen und keine amerikanische Bank wesentlich an der Finanzierung von Hitlers Kriegsmaschinerie beteiligt. Hier schrammt die Serie unangenehm den klassischen antisemitischen Topos von jüdischen Großfinanziers, welche heimlich die Geschicke der Welt leiten. Und das, um die U-Bootfahrer der Reichsmarine umso heldenhafter darzustellen. 

Erst träumen, dann zittern

Natürlich entpuppt sich der Gefangenenaustausch im Atlantik dann auch noch als Falle der hinterlistigen Amerikaner für die treudeutsche U-Boot-Besatzung. Man fasst es nicht.

Über die Feiertage hat das ZDF gemeinsame Anzeigen für seine beiden Prestige-Projekte „Das Traumschiff“ und „Das Boot“ geschaltet, oben kreuzt der weiße Lustdampfer mit sonnengebräunten Altstars, unterm Meeresspiegel gleitet das dunkelblaue U-Boot mit seinen kernigen Jungschauspielern dahin: „Erst träumen, dann zittern“, hieß der Werbespruch dazu. Die Reichsmarine wäre stolz auf diesen späten Erfolg.

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