Besuch von ScharrenbachEuskirchen und Bad Münstereifel erhalten 272 Millionen Euro

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Über den Fortschritt der Pflasterarbeiten informierte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian die Ministerin.

Über den Fortschritt der Pflasterarbeiten informierte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian die Ministerin.

Euskirchen/Bad Münstereifel – In der Euskirchener Stadtbibliothek war die Stimmung gut. Kein Wunder: NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) hatte gerade verkündet, dass das Land gut 96,7 Millionen Euro an Fördermitteln auszahlt, mit der die Kreisstadt nach der Hochwasserkatastrophe den Wiederaufbau ihrer Infrastruktur finanzieren wird.

„Hast du einen großen Koffer mit?“, rief der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Voussem spaßeshalber dem städtischen Kämmerer Klaus Schmitz zu. Damit spielte Voussem auf den Umstand an, dass es sich um die größte Förderung in der Geschichte Euskirchens handelt, wie Scharrenbach soeben erklärt hatte. Wobei sich alle Beteiligten angesichts des Anlasses für den Bewilligungsbescheid im Klaren darüber waren, dass man auf dieses Geld durchaus gerne verzichtet hätte.

Fördermittel bieten Planungssicherheit

Wie auch immer: Kämmerer Schmitz hat nun Planungssicherheit, was die Mittel anbelangt, die der Stadt für die Umsetzung des Wiederaufbauplans zur Verfügung stehen. Die entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die Ministerin und Bürgermeister Sacha Reichelt (parteilos).

In der Stadtbibliothek Euskirchen unterschrieben Sacha Reichelt und Ina Scharrenbach die Vereinbarung über die Förderung.

In der Stadtbibliothek Euskirchen unterschrieben Sacha Reichelt und Ina Scharrenbach die Vereinbarung über die Förderung.

Die Bibliothek als Ort für die Übergabe hatte die Stadtverwaltung nicht von ungefähr ausgewählt. Nachdem die Einrichtung, die zum Kulturhof in der Wilhelmstraße gehört, von der Flut im Juli 2021 zu großen Teilen zerstört worden war, steht nun die Wiedereröffnung bevor. In den frisch sanierten Räumen, so hieß es, könne man deutlich sehen, „was mit Engagement und guter Zusammenarbeit in kurzer Zeit zu erreichen ist“.

Dank für Verwaltungsmitarbeiter

Scharrenbach dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die intensive Arbeit, die es ermöglicht hatte, den Wiederaufbauplan im gesetzten Zeitrahmen zu erstellen und im März beim Land Nordrhein-Westfalen einzureichen. Dies gelang , obwohl im Januar überraschend Oliver Knaup gestorben war, der bei dem Großprojekt als Technischer Beigeordneter die Fäden in der Hand hatte.

Als größte Kostenblöcke im Wiederaufbauplan nannte sie die Ausgaben für Neubau und Sanierung von Kitas und Schulen in Höhe von 34 Millionen Euro sowie die Neuerrichtung des City-Forums an anderer Stelle (in der City Süd), für die 32 Millionen Euro veranschlagt sind. Die Arbeiten an Turnhallen und anderen Sportstätten schlagen nach jetzigem Stand mit 19 Millionen Euro zu Buche.

77 Millionen für Privathaushalte

Bibliothek öffnet am Samstag

Die Wiederherstellung der Stadtbibliothek im Kulturhof ist schon weit fortgeschritten. Sie wird an diesem Samstag neu eröffnet, wie Bürgermeister Sacha Reichelt am Dienstag ankündigte. Damit kann sie ihr Ausweichquartier im AOK-Haus an der Kaplan-Kellermann-Straße verlassen, das sie im September bezogen hatte.

„Der Veybach, der – wenn auch unterirdisch – ganz in der Nähe verläuft, hatte hier im Juli voll zugeschlagen“, erklärte Reichelt der Ministerin in der renovierten Bibliothek.

Die Mitarbeiterinnen Steffi Heidt und Christiane Funken zeigten den Besuchern, darunter Landrat Markus Ramers (SPD), wie hoch das Wasser nach der Überflutung im Parterre gestanden hatte. Als einzige Einrichtungsgegenstände aus dem Erdgeschoss überstanden ein Regal und ein Tisch die Katastrophe. (ejb)

Private Bewilligung

In Euskirchen sind nach Angaben von Ina Scharrenbach von privater Seite 1881 Anträge auf Mittel für den Wiederaufbau eingereicht worden. Davon seien 1852 in der Bewilligungsphase. 51,6 Millionen Euro seien „in Auszahlung“. Dies sei für eine Kommune die bisher höchste Summe in NRW.

In Bad Münstereifel befinden sich von 662 privaten Wiederaufbauanträgen 645 „in Auszahlung“. Die Summe beträgt 26,1 Millionen Euro. (ejb/ets)

„Auch wenn der Wiederaufbau eine umfangreiche Aufgabe sein wird, die die Stadt Euskirchen noch einige Jahre beschäftigen und prägen wird, zeigt sich, dass man auf einem guten Weg ist, das Heimatstädtchen zukunftsträchtig wiederaufzubauen“, ließ sich Bürgermeister Reichelt nach dem Übergabetermin in einer Pressemitteilung zitieren.

