Bayer PhilharmonikerBar Avni ist neue Dirigentin mit vielen Ideen und Temperament

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„Das schönste Spielfeld, das ich bislang hatte.“ Bar Avni in Aktion als Dirigentin eines Orchesters.

„Das schönste Spielfeld, das ich bislang hatte.“ Bar Avni in Aktion als Dirigentin eines Orchesters.

Leverkusen  – Auch bei virtuellen Gesprächen können Emotionen rüberkommen. Sie müssen nur echt sein. Echt wie im Falle von Bar Avni: Die junge Israelin ist ab sofort neue Dirigentin der Bayer Philharmoniker. Und weil „ab sofort“ in Pandemie-Zeiten eben irgendwie doch nicht ab sofort bedeutet, sagt sie bei ihrer Vorstellung per Internet-Meeting in die Kamera: „Ich kann es nicht mehr erwarten. Corona muss zu einem Ende kommen. Ich habe zu viele Ideen.“ Und dann lacht sie. Und man spürt auch ohne ihr Auge in Auge gegenüberzusitzen: Die meint das ernst.

Zeit für eine Veränderung

Aber deshalb haben sich die Philharmoniker ja auch diese Frau als Nachfolgerin Bernhard Steiners ausgesucht, der das traditionsreiche Orchester zehn Jahre lang geleitet hatte und dessen Vertrag nun aufgelöst wurde. „Weil man sich nach so einer langen Zeit verändern muss“, wie Konrad Fischer als Vorstand des Orchesters sagt.

Wobei das nur die halbe Wahrheit ist. Denn wahr ist auch: Steiner war innerhalb der Musikertruppe nicht unumstritten. Aus dem Umfeld war zu hören gewesen, dass manch einer mit seiner Art nicht zurecht kam. Was Fischer so kommentiert: „Bernhard Steiner war ein sehr guter Dirigent und hatte einen hohen Qualitätsanspruch.“ Was bei dem einen oder anderen schonmal zu eher schlechten Gefühlen nach einer Probe geführt habe – zumal wenn diese möglicherweise auch noch im Anschluss an einen langen Arbeitstag vonstatten gegangen sei. „Zudem war er ein schwieriger Verhandlungspartner.“ Eine Aussage, die durchaus Raum für Interpretationen lässt. Und doch habe all dies nicht den Ausschlag gegeben für den Wechsel am Pult. „Nach so langer Zeit ist ein Wechsel in der Branche üblich.“

Präzise Schlagtechnik

Nun eben Bar Avni. Eine Auswahlkommission des Orchesters sei auf sie gekommen. Sie habe sich in Interviews und mit Konzertvideos vorgestellt, sagt Fischers Vorstandskollege Notker Polley. Und den Ausschlag für ihr Engagement hätten dann drei Dinge gegeben. „Ihre extrem präzise Schlagtechnik. Ihr Temperament. Und ihr Lebenslauf.“

Was den Lebenslauf angeht: Der platzt sprichwörtlich aus allen Nähten und ist auf der Internetseite der Künstlerin nachzulesen (siehe unten). Nur soviel: Avni ist Stipendiatin des Internationalen Kurt-Masur-Instituts, steht kurz vor dem Abschluss ihres Konzertexamens an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sie hat bereits zig Kollaborationen mit internationalen Orchestern hinter sich, gewann mehrer Preise und war gar ein Jahr lang bei den Bergischen Symphonikern tätig – in der direkten Nachbarschaft also. Und nun folgt Leverkusen – für zunächst drei Jahre und gefördert von der Bayer-Kultur mit deren „StART-Programm“.

Der nächste Schritt

Avni sagt: „Es ist genau das, was ich nun brauche.“ Die Gelegenheit nämlich, langfristig mit einem Orchester zu arbeiten. Und der nächste Schritt auf ihrem Weg zur Leitung eines Profi-Orchesters, den sie irgendwann gehen wolle. Avni jedenfalls gibt sich schier aus dem Häuschen: „Ich habe die Chance, drei Jahre ein Orchester zu entwickeln. Das ist das schönste Spielfeld, das ich bislang im beruflichen Leben hatte.“

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Und so sehen ihre Pläne mit den Philharmonikern aus: Sie wolle den direkten Kontakt zum Publikum intensivieren. Wolle die Distanz brechen. Normalerweise gestalte sich die Situation im Konzertsaal ja so: „ Die Musiker haben ihren Frack an, spielen ihre Musik und gehen nach Hause. Das Publikum muss dasitzen und brav zuhören und darf zwischen den Sätzen nicht klatschen.“ Und genau das wolle sie überwinden.

Musikalischer Crossover

Denn: „Es geht doch um ein gemeinsames Erlebnis!“ Die Musiker ins Publikum. Das Publikum auf die Bühne, Gespräche und Applaus mittendrin – alles sei möglich. Zudem wolle sie den musikalischen Crossover wagen: „Es interessiert mich, unterschiedliche Genres auf die Bühne zu bringen. Ich dirigiere Mozart und Mahler und alle Meister sehr gerne. Aber ich mache auch viel neue Musik.“ Zeitgenössische. Und populäre. Und die wolle sie nun auch mit den Philharmonikern wagen.

Kein Zweifel: Sie hat eine Vision, diese Bar Avni. Und sie kann Emotionen. Es gibt schlechtere Voraussetzungen für ein Engagement.

www.baravni.com

www.bayer-philharmoniker.de

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