Hintergrund zum Ukraine-KriegMoskaus Argumente für den Angriff sind abwegig

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Putin und Lawrow Archiv 250222

Sergej Lawrow (l.), und Wladimir Putin (Archivbild)

Die Invasion Russlands in die Ukraine ist ein illegaler Angriffskrieg. Russland versucht zwar, die Militäroperation völkerrechtlich zu rechtfertigen, doch die Argumente sind dünn und abwegig. Grundsätzlich gilt nach der UN-Charta ein Gewaltverbot zwischen den Staaten. Krieg wird nicht mehr als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln akzeptiert.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die russische Militäroperation in der Ukraine in seiner Fernsehansprache aber damit begründet, dass Russland von den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk um Hilfe gebeten wurde. Er habe daraufhin gemäß Artikel 51 der UN-Charta eine Militäroperation angeordnet. Artikel 51 erlaubt den ausnahmsweisen Einsatz von Gewalt zur Selbstverteidigung. Auf dieser Grundlage können auch andere Staaten dem angegriffenen Staat militärisch bei der Selbstverteidigung helfen.

Selbst ernannte „Volksrepubliken“ wurden mit russischer Hilfe errichtet

Die zentrale Schwachstelle von Putins Argumentation ist, dass er die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als völkerrechtlich relevante Staaten behandelt. Die mit verdeckter russischer Hilfe errichteten selbst ernannten Volksrepubliken hatten zwar faktisch staatsähnliche Macht, wurden aber international nicht als Staaten akzeptiert. Auch Russland hat sie erst am Montag – also kurz vor der Invasion – anerkannt.

Völkerrechtlich ist es nur unter sehr engen Bedingungen möglich, dass sich Teile eines Staates abspalten, um einen eigenen Staat zu bilden. So genügt es nicht, dass sich eine Mehrheit der betroffenen Bevölkerung für eine Sezession ausspricht. Deshalb wurde auch eine Abspaltung Kataloniens von Spanien nicht anerkannt. Entsprechende Volksabstimmungen in den Donezk und Luhansk wurden international nicht akzeptiert.

„Genozid“ als Schutzbehauptung

Völkerrechtlich anerkannt wird eine Sezession nur, wenn es gilt, eine massive Unterdrückungssituation, etwa einen drohenden Völkermord, abzuwenden. Diese Sichtweise wird grundsätzlich auch von Russland geteilt, das sogar die Abspaltung des Kosovo von Serbien ablehnte.

Wohl auch deshalb wurde von russischer Seite in den letzten Tagen immer wieder behauptet, es drohe ein „Genozid“ an der Bevölkerung in den Republiken Donezk und Luhansk. Dabei handelt es sich aber um offensichtliche Schutzbehauptungen. Militärische Auseinandersetzungen um die Kontrolle des Gebietes hatten keinesfalls das Ziel, die Bevölkerung der Volksrepubliken zu vernichten.

Kein aktueller Angriff der Ukraine auf die Gebiete

Angebliche Hilfsbitte der international nicht anerkannten „Volksrepubliken“, von denen Moskau sprach, können also die russischen Militärmaßnahmen gegen die Ukraine nicht rechtfertigen. Zudem gab es auch gar keinen aktuellen Angriff der Ukraine auf die Gebiete.

Selbst Putin blieb in seiner aktuellen Fernsehansprache vage. „Das Ziel der russischen Spezialoperationen ist es, die Menschen zu schützen, die acht Jahre lