NetzwerkeDie Masche Maschmeyer

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Man kennt sich: Carsten Maschmeyer (v.l.), seine Frau Veronica Ferres, Doris Schröder-Köpf und Gerhard Schröder

Man kennt sich: Carsten Maschmeyer (v.l.), seine Frau Veronica Ferres, Doris Schröder-Köpf und Gerhard Schröder

Berlin – Nur kurz beschäftigten dieser Tage zwei Ereignisse das politische Berlin, obwohl sie, im Zusammenhang betrachtet, genug Zündstoff für eine wochenlange Debatte und grundlegende Gesetzesänderungen enthalten.

Es war im Kanzleramt, als Mitte dieser Woche das Bundeskabinett den Rentenbericht verabschiedete. Danach wurde vor allem über sinkende Rentenbeiträge und das Festhalten an der Rente mit 67 berichtet. Aber wenige, etwa der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, wiesen auch auf eine bittere Erkenntnis hin: die „Riester-Rente“ ist in weiten Teilen gefloppt.

Als SPD-Kanzler Gerhard Schröder und sein Arbeitsminister Walter Riester sie 2002 einführten, priesen sie die privat finanzierte, aber staatlich geförderte Rentenversicherung als Garant für höhere Alterseinkommen für alle. Was der Staat an gesetzlicher Rente kürzen müsse, würde jeder Bürger als Anleger aus dem Kapitalmarkt holen. Doch so kam es nicht. Selbst freundlich gerechnet, sagt Laumann, werden die Alterseinnahmen heutiger Riester-Kunden „deutlich unter dem Niveau liegen, das vor einigen Jahren noch allein mit der gesetzlichen Rente erreicht wurde“. Schlimm genug.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Riester-Sparer bekommen eine staatliche Zulage. Sie beträgt 154 Euro pro Jahr. Für jedes vor 2008 geborene Kind gibt es zusätzlich 185 Euro, für jedes danach geborene Kind 300 Euro. Um diese Zulagen zu erhalten, müssen Verbraucher aber einen Antrag stellen. Wer das nicht jedes Jahr aufs Neue machen möchte, kann über seinen Anbieter einen Dauerzulagenantrag stellen. Darauf weist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hin. In diesem Fall verlängert sich der Antrag von Jahr zu Jahr.

Wichtig zu beachten: Der Dauerzulagenantrag sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und geänderten Lebenssituationen angepasst werden. Hat der Sparer ein Kind bekommen, hat das auch Einfluss auf die Zulagenansprüche ändern. Mögliche Änderungen sollte er dann schnellstmöglich dem Versicherungsunternehmen mitteilen.(dpa)

Doch dann war da noch dieses zweite Ereignis, sechs Tage zuvor: Keine drei Kilometer entfernt, im schicken Hilton-Hotel nahe dem Gendarmenmarkt, stellten die Journalisten Wigbert Löer und Oliver Schröm ihr Buch „Geld Macht Politik“ vor. Sie hatten dafür Tausende Unterlagen gewälzt, die ihnen aus dem Inneren des einstigen Finanzdienstleisters AWD zugespielt wurden. Der „Allgemeine Wirtschaftsdienst“ hatte mit Finanzprodukten, Fonds und eben Riester-Verträgen gute Geschäfte und seinen Chef zum Millionär gemacht: den schillernden Unternehmer Carsten Maschmeyer aus Hannover, heute 55 Jahre alt.

Die Vertriebsmethoden des AWD waren stets umstritten, viele Bürger verloren Geld, der Staatsanwalt ermittelt. Auch die Männerfreundschaft zwischen Maschmeyer und dem Machtmenschen Schröder war schon vorher legendär. Als neu wurde nach der Buchvorstellung vor allem berichtet, dass Maschmeyer den frisch ausgeschiedenen Kanzler 2005 zum Millionär machte: Laut den Unterlagen zahlte Maschmeyer ihm zwei Millionen Euro Vorschuss für die Buchrechte an seinen Memoiren – obwohl er vom späteren Verlag maximal eine Million dafür bekam.

