Kita-Notstand in LeverkusenAn der Zeitarbeit in Kitas scheiden sich die Geister

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Blick in die Garderobe einer Kita Biberburg.

Voll besetzt: Die Garderobe einer Kita.

Weiter fehlen mehr als 1000 Kita-Plätze in der Stadt, der Stadtelternrat lehnt die Planung für das kommende Betreuungsjahr ab.

Ist Zeitarbeit eine Lösung auf dem Weg aus der Kita-Misere? „Auf gar keinen Fall“, sagt Axel Zens entschieden. In Awo-Kitas wird es das nicht geben. Den Ärger habe er sich schon in der Altenpflege ins Haus geholt, sagt der Leverkusener Kreisvorstand der Awo: „Das mache ich kein zweites Mal.“ Nadja Georgi (evangelischer Kita-Verband) und Inge Lütkehaus (Paritätische) sind nicht so entschlossen dagegen, können sich die deutlich teureren Arbeitskräfte aber schlicht nicht leisten. „Die finanzielle Situation ist absolut prekär“, klagt Lütkehaus. „Daran ändert auch das angebliche Rettungspaket nichts. Wir könnten auch pleitegehen.“

Die Stadt hat einen Rahmenvertrag mit einer Zeitarbeitsfirma abgeschlossen. „Das ist politisch so gewollt“, sagt Dezernent Marc Adomat. Allerdings wurde bislang eine einzige Erzieherin darüber rekrutiert. Ein Problem sind nicht nur die deutlich höheren Kosten für Zeitarbeitskräfte – sie bringen auch Unruhe in die Mitarbeiterschaft, sagt Adomat: „Diese Kolleginnen werden deutlich besser bezahlt, sie müssen keine Bildungsdokumentationen schreiben und keine Elterngespräche führen.“ Jörg Schmitz vom Erzbistum Köln sah das für die katholischen Kitas ähnlich: „Das ist gefährlich. Aber im Notfall nehme ich lieber die Betreuungssicherheit und nehme die Nachteile in Kauf.“ In den Caritas-Kitas allerdings werde es keine Zeitarbeit geben, stellt Direktor Wolfgang Klein klar.

Imagefilm für den Erzieher-Beruf

So unterschiedlich die Meinungen zum Thema Zeitarbeit, so einig sind sich alle Akteure in der Kinderbetreuung, dass sie nur gemeinsam gegen den Notstand ankämpfen können. „Ich gebe zu, früher habe ich die freien Träger als Konkurrenz gesehen, schließlich will man seine städtischen Kitas gefüllt sehen“, gesteht Adomat. Diese Meinung hat er geändert: Jeder Kita-Platz ist gleich wertvoll, und deswegen will man sich nicht um das rare Personal streiten, sondern gemeinsam Werbung für den Beruf und den Standort Leverkusen machen: Großflächige Plakatwerbung, ein Imagefilm mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Einrichtungen und ein Karrieretag speziell für Erzieherinnen sind in Vorbereitung.

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30 neue Plätze für die praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher müssen nur noch politisch beschlossen werden und sollen dann zum neuen Ausbildungsjahr an den Start gehen. Auch der Einsatz ausländischer Fachkräfte kommt voran: Im Mai oder Juni sollen die ersten beiden spanischen Erzieherinnen ihre Arbeit in Leverkusen aufnehmen.

Trotz aller Bemühungen: Die Not bleibt groß. 50 Erzieherstellen sind weiter unbesetzt, vier Kindertagesstätten sind aktuell von reduzierten Öffnungszeiten betroffen, vier weitere haben regelmäßige Gruppenschließungen. In der Kitaplatz-Planung für 2024/25, die der Kinder- und Jugendhilfeausschuss am Donnerstagabend verabschiedete, stehen erneut mehr als 1000 fehlende Betreuungsplätze. 