Warten hat sich gelohnt

Während die Ministerin sich in Euskirchen noch den Fortschritt im Schuhhaus Lange anschaute, warteten im historischen Ratssaal in Bad Münstereifel bereits Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU), Kämmerer Kurt Reidenbach, Wiederaufbaumanager Frank Böttcher sowie Mitarbeiter von Verwaltung und Vertreter der Ratsfraktionen. Mit 33 Minuten Verzögerung traf Ina Scharrenbach ein – und das Warten war jede Sekunde wert.

Auf 175 652 121 Euro beläuft sich die bewilligte Fördersumme für den Wiederaufbau. Beantragt worden waren, nach Abzug der Vorsteuer, rund 430 000 Euro mehr. Scharrenbach gab außerdem einen Überblick über die größten Positionen. Allein 65 Millionen Euro verschlingt die Instandsetzung von Straßen und Wirtschaftswegen. Der Wiederaufbau und Erhalt des Stadtarchivs, das im Keller des Rathauses untergebracht war, kostet schätzungsweise 17,5 Millionen Euro. Die Sanierung von Schulen und Kindergärten beläuft sich auf 10,3 Millionen Euro. Genauso teuer wird der Aufbau eines Feuerwehrgerätehauses in Bad Münstereifel. 9,1 Millionen Euro kostet die Erneuerung der zerstörten und beschädigten Sportstätten.

Große Ziele mit Wiederaufbauplan

Erst am 29. März hatte der Rat den Wiederaufbauplan beschlossen, also vor weniger als einem Monat. „Und jetzt stehen wir schon hier“, sagte eine hocherfreute Bürgermeisterin. Die Ziele sind noch groß: In gut zwei Monaten soll die Kernstadt wieder sicher begehbar sein. Ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste stehen der Wiederaufbau der Erftmauern auch in den Dörfern, die Sanierung der Kitas und Schulen. „Und dann müssen wir noch unser Integriertes Stadtentwicklungskonzept und den Wiederaufbau unter einen Hut bekommen“, sagte Preiser-Marian.

Mit Freude unterzeichnete Sabine Preiser-Marian (r.) den von Ina Scharrenbach (links: Klaus Voussem) überreichten Förderbescheid.

Mit Freude unterzeichnete Sabine Preiser-Marian (r.) den von Ina Scharrenbach (links: Klaus Voussem) überreichten Förderbescheid.

Deutlich wurde, dass die Flutkatastrophe des 14. Juli und die Zeit danach zu einer Verbundenheit der Verwaltungschefinnen geführt hat. Ina Scharrenbach war stets ansprechbar – zumindest, wenn die Telekommunikation es zuließ. Denn die ersten Versuche, Sabine Preiser-Marian zu erreichen, schlugen im Juli fehl. „Ich weiß noch genau, wie wir mit den Mitarbeitern drei Stunden einfach nur zusammengesessen haben“, sagte Scharrenbach. Der Enthusiasmus der Münstereifeler habe sie von Anfang an begeistert. Und auch die Verwaltungsmitarbeiter seien Tag und Nacht bis zum Ende ihrer Kräfte tätig gewesen.

Bürgermeisterin lobt gute Zusammenarbeit

Sabine Preiser-Marian dankte Ina Scharrenbach nicht nur für den Bewilligungsbescheid, sondern auch dafür, dass sie „immer ein gutes Wort zur Motivation“ für die selbst vom Hochwasser gebeutelten Mitarbeiter hatte. „Wir wären lange nicht da, wenn die Zusammenarbeit nicht so gut gewesen wäre“, sagte die Bürgermeisterin, die auch den Zusammenhalt der Ratsfraktionen betonte: „Wir haben nicht gestritten, wir wussten, was wir wollten, und wir haben uns solidarisch unterstützt“, sagte sie.

Bei dieser oft unkomplizierten Unterstützung durch das Ministerium soll es auch bleiben. Scharrenbachs Notizblock füllte sich während des Termins mit weiteren Themen, die sie abklären möchte, etwa wann das Geld an den TSV Schönau ausgezahlt wird, der seinen Sportplatz in Eigenregie aufbauen möchte. Gleichzeitig kündigte sie bereits an, dass auch die Handwerkskammern eingreifen möchten und mit den Kommunen abstimmen, wann Arbeiter aus den unterschiedlichsten Gewerken benötigt werden.

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Unabhängig vom Ergebnis der Landtagswahl will Ina Scharrenbach wiederkommen. Denn ein Ziel hat sie noch: Die verschlammte Bierflasche aus dem Brauhaus, die sie erhalten hat und die immer noch auf ihrem Schreibtisch steht, will sie gegen ein frisches Bier austauschen, weshalb sie neugierig fragte: „Was macht denn die Bierbrauerei?“

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