GrippewelleWarum sich eine Impfung immer noch lohnen kann

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Ein Kinder im Bett mit Kuscheltier.

Kinder gegen Grippe impfen, um andere zu schützen, hält Kinderarzt Axel Gerschlauer nicht für sinnvoll.

Ob die diesjährige Grippewelle schlimm wird, kann noch niemand sagen. Experten geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum aktuellen Krankheitsgeschehen.

Die Grippewelle nimmt Fahrt auf und Mediziner und Epidemiologen treibt in diesem Jahr ein gewisses Unbehagen um. Grund ist der schwere Verlauf der letzten Grippewelle auf der Südhalbkugel. „Wir gucken nervös auf die nächsten Wochen“, sagt Kinder- und Jugend-Mediziner Axel Gerschlauer aus Bonn, nordrheinischer Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum aktuellen Geschehen.

So ist der Stand der Dinge

In der ersten Woche des neuen Jahres wurden dem Robert Koch Institut (RKI) 5852 Fälle mit Influenzavirusinfektionen gemeldet, mehr als in den Wochen zuvor seit Beginn der klassischen Grippesaison Anfang Oktober. Damit war zu rechnen, ab Januar steigen die Grippefälle traditionell deutlich an. „Wir Kinder- und Jugendärzte sind Saisonarbeiter, und aktuell ist Saison“, sagt Gerschlauer. Aussagen darüber, ob uns eine eher milde oder eher schwere Grippewelle bevorsteht, könnten aber noch nicht getroffen werden, das Grippevirus sei wegen seiner Wandlungsfähigkeit ein ziemlich unberechenbares „Viehch“.

Wie sieht es im Vergleich zur Vorsaison aus?

Die Grippewelle vor einem Jahr war ungewöhnlich, da sie sich schon vor Weihnachten aufgebaut hatte. Mediziner erklärten das damit, dass die Immunität der Bevölkerung gegen Influenzaviren während der Corona-Pandemie abgenommen habe.

Hinzu kam, dass es Lieferengpässe bei Fiebersäften und Antibiotika für Kinder und zu geringe Kinderbetten-Kapazitäten in den Krankenhäusern gab. Aktuell gibt es vor allem beim Antibiotikum Penizillin Engpässe. Es wird gegen bakterielle Infektionen mit Streptokokken eingesetzt – und diese werden durch eine Grippeinfektion begünstigt.

Welche Rolle spielt für uns die Grippewelle auf der Südhalbkugel?

Die Südhalbkugel ist uns beim Grippegeschehen immer ein halbes Jahr voraus, dort erreichen die Influenza-Infektionen in unseren Sommermonaten ihren Höhepunkt. In diesem Jahr war die Grippewelle dort besonders schwer. Das kann ein Indiz dafür sein, wie bei uns die Grippesaison abläuft. Andererseits werden die Impfstoffe bei uns den Infektionen auf der Südhalbkugel angepasst.

In diesem Jahr ist der Virus-Subtyp A/H1N1 offenbar vorherrschend, zuletzt war es A/H3N2. Nach RKI-Angaben ist der Typ A/H1N1, die sogenannte Schweinegrippe, erstmals während der Influenza-Pandemie 2009 aufgetreten und zuletzt deutlich in der Saison 2018/19. Bei Grippewellen, in denen Vieren von diesem Typ dominierten, sei bislang zu beobachten gewesen, „dass es auch bei jüngeren Erwachsenen und Kindern zu sehr schweren Erkrankungen und Todesfällen gekommen ist, insbesondere beim Vorliegen von Grundkrankheiten“, heißt es vonseiten des RKI. Insgesamt seien solche schweren Verläufe bei jungen Menschen aber selten.

Und nun? Jetzt noch impfen?

„Wer zur Gruppe derjenigen gehört, denen die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Grippeimpfung empfiehlt, sollte sich unbedingt noch impfen lassen“, sagt Gerschlauer, „vor allem Menschen mit chronischen Krankheiten“. Diese unterschätzten häufig das Risiko für sich selbst und für die Verbreitung des Grippevirus insgesamt und verzichteten deshalb auf eine Impfung. Die Stiko rät Menschen über 60 Jahren und allen mit einem erhöhten Risiko für schwere Grippeverläufe aufgrund von Vorerkrankungen zu einer Impfung. Geimpfte erkranken im Mittel weniger schwer.

Sollen auch Kinder geimpft werden?

BVKJ-Präsident Michael Hubmann hatte zuletzt überraschend die Grippeimpfung ab dem Kleinkindalter für alle Kinder als medizinisch sinnvoll erklärt. Das widerspricht den Empfehlungen der Stiko. Anders als bei Corona seien Kinder bei der Grippe tatsächlich „der Zunder, sie verteilen das Virus“, sagt Axel Gerschlauer. Sie zu impfen, um Risikopersonen zu schützen, hält er allerdings nicht für sinnvoll: „Oma und Opa sollten sich erstmal selbst impfen lassen.“

Eine Impfempfehlung der Stiko für Kinder würde er dennoch begrüßen, da die Impfung dann für alle Kinder von den Krankenkassen bezahlt würde. Gerschlauer sagt: „Es wäre schön, wenn Eltern frei entscheiden könnten.“ Wer sein Kind auf eigene Kosten impfen will, sollte das sehr zeitnah tun. Kinder unter neun Jahren und ohne eine vorherige Grippeimpfung bekommen, anders als Erwachsene (nur ein Piks), zwei Impf-Dosen im Abstand von vier Wochen.

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