Stadtelternrat gegen Kita-Planung

Der Abstimmung vorausgegangen war eine vom Stadtelternrat angestoßene Diskussion. „Wir können nur daran appellieren, die Liste so nicht abzusegnen“, sagt Sarah Kinzel, die vom Stadtelternrat als beratendes Mitglied im Kinder- und Jugendhilfeausschuss sitzt. „Wir sind der Meinung, dass die Bedarfe nicht konkret genug erhoben wurden.“ Der größte Teil der in Leverkusen angebotenen Kita-Plätze sind für eine 45-Stunden-Betreuung. Das sei auch das, was Eltern fordern, sagt Adomat. Kinzel entgegnet, das könne man nicht wissen, den die Angaben in Kitaplaner seien nicht verlässlich. „In jeder Kita wird einem an der Pforte gesagt: Kreuzen Sie die 45 Stunden an, dann sind die Chancen besser, einen Platz zu bekommen. Deswegen machen die Eltern das, nicht, weil sie unbedingt 45 Stunden wollen oder brauchen.“

Die Anregung nimmt Irina Prüm, Grüne, in einem Änderungsantrag auf: Mehr 45-Stunden-Plätze sollen noch für das kommende Kitajahr in 35-Stunden-Plätze umgewandelt werden, damit könnte auch die Personalsituation entlastet werden. Das hätte nicht nur eine geringere Förderung zur Folge, erklärt Sabine Jarosch, sondern würde auch bestehende und funktionierende Teams in den Kitas zerstören. Damit wird der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt. Die Grünen stimmen daraufhin gegen die Kita-Planung, die dennoch mehrheitlich angenommen wird.

Der durchaus großen Herausforderung, bis zum Stichtag 15. März eine neue Bedarfsplanung aufzustellen, ist die Stadt damit entgangen. Probleme bleiben dennoch genug: Zum Beispiel können auch die gestellten Rechtsansprüche auf einen Kitaplatz nicht mehr in jedem Fall innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Monaten erfüllt werden, gesteht Sabine Jarosch, Stellvertretende Fachbereichsleitung Fachbereich Kinder und Jugend.

Klar ist: Auch zusätzliche Ausbildung, Werbung und Rekrutierung im Ausland und über Zeitarbeit werden die Notlage nicht kurzfristig beenden. Deswegen appelliert Adomat auch an die Eltern: „Bitte überprüfen Sie ihren eigenen Bedarf noch einmal.“ Teilweise würden 45-Stunden-Plätze vielleicht nicht mehr in dem Umfang benötigt.

Die Stadt geht auch mehr dazu über, eigentlich nicht vorgesehene 25-Stunden-Plätze für die Vormittagsbetreuung zu vergeben. Auch die Arbeitgeber sollten nach Möglichkeit einen Beitrag leisten, wünscht sich Georgi: „Schaffen Sie Homeoffice-Möglichkeiten und flexible Arbeitszeiten, alles, was zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt. Die Kitas können den Druck im System nicht alleine kompensieren.“ Sie verstehe den Frust der Eltern. Aber wenn er sich in der Kita entlade, werde auch dort der Frust immer größer. „Und dann brechen uns weitere Mitarbeiter weg.“ 


Awo-Kita startet zum 1. April

Zum 1. April soll die Kita am Henkelmännchenplatz in der neuen Bahnstadt Opladen endlich an den Start gehen, sagt Axel Zens. Das Gebäude ist seit dem vergangenen Sommer fertiggestellt, im Oktober war die Awo als Träger eingesprungen, nachdem ein anderer abgesagt hatte.

Eigentlich sollten ab November die ersten Gruppen sukzessive an den Start gehen. Am Personal liegt die Verzögerung nicht, sondern an der Inneneinrichtung: Die bestellten Möbel wurden durch eine Insolenz nicht geliefert, es musste ein neuer Vertrag mit entsprechenden Lieferfristen abgeschlossen werden. Um mit der Opladener Kita in den Vollbetrieb gehen zu können, überlegt die Awo, die eingruppige Kita an der Tempelhofer Straße in Schlebusch zu schließen und Kinder und Erzieher nach Opladen umzuziehen. „In dem Fall geht mir Betreuungssicherheit über Standortsicherheit“, sagt Zens. Das müsse aber noch abschließend geklärt werden. 

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