Todesfahrer von WesselingVideo des Vaters kann den Schuldigen nicht kaltlassen

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Der Vater des bei dem Unfall in Wesseling getöteten Jugendlichen wendet sich in dem Video an den flüchtigen Fahrer.

Jürgen Sauerborn, der Vater des bei dem Unfall in Wesseling getöteten Jugendlichen, wendet sich in dem Video an den flüchtigen Fahrer.

Eine Familie appelliert in einem Video an denjenigen, der ihrem Sohn bei einem Unfall im März 2023 das Leben nahm und flüchtete. Ein Kommentar.

Vier Minuten. 240 Sekunden, die unter die Haut gehen, die in einer Videobotschaft vom Schicksal und Leid einer Familie erzählen, so dass es unmöglich ist, den Blick abzuwenden oder die Ohren davor zu verschließen: aus Ergriffenheit, aus Anteilnahme und Fassungslosigkeit.

Ein Jahr. So lange leiden Jürgen Sauerborn und seine Familie unter dem Verlust ihres Kindes. So lange leben sie mit der Frage, was in der Nacht auf den 26. März 2023 auf der Rodenkirchener Straße in Wesseling geschehen ist, und wer die Schuld an Alexanders Tod trägt. Genauso lange lebt derjenige oder diejenige mit der Schuld, dem 20-Jährigen das Leben genommen zu haben. Ganz offenbar ist er oder sie nicht dazu bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, einen schwer verletzten Menschen am Straßenrand zurückzulassen.

Jürgen Sauerborn stellt die Frage von Schuld und Mitschuld

Fahrerflucht ist ein Straftatbestand. Nicht minder schwer wiegt der Umstand, welche Energie der Unfallfahrer aufgewendet haben muss, um seine Tat zu vertuschen: Sein 1er BMW war vom Zusammenprall mit Alexander Sauerborn schwer beschädigt worden. Jemand muss ihm geholfen haben, das Fahrzeug zu reparieren – möglicherweise darin eingeweiht, was in der Nacht des 26. März geschehen ist – oder es vielleicht außer Landes zu schaffen.

Die Frage von Schuld und Mitschuld, von Reue und Empathie, und von Gewissen und Verantwortung stellt Jürgen Sauerborn mehrfach in seinem Video, das seit Anfang dieser Woche tausendfach geklickt worden ist und worüber auch im benachbarten Ausland – unter anderem in der Schweiz – berichtet worden ist.

Für die Familie ist es von elementarer Bedeutung, dass der Schuldige gefunden wird

Welche Überwindung, welche Kraft muss es den Wesselinger und seine Familie gekostet haben, diesen in seiner Schonungslosigkeit selten so gesehenen Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen und einen Einblick in ihre Gefühle zu gewähren? Wie schwer muss es für sie sein, mit ihrer Trauer und ihrer Wut umzugehen?

Und wie müssen sie sich in diesen Tagen nach der Veröffentlichung des Appells an den Unfallfahrer und mögliche Mitwisser fühlen? Ist damit schließlich die Hoffnung verbunden, der akribischen Arbeit der Ermittler einen wichtigen, ja vielleicht entscheidenden Schub zu geben. Eben weil der Täter oder Mitwisser dem nun entstandenen öffentlichen Druck nicht standhalten können.

Für die Familie ist es von elementarer Bedeutung, dass aufgeklärt wird, was in dieser verhängnisvollen Nacht in Wesseling passiert ist und der Unfalltod ihres Sohnes juristisch aufgearbeitet wird und in einen Schuldspruch mündet: Nur so kann sie mit dem Geschehenen abschließen, nur im Wissen, dass diese Tat nicht ungesühnt bleibt, kann sie wieder ein Leben ohne die wiederkehrende quälende Frage führen, wer ihren Sohn getötet hat. Der Schmerz und der Verlust bleiben.

In dieser Woche begegneten wir auch an einem anderen Ort der Frage, inwieweit Menschen bereit sind, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Erst recht, wenn es sich um kriminelle Taten handelt. In Köln steht ein 43-Jähriger aus Frechen wegen schwerster Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern vor Gericht. Die Beweislage ist erdrückend, eine Verurteilung zu erwarten. Am Mittwoch sollte plädiert werden. Doch der Verteidiger erwirkte, dass sein Mandant noch einmal zu den Vorwürfen Stellung nehmen durfte. Von dem, was er sagte, blieb eines hängen: Er sei das Opfer. Für alle im Gerichtssaal, die zuhören mussten, waren es bleierne Minuten.

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