Mit Pony Kalle12-Jähriger Marienheider wandert auf Jakobsweg

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Silke Plog ist erstaunt über die Wirkung der Reise, die ihr zwölfjähriger Sohn Pete mit seinem Pony Kalle unternommen hat.

  • Der zwölfjährige Marienheider Pete Plog ist mit seinem Pony Kalle den Jakobsweg gegangen.
  • Von seinen Eltern wurde er nach 72 Tagen in Santiago de Compostela wieder abgeholt.
  • Die Reise habe ihn verändert, sagt Pete. Er sei jetzt „viel chilliger“.

Marienheide – Pete Plog und sein Pony Kalle sind zurück von einer ganz besonderen Reise. 72 Tage lang waren der zwölfjährige Marienheider und sein 20-jähriges Shetty mit Kristin Himmelreich, Matthias Trenkamp und ihren Kindern Ben, Leni und Valentin auf dem Jakobsweg unterwegs. In Ars-sur-Moselle in der Nähe von Metz – nach knapp 600 der insgesamt 2673 Kilometer auf dem Weg nach Santiago de Compostela – hat Pete die Familie am 22. Oktober verlassen und wurde dort von seinen Eltern abgeholt.

Alles begann Anfang August, mitten in den Sommerferien – mit einem Zufall. Die fünfköpfige Familie war einige Wochen zuvor in Arnsberg im Sauerland aufgebrochen, um innerhalb eines Jahres zu Fuß bis nach Nordwestspanien zu pilgern – zusammen mit einem Esel, der ebenfalls Kalle heißt. „Mein Mann entdeckte die Familie damals in der Nähe von Marienheide und bot ihnen ein Schlafplatz bei uns an“, erinnert sich Petes Mutter Silke Plog. Die Wanderer zogen prompt für ein paar Tage bei den Plogs ein, schliefen auf Stroh im Stall mit Esel und Pferd. Es war der Beginn einer außergewöhnlichen Wanderschaft – auch für den jungen Marienheider.

Außergewöhnlich auch deshalb, weil Pete ein außergewöhnlicher Junge ist. Geboren in Neumünster (Schleswig-Holstein), zog er vor acht Jahren mit der Familie nach Marienheide. Dort lebt er auf einem Hof in Obersiemeringhausen – mit vielen Tieren, umgeben von Wald und Wiesen. So idyllisch wie es klingt, ist es nicht: Petes Mutter ist sehr krank, leidet unter anderem an einer sogenannten Farmerlunge, hatte mehrere Embolien. „Pete und sein großer Bruder Mel haben mich oft im Krankenhaus erlebt“, erzählt sie. Das habe den Jungen sehr geprägt. Er habe sich zurückgezogen, den Kontakt zu Fremden gemieden. In der Schule wird das zum Problem. „In der dritten Klasse waren seine Noten dann sehr schlecht, er wurde nicht versetzt und sollte sogar auf eine Förderschule geschickt werden“, berichtet Silke Plog.

Schlau, aber verschlossen

Dazu kam es nicht, seit 2018 geht Pete auf die Gesamtschule Marienheide. Sein Klassenlehrer Stefan Kayser sagt über ihn: „Er ist ein schlauer Kerl, aber eben auch sehr verschlossen. Wir haben in der Vergangenheit vieles unternommen, um das zu verbessern.“ Leider ohne Erfolg: Für seine Trotzigkeit und das teilweise verbal aggressive Verhalten haben seine Mitschüler wenig Verständnis.

Pete flüchtet sich in Computerspiele. Diese Leidenschaft war dann aber auch der Grund, dass in den Sommerferien alles anders kam. Silke Plog erzählt: „Die Familie war schon da. Ben, der fast genauso alt ist wie Pete, spielt auch gern am Computer. Eines Abends fragte Pete nach Geld für eine Konsole. Und mein Mann stellte im Spaß eine Bedingung: Dafür müsse Pete die Familie aber für einige Zeit auf dem Pilgerweg begleiten.“

Womit niemand rechnete: Pete sagte einfach Ja. Gemeinsam mit Ben schrieb er eine Packliste, bereitete sein Pony Kalle vor und am nächsten Morgen zog er los. „Pete war noch nie von zu Hause weg, er hat auch noch nie bei Freunden übernachtet“, staunt Silke Plog immer noch. Die Chemie zwischen den beiden Familien stimmt. „Selbst Esel und Pony haben sich sofort gut verstanden. Da haben wir eingewilligt, weil wir das als einzigartige Chance gesehen haben“, sagt die Mutter, die die Reisenden etappenweise mit Bruder Mel (16) begleitete.

Schulische Auszeit

Von Marienheide ging es über Lindlar und Bonn hinunter zur Mosel. Pony Kalle bekam seinen eigenen Pilgerpass und fuhr ebenso wie der Esel auf der Fähre mit. Dann führte der Weg weiter nach Luxemburg und Frankreich hinein. „Geschlafen haben wir meistens im Zelt. Das war groß genug für uns alle und hatte sogar einen Ofen“, erzählt Pete. Er packte mit an, war für den Elektrozaun der Tiere zuständig, der jedes Mal wieder auf und abgebaut werden muss. „10 000 Volt“, sagt Pete stolz, der sonst lieber zuhört, wenn seine Mutter von seiner Reise erzählt. Auch bei der Zubereitung des Essens griff er Reise-Mutter Kristin Himmelreich unter die Arme. „Ich habe das erste Mal pinke Würstchen gegessen“, sagt er. Sie hätten mit Roter Beete gekocht. In den Ferien war das kein Problem, aber Pete wollte weiterwandern. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Da kam die Schule ins Spiel. Klassenlehrer Stefan Kayser sah eine Chance in der Reise und fackelte nicht lange. Er besprach sich mit seinen Kollegen. Alle befürworteten die schulische Auszeit. Auch Schulleiter Wolfgang Krug willigte ein. Während Pete in Richtung Frankreich wanderte, schrieben Stefan Kayser und seine Klasse 6d ihm sogar einen Brief. Und die Entscheidung zahlt sich aus: Als Pete am vergangenen Montag in die Schule zurückkehrt, empfängt die Klasse den jungen Pilger mit einem Frühstück. „Pete hat viel erzählt, er hat seine Mitschüler dabei angeschaut und die ganze Zeit gestrahlt. Das wäre vorher undenkbar gewesen“, sagt Kayser und staunt.

Auch Pete selbst weiß, dass ihn die Reise verändert hat. Er sei „viel chilliger“ geworden und hat auch schon einen Plan für die nächsten Ferien: „Dann möchte ich wieder mitwandern, diesmal aber ohne Kalle. Das ist zu anstrengend für ihn.“ Während Pete Plog zurück ist, wandern Kristin Himmelreich, Matthias Trenkamp und ihre Kinder weiter. Sie schreiben darüber im Internet in ihrem Reiseblog: https://familyontheway.com

KStA abonnieren