Enge Kontakte zur Regierung

Doch interessanter als dieses Geschenk ist all das, was Maschmeyer zuvor in seine Beziehung zu Schröder steckte, wie das das Buch nun zeigt: Ausgerechnet der Mann, der mit dem aggressiven Verkauf zwielichtiger Finanzprodukte an möglichst uninformierte Bürger Millionen verdiente, pflegte enge Kontakte zu der Regierung, die der Rentenversicherung eine neue „Säule“ hinzufügte – und diese den privaten Versicherungsfirmen überließ.

„Schröder öffnete die Rente für den Kapitalmarkt“, beschreibt es der Publizist Albrecht Müller, Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter und langjähriger Kritiker der Reformen, „und Maschmeyer hatte zuvor die Rolle der Brechstange gespielt.“ Maschmeyer, der AWD 2009 verließ, bestritt oft, seine Verbindung zu Schröder für seine geschäftlichen Interessen genutzt zu haben. Er habe Schröder und Riester ja nicht einmal gekannt, als sie die subventionierte Privatvorsorge einführten.

Doch Maschmeyer hat auch selbst ein Buch geschrieben: In „Selfmade“ (2012) erklärt er die Bedeutung des Netzwerkens. „Zahlen Sie regelmäßig auf Ihr Networking-Sparkonto ein“, rät er. Nettigkeiten und Gefälligkeiten seien eine Investition, die man einzahlte – bis man irgendwann eine Abhebung macht.

Das neue Enthüllungsbuch zeigt nun, wie der AWD-Chef sich leise, aber gewaltig an Schröder heranrobbte. Der Start: Als der noch Niedersachsens Ministerpräsident war, aber seine Wiederwahl ihn 1998 zur SPD-Kanzlerkandidatur verhelfen sollte, zahlte Maschmeyer 650 000 Mark für eine Anzeigenkampagne pro Schröder. „Dass ein Unternehmer an einem so entscheidenden Moment in der Karriere eines Politikers so direkten Einfluss auf die politische Willensbildung nimmt, ist herausragend“, sagt der Grünen-Finanzexperte im Bundestag, Gerhard Schick, der selbst ein Buch über die Beeinflussung der Finanzbranche veröffentlicht hat.

Den Kanzler umgarnt

Das Spektrum des Lobbyismus sei dabei breit: von Anzeigenkampagnen über Expertenpapiere für den Bundestag bis hin zu Spenden und persönlichen Beziehungen. Über die enthüllten AWD-Dokumente staunte er dennoch: Eine solche Vermischung privater und politischen Interessen wie zwischen Maschmeyer und Schröder ragten dennoch heraus. „Ich finde, dazu muss sich Gerhard Schröder erklären“, fordert Schick.

So umgarnte Maschmeyer den zum Kanzler aufgestiegenen Schröder so lange, bis er 2004 persönlich auf einer AWD-Tagung auftrat. „Sie als AWD-Mitarbeiter erfüllen eine staatsersetzende Funktion“, habe Schröder den Angestellten mitgegeben. „Sichern Sie die Rente Ihrer Mandanten, denn der Staat kann es nicht!“

Die einzigen Sieger des neuen Systems, bilanziert etwa der Chef des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, seien „die Anbieter der kapitalgedeckten Vorsorge, die stets ihre Kosten und Boni abzwacken, unabhängig davon, ob sich das Spiel rentiert.“ Damals war Maschmeyer so begeistert, dass er dem Kanzler Honorar anbot – was das Kanzleramt abbog.

Weniger heikel sind Dankbarkeiten nach Ausscheiden aus dem Amt. So fand Schröders Reform-Kronzeuge und externer Renten-Berater Bert Rürup einen lukrativen Wirtschaftsjob: Er gründete mit Maschmeyer eine Beraterfirma. Arbeitsminister Riester wurde nach dem Ende von Rot-Grün zu einem der Abgeordneten mit den höchsten Nebenverdiensten – AWD und andere Finanzfirmen buchten ihn als gutbezahlten Redner. Eine Anstellung fand er auch: als „Berater“ der Firma von Rürup und Maschmeyer.

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