„Dieses Jahr viel mehr Zecken“Wer sich jetzt schnell gegen FSME impfen lassen sollte

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Eine Zecke klettert auf einem Grashalm hinauf.

Durch einen Zeckenstich kann das Virus FSME übertragen werden.

Wie hoch ist das Risiko, sich durch eine Zecke mit FSME zu infizieren? Und für wen empfiehlt sich eine Impfung? Ein Virologe gibt Tipps.

Augen auf nach dem Zeckenstich: Schon Kinder wissen, dass eine Zecke Gefahren in Form von Krankheiten mit sich herumtragen kann. Eine davon ist die „Frühsommer-Meningoenzephalitis“ (FSME), die durch das gleichnamige FSME-Virus ausgelöst wird. In Risikogebieten trägt rund ein Prozent der Zecken das Virus in sich. Virologe und FSME-Experte Gerhard Dobler beantwortet für uns die wichtigsten Fragen.

Wie groß ist derzeit die Gefahr, sich mit FSME zu infizieren?

„Unseren Daten nach ist das Risiko in diesem Frühjahr höher als in den letzten Jahren“, sagt Gerhard Dobler. „Es gibt zum einen momentan sehr viel mehr Zecken, zum anderen finden wir das Virus derzeit früher in den Tieren als sonst.“ Das zeige sich auch in den Erkrankungszahlen, die jetzt bereits so hoch seien wie sonst erst Ende Juni.

Warum ist die Zeckendichte dieses Jahr so hoch?

„Die Zeckenzahlen haben sich bereits in den Frühlingen der letzten Jahre deutlich gesteigert. Eine Ursache sind sicherlich die milden Winter, in denen die Zecken besser überleben können“, erklärt Dobler. Dadurch gebe es im Frühjahr mehr Zecken – gerade im April, Mai und Juni, wenn auch die höchste Zeckenaktivität stattfinde und die Gefahr einer FSME-Übertragung bestehe. „Nach den kalten Wintermonaten genießen aber gerade dann auch wieder viele Menschen die Natur und sind in dieser Zeit den Zecken besonders ausgeliefert.“ Im Sommer normalisiere sich die Ansteckungsgefahr wieder, da viele Zecken das trockene und heiße Klima nicht überlebten.

Wo gibt es besonders viele Zecken?

„Das kann man nicht pauschal sagen, das hängt auch von ökologischen Begebenheiten ab. In Fichtenwäldern gibt es zum Beispiel weniger Zecken als in Mischwäldern“, sagt Gerhard Dobler. „Vor allem aber in Süddeutschland müssen wir mit Zecken und auch der FSME rechnen. In Bayern gab es allein in diesem Jahr schon 28 FSME-Fälle.“ Insgesamt seien in den letzten Jahren in Deutschland zwischen 500 und 700 FSME-Fälle aufgetreten.

Wie groß ist die FSME-Gefahr für den Raum Köln?

„Der Raum Köln ist kein Risikogebiet, hier gab es bisher für dieses Jahr noch keinen FSME-Fall.“ Aber auch in Nordrhein-Westfalen habe die Zahl der Zecken in den letzten Jahren leicht zugenommen. „Es bewegt sich aber auf dem niedrigen Niveau von drei bis vier FSME-Fällen pro Jahr.“

Virologe und FSME-Experte Dr. Gerhard Dobler

Dr. Gerhard Dobler ist Virologe am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München und Leiter des Nationalen Konsiliarlabor FSME.

Welche Urlaubsregionen sind derzeit FSME-Risikogebiet?

„Dazu zählt derzeit der Raum Süddeutschland, aber auch Nachbarländer wie Österreich, die Schweiz, Tschechien, Slowakei oder Slowenien“, sagt Dobler.

Empfiehlt sich eine Impfung für Urlauber?

„Menschen, die sich in diesen Risikogebieten aufhalten und mit der Natur Kontakt haben, in den Bergen oder Wäldern wandern, empfehle ich eine FSME-Impfung“, sagt Experte Dobler. Selbst ein drei- bis vierstündiger Aufenthalt könne ausreichen, um sich eine FSME zu holen.

Sollte man sich auch in Köln gegen FSME impfen lassen?

„Ich würde nicht jedem Kölner, der mal im Wald spazieren geht, eine FSME-Impfung empfehlen“, erklärt Dobler. Menschen, die häufig im Wald unterwegs seien und auch Forst- oder Landwirtschaftsarbeiter könnten jedoch überlegen, sich impfen zu lassen. „Das muss aber jeder individuell entscheiden.“

Wie lange dauert es, bis der volle Impfschutz erreicht ist?

„Benötigt werden zwei Impfungen, nach etwa 40 Tagen hat man einen guten Impfschutz“, sagt Dobler. Es gebe auch ein schnelleres Verfahren, aber selbst das dauere mindestens drei Wochen. „Damit es mit dem FSME-Impfschutz noch klappt, sollten Urlauber also jetzt schnell handeln.“

Wie sieht ein typischer FSME-Verlauf aus, und welche Symptome gibt es?

„Das Spektrum ist wie auch bei anderen Virusinfektionen breit“, sagt Gerhard Dobler, „bei der FSME kann ein schwerer fieberhafter Infekt auftreten, der zu 85 Prozent im Krankenhaus behandelt werden muss. Das ist die milde Verlaufsform.“ Bei der schlimmeren Form sei das Gehirn mit betroffen. „Haben Patienten starke Kopfschmerzen, hohes Fieber, Übelkeit und Nackensteifigkeit, können das Zeichen einer Hirnhautentzündung sein.“ Kämen Schläfrigkeit, Orientierungslosigkeit, Lähmungen oder sogar Herz- und Atemschwierigkeiten dazu, seien auch die tieferen Hirnregionen betroffen. „Dann liegt eine Hirn- oder Rückenmarksentzündung vor.“ Diese Erkrankungen könne man nicht therapieren. „Etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten mit diesen schweren Verlaufsformen tragen dauerhafte Schäden davon.“

Wann zeigen sich erste Symptome nach einer Infektion?

„Das Virus wird direkt nach dem Stich mit Beginn des Blutsaugens übertragen, aber es gibt auf der Haut keine Symptome“, sagt Dobler. „Die fieberhafte Form der FSME tritt etwa fünf bis acht Tage nach dem Zeckenstich auf. Die schwere Form durchschnittlich etwa zwanzig Tage nach dem Stich.“ Weil sich diese Symptome nicht so leicht zuordnen ließen, käme es darauf an, dass Ärzte eine gründliche Anamnese machten und Patienten fragen, ob sie zuletzt in einem Risikogebiet von einer Zecke gestochen worden seien.

Sind Kinder besonders FSME-gefährdet?

„Kinder sind nicht besonders gefährdet“, erklärt Gerhard Dobler, „sie kriechen aber auch mal ins Gebüsch, haben dadurch mehr Zecken, was das Risiko einer Infektion erhöht.“ Statistisch gesehen erkrankten Kinder weniger schwer an FSME als Erwachsene, es könne aber auch schwere Fälle geben.


Zecken richtig entfernen: Zecken sollten so schnell wie möglich entfernt werden. Dazu die Zecke mit einer Zeckenkarte oder einer Pinzette am Kopfbereich, möglichst nah an der Haut, greifen und langsam gerade herausziehen. Bleibt ein Stück der Zecke stecken, kann ein Arzt oder eine Ärztin beim Entfernen helfen.

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