Gisela Walsken im Interview„Köln muss sich um neue Schulplätze kümmern"

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Nach zwölf Jahren Abschied von Köln: Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD)

  • Kölns Regierungspräsidentin muss nach zwölf Jahren den Schreibtisch räumen.
  • Ihr Verhältnis zur Stadt Köln war wegen des Schulplatzmangels zuletzt angespannt.
  • Nachfolger Thomas Wilk (SPD) hat zuvor im Kommunalministerium gearbeitet.

Köln – Frau Walsken, nach zwölf Jahren als Regierungspräsidentin in Köln ist am kommenden Mittwoch Schluss. In Ihre Amtszeit fallen die Flüchtlingskrise 2015, Corona, die Hochwasser-Katastrophe und zuletzt die Folgen des Ukraine-Kriegs. Lauter Krisen. Sie wirken irgendwie erleichtert. Gisela Walsken: Sagen wir so. Ich bin jetzt nicht mehr traurig. Die Nachricht kam ohne Vorwarnung, weil Herr Kutschaty als SPD-Fraktionschef im Landtag nicht einbezogen war. Erleichtert nicht. Es gibt viele Sachen, bei denen ich hoffe, dass mein Nachfolger sie weiterführt.

Mussten Sie nach der Pleite der SPD bei der Landtagswahl nicht damit rechnen?

Dass die Landesregierung für die SPD einen eigenen Kandidaten aussucht, damit habe ich nicht gerechnet. Normalerweise geschieht das im Dialog mit dem Fraktionschef. Thomas Kutschaty hatte der neuen Landesregierung gesagt, dass die SPD mit mir in Köln gern weitermachen würde. Alle Regierungspräsidenten wurden ausgetauscht. Das gab es vorher so noch nicht. Ich hätte es mir anders gewünscht, aber es ist jetzt nicht lebensbedrohlich.

Alles zum Thema Herbert Reul

Ist das Politgeschäft damit für Sie erledigt?

Mit 64 Jahren bin ich noch nicht im Pensionsalter und würde noch ganz gerne der Region verbunden bleiben.

Oberbürgermeister-Kandidatin für die SPD? In Köln? Oder in Ihrer Heimatstadt Duisburg?

Über so etwas reden wir gar nicht. Ich habe hier mehr als 2000 Leute über zwölf Jahre geführt. Ich habe eine Menge angestoßen in der Region. Von daher traue ich mir schon etwas zu.

Bei der OB-Wahl 2020 hat die SPD händeringend einen Kandidaten oder eine Kandidatin gesucht?

Ich werde dazu nichts sagen. Definitiv nicht. Wir haben hier in Köln eine gewählte Oberbürgermeisterin.

Wie sehen Sie die Situation der Schulen in Köln?

Meine erste Botschaft lautet: Die Stadt muss sich jetzt mit Riesenanstrengungen – auch als Chefsache der Oberbürgermeisterin – um neue Schulplätze kümmern. Die zweite Botschaft: Es wird nicht mehr so sein, dass wir als Bezirksregierung jedes Jahr die Zügigkeit der Schulen erweitern und Mehrklassen einrichten können. Der Schulbau muss bei der Stadt Köln erste Priorität haben.

Die Stadt Köln war beim Schulbau zu lange im Schlafwagen-Modus?

Ich kann nur sagen: Es wird ab nächstem Jahr keine Mehrklassen mehr geben. Das geht nicht mehr. So ist der Plan.

Und das zieht die Bezirksregierung durch? Ja.

Hätten Sie das eventuell schon früher tun sollen, um den Druck auf die Stadt zu erhöhen?

Ich empfehle meinem Nachfolger, auch dabei zu bleiben, sonst entstehen die Plätze am Ende nicht. Es kommen ja auch noch die ukrainischen Kinder hinzu. Das verschärft die Problematik.

Ohne Druck macht die Stadt Köln also nichts?

Die Dramatik ist angekommen. Vor ein paar Wochen hat uns die Stadt Köln erste Überlegungen vorgelegt, wie man Schulplätze schaffen möchte. Auch mit kurzfristigen Lösungen.

Also Container? Lieber auf Lehrerparkplätzen oder auf dem Schulhof?

Dafür bin nicht ich zuständig, sondern die Stadt Köln. Die Bezirksregierung muss das Raumprogramm prüfen und die Lehrer zuzuweisen. Ich habe mit meinem Haus über Jahre geholfen. Der Schulentwicklungsplan muss jetzt höchste Priorität haben. Denn es geht um die Kinder. Die müssen wir doch unterbringen.

Und das Anmeldeverfahren? Damit ist die Stadt Köln ja zuletzt nicht gut gefahren.

