Leserbriefe zum Klinik-Plan:Sorge um die wohnortnahe Grundversorgung

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Neubau auf dem Gelände der Klinik in Merheim, im Hintergrund ein älteres Krankenhausgebäude

Der Klinikstandort in Merheim soll künftig zum Zentrum der Kliniken der Stadt Köln ausgebaut werden.

Die geplante Zusammenlegung der städtischen Kliniken Holweide und Riehl im Klinikum Merheim stößt auf heftige Kritik. 

Mehrheit für Klinik-Plan scheint möglich – Geschäftsführung stellt Konzept den Gesundheitspolitikern vor (9.3.)

Klinik-Plan: Ende niedrigschwelliger Gesundheitsversorgung

Als Bürgerin des Stadtteils Dellbrück im Stadtbezirk Mülheim kann mich nach einer Zeit des Kaputtredens der Klinik Holweide das Tempo, mit dem der Kahlschlag der Gesundheitsversorgung im Bezirk Mülheim von OB Reker und ihren Unterstützern in der Politik betrieben wird, nicht mehr überraschen, aber dennoch entsetzen. Als Bürgerin fühle ich mich mit meinem Wunsch nach wohnortnaher und niedrigschwelliger Gesundheitsversorgung geradezu verhöhnt.

In den letzten Jahren habe ich persönlich mit vielen anderen Unterstützern zum Erhalt der Klinik Holweide demonstriert und 13.000 persönliche Unterschriften allein aus Dellbrück gesammelt und der Stadt übergeben. Diese sind anscheinend in irgendeiner Schublade verschwunden. Nicht nur, dass Rat und Verwaltung die Wünsche und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger missachten. Wer einmal in der Notaufnahme in Merheim fünf Stunden gewartet hat, weiß, was ich meine.

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Der Plan reiht sich ein in eine Vielzahl von aus dem Ruder gelaufenen Kölner Großprojekten, die nach dem Motto entstehen: Zuerst lassen wir unser Eigentum verkommen, indem wir nicht regelmäßig sanieren und reparieren oder von Vornherein ungeeignete Firmen beauftragen. Dann beschließen wir den Abriss, die Verlagerung, den Neubau. Die Kosten laufen uns davon, und die Realisierung haben dann andere zu vertreten. Ich vermisse auch eine Prioritätensetzung, bei der Pflichtaufgaben der Daseinsfürsorge wie Bildung, Gesundheit, soziale Sicherung und ÖPNV ganz vorne stehen müssten. Brigitte Noack Köln

Klinik-Plan: „Kann sich Köln so einen Qualitätseinbruch leisten?“

Aus unserer Sicht – zwei Väter von fünf Kindern – ist es ausgesprochen unvernünftig, dass man aus „Optimierungsgründen“ die gesundheitliche Versorgung einer Vielzahl von Stadtteilen gefährdet: Wenn eine wirklich ernste Verletzung des Kindes besteht, wie lange braucht man dann aus linksrheinischen Stadtteilen bis nach Merheim – wenn es ganz dumm läuft, im Berufsverkehr? Für Köln hochskaliert bringt dann auch der eine Hubschrauberlandeplatz nichts.

Und darüber hinaus sei grundsätzlich angemerkt: Macht eine Zentralisierung auf einen Standort in einer Millionenstadt wirklich Sinn, wenn Sparmaßnahmen und nicht zwingende fachliche Gründe der Treiber sind? Wenn dann ein Großteil der Kölner mit ihren Kindern nach Merheim fährt, sehen wir jetzt schon die Warteschlangen, die in Riehl etwa bei der RS-Virus-Welle schon teils unglaublich lang waren. Kann sich Köln als Millionenstadt so einen Qualitätseinbruch leisten? Gerade für die Versorgung von Säuglingen wäre das nahezu unerträglich!

Ursache des Ganzen ist die Maßgabe, dass das Gesundheitswesen sich „rechnen muss“. Es scheint politisch wie gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, dass in naher Zukunft eine bislang unbekannte Menge von Autobahn-Brücken mit Milliarden Euro Steuergeld saniert oder neu gebaut werden, aber dass Gesundheitsversorgung auch Steuergeld kostet, ja geradezu kosten muss, darüber besteht offenbar kein Konsens mehr?

Ein gutes Gesundheitssystem ist doch eine Grundversorgung, die sich ein reiches Land wie Deutschland leisten muss. Dazu könnte man auch selbstbewusst stehen. Auch wenn die Kassen Kölns klamm sind, sollte man an der Gesundheit nicht sparen! Aus unserer Sicht besteht für die Versorgung der Kölner Kinder akut Handlungsbedarf, damit die Entscheidung im Kölner Stadtrat Mitte Mai ablehnend beschieden wird! Sascha Kinzler und Dr. Jens Blümchen Köln

Plädoyer für Klinik-Neubau zwischen Merheim und Holweide

Aus der sehr persönlichen Perspektive eines Chefarztes bei den Kliniken der Stadt Köln möchte ich das Dilemma unserer Situation schildern. Seit 18 Jahren leite ich die Augenheilkunde und versuche gemeinsam mit meinen Kollegen „beste Medizin“ für unsere Patienten und wirtschaftliche Medizin für die Kliniken der Stadt Köln zu machen. Trotz dieser Anstrengungen, zahlloser Gutachten und Optimierungsvorschläge seitens diverser Unternehmensberater hat die Stadt Köln in den letzten zehn Jahren insgesamt 450 Millionen Euro für die Leistungen unserer Kliniken bezahlt.

Warum das so ist, weiß der Rat der Stadt schon lange. Die drei Standorte der Kliniken sind schon vor Jahren als Hauptproblem thematisiert worden, waren aber für die Politik nicht verhandelbar. Für unsere Arbeit in der Augenklinik bedeutet das enorme Aufwände, Gerätevorhaltung und zeitfressende Transfers fachkompetenter Kollegen oder Patienten zwischen den drei Standorten. Die Frühgeborenen-Stationen in Riehl und Holweide erfordern Fahrten hoch qualifizierter Spezialisten, die bei der Kölner Verkehrssituation im Klinikbetrieb in Merheim vier bis acht Stunden fehlen.

Gäbe es eine Frühgeborenen-Station und Geburtshilfe an einem gemeinsamen Standort, wären diese Zeiten erheblich kürzer. Vorteile liegen auf der Hand: Kleine Patienten würden schneller versorgt und Ärzte könnten sich auf ihre Arbeit konzentrieren, statt (Arbeits-) Zeit im Stadtverkehr zu vergeuden. Das Konzept einer zentralen Kinderklinik war unter Erreichbarkeitsgesichtspunkten für Köln bis in die 90er Jahre richtig. Mit der Ertüchtigung der Universitätskinderklinik in den letzten Jahrzehnten bedarf es für die Stadt als Ganzes einer optimalen Erreichbarkeit für den Westen mit der Uniklinik und für den Osten mit einer Kinderklinik im Osten. Eine Sanierung des Alt-Standortes Merheim mit Neubau einer Kinderklinik an einem infrastrukturell verbauten Standort ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich teurer als ein kompletter Neubau eines Klinikums für alle Disziplinen an einem Ort zwischen Merheim und Holweide.

Dies erscheint mir die wirtschaftlich zukunftsweisende und wissenschaftlich universitär einzig vernünftige Lösung. Verkehrstechnisch sollte deren Standort direkt an Straßenbahn und Autobahn liegen, damit Notarzt, Notfälle und Patienten dort unkompliziert landen können. Damit wären die Patienten und Mitarbeiter von Flittard bis Libur und von Deutz bis Dellbrück bis weit hin nach Olpe hervorragend angebunden.

2010 hat man Herrn Prof. Christian Schmidt als ärztlichen Leiter der Kliniken ernannt. Dieser hatte im Stadtbezirk Minden aus drei defizitären Kliniken ein wirtschaftlich erfolgreiches Großklinikum geschaffen. Letztendlich konnte der Rat der Stadt Köln sich seinerzeit nicht entschließen, ein gleichartiges Projekt in Angriff zu nehmen. 450 Millionen Euro und über 10 Jahre später ist es an der Zeit, dass die Politik sich ehrlich macht und den Bürgern und Beschäftigten der Kliniken der Stadt Köln als Maximalversorger im Kölner Osten eine tragfähige Zukunftsperspektive bietet. Nur so wird man die großen personellen Probleme in der Pflege, die Infrastrukturprobleme und die unnötig hohen Personal- und Vorhaltekosten dauerhaft reduzieren können, damit wir weiter „beste Medizin für Köln“ machen können.  Prof. Dr. Norbert Schrage Aachen

Klinik-Planung: Gewagte Ausbaupläne und abenteuerlicher Zeitplan

Der Stadtbezirk Mülheim, mit 150.000 Einwohnern der mit Lindenthal bevölkerungsreichste Kölner Stadtbezirk, steht ohne krankenhausärztliche Versorgung da: kein Krankenhaus, keine Notfallambulanz. Wie soll das bei der schlechten Kölner Infrastruktur funktionieren? Das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße, eines der wenigen, ausschließlich Kindern gewidmeten Häuser, soll als Abteilung in Merheim „unterschlüpfen“. Die Millionen, die zu einem Gutteil von privaten Spendern aufgebracht wurden, um es auf einen modernen Stand zu bringen, sind dann futsch, und auch hier sind wieder Spekulationen mit einem städtischen Filetgrundstück im Spiel.

Zudem sind die Ausbaupläne für Merheim gewagt und die Einlassung von Geschäftsführer Axel Goßmann recht realitätsfremd. Mehr als 800 Millionen soll der Reker-Plan kosten; nach Erfahrungen in Köln mit anderen Projekten kann man die Summe nochmals verdoppeln. Dabei ist noch nicht einmal eine städtebauliche Genehmigung für den Ausbau in Merheim sicher. Der Zeitplan gestaltet sich abenteuerlich. Bereits in acht Jahren soll alles erledigt sein: Merheim ausgebaut, Holweide und Amsterdamer Straße abgerissen. Wer soll das glauben?

Natürlich ist die Situation der Kliniken nicht nur hausgemacht. Vorgaben aus Bund und Land machen es allen Kliniken schwer. Aber Gesundheit ist Daseinsfürsorge, die kein Geld verdienen muss. Das verlangen wir auch nicht von Schulen, Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr. Aber wir benötigen eine flächendeckende Versorgung. Die ist mit dem Abbau von Holweide und der Klinik Amsterdamer Straße für fast ein Viertel des Stadtgebiets nicht mehr gegeben. Sven Winter Köln

Investitionen in Kinderklinik Amsterdamer Straße vergeblich?

Der Geschäftsführer städtischer Einrichtungen vertritt vehement ein Großklinikum in Merheim und will alle vorhandenen Kliniken, Kinderklinik und Klinik Holweide, rigoros schließen. Einer der Gründe dafür sei, dass man keine Transporte über den Rhein für sinnvoll halte, weil sie aus gesundheitlichen Gründen abzulehnen seien. Was ist denn zu den gesundheitlichen Risiken zu sagen, die jetzt durch den Transport von rechtsrheinisch Wohnenden zur Klinik Merheim erfolgen sollen? Bleiben die auf der Strecke und die Patienten müssen das Risiko tragen, Freitagnachmittag über die Zoobrücke zu gelangen?

Was ist mit den Kosten, die für die Planung der Erweiterung der Kinderklinik bereits ausgegeben wurden? Was geschieht mit dem gesamten Kinderklinikgebäude, den Wohnheimen und dem McDonalds-Haus? Sind diese Kosten auch in den geschätzten Millionen enthalten?

Was ist mit den Schulen, den Problemen im öffentlichen Nahverkehr, den Straßensanierungen, der Sauberkeit unserer Stadt, den Drogenproblemen rund um den Neumarkt? Köln braucht keinen weiteren Wahnsinn, Köln braucht eine funktionierende Verwaltung, und die gibt es für deutlich weniger Geld. Michael Esch Köln

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