Wir können das Anmeldeverfahren hundert Mal ändern, es ersetzt nicht die fehlenden Schulplätze.

Die Bezirksregierung hat in Köln und Siegburg zuletzt die Verfahren der Dezernenten-Wahlen für rechtswidrig erachtet oder die Eignung der Kandidaten abgelehnt. Hat die Bezirksregierung bei diesen Verfahren die Daumenschrauben angezogen?

Nein, hat sie nicht. Wir haben keine Daumenschrauben angezogen, sondern haben die Regeln überall gleich angewendet. Wir haben uns jeweils eng abgestimmt mit den zuständigen Stellen des NRW-Kommunalministeriums. Es gibt auch Städte, die holen sich vorher Rat bei uns, ob das Profil passt, oder ob das Verfahren geeignet ist. In Köln ist das leider immer erst hinterher passiert. Es gibt einheitliche Kriterien, die wir allen Kommunen geschickt haben.

Sie empfehlen den Kommunen also, sich vorher mit der Bezirksregierung abzustimmen?

Da sind wir offen, aber es gibt keine Verpflichtung dazu. Dass es in Köln mehrere Fälle waren, lag nicht daran, dass wir besonders streng waren, sondern dass uns Fraktionen aus dem Stadtrat und von Mitbewerbern und Mitbewerberinnen Kritik geübt wurde.

Wo ist es schöner? Im Ruhrgebiet oder im Rheinland?

Im Rheinland läuft vieles anders. Der Karneval hat eine große Bedeutung. Verabredungen, die man im Karneval trifft, die halten. Das war eine neue Erfahrung

Und im Ruhrgebiet? Da waren solche Bündnisse bei der SPD-Dominanz über Jahrzehnte nicht nötig.

Damit haben Sie sich die Antwort selbst gegeben (lacht). Was den Zusammenhalt angeht, ist das Ruhrgebiet seit den 1920er Jahren bestens organisiert. Im Kommunalverband Ruhrgebiet, der ja heute Regionalverband Ruhr heißt. Da gab es immer eine Organisation, wo man als Ruhrgebiet zusammenarbeitet.

Der organisierte Kölner Karneval ist auch schon 200 Jahre alt.

Ja. Aber das Festkomitee wird erstens nicht von Bürgern gewählt und ist auch nicht mit allen Regionen vernetzt. Den Zusammenhalt mit Düsseldorf kann man so nicht organisieren (lacht). Das Ruhrgebiet ist schon ein starker Partner, um sich im Land zu positionieren. Da gibt es seit langem eine Aufstellung der Regionen. Das Rheinland wird immer noch zu wenig als Metropolregion gesehen. Köln wird wahrgenommen, Düsseldorf, es gibt starke Kreise und es gibt jetzt das Rheinische Revier.

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Thomas Wilk (r.) übernimmt die Leitung der Bezirksregierung Köln von Gisela Walsken. Zum Stabwechsel kam Innenminister Herbert Reul (CDU).

Kann man den Strukturwandel im Ruhrgebiet mit dem im Rheinischen Revier vergleichen?

Nein. Im Revier hat der erst eingesetzt, als die meisten Zechen schon geschlossen waren. Wir haben im Rheinischen Revier im Vergleich dazu recht viel Zeit und rund 14 Milliarden Euro, um uns auf das Ende der Kohleverstromung vorzubereiten. Und wir haben Flächen. Zudem gibt es schon eine gemeinsame Gesellschaft, die Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Wir haben einen Vorlauf von mindestens acht Jahren.

Kommen wir zur Hochwasser-Katastrophe vom Juli 2021. Die „Aktion Deutschland hilft“ hat mehr als 280 Millionen Euro gesammelt, doch die Hälfte kann nicht ausgegeben werden, weil private Haushalte erst die staatliche Wiederaufbauhilfe in Anspruch nehmen müssen. Es könne Jahre dauern, bis der Spendentopf geleert ist. Das ist nicht gerade förderlich für die Spendenbereitschaft.

Wieso soll das Jahre dauern? Für den Regierungsbezirk Köln kann ich sagen: Die Spenden können jetzt ausgezahlt werden, wenn es bei einem Flutopfer irgendwo noch eine Finanzierungslücke gibt. Das Antragsverfahren ist aber grundsätzlich sehr flexibel und lässt jederzeit zu, Spenden für den Wiederaufbau anzunehmen. Wichtig ist, diese Spenden entsprechend zu benennen, egal in welcher Phase des Antragsverfahrens.

Alle Anträge sind also abgearbeitet?

Im Regierungsbezirk Köln sind rund 4600 private Anträge eingegangen. Mittlerweile sind fast 90 Prozent beschieden. Wichtig ist, dass bis Juni 2023 auch privat Betroffene noch Anträge stellen können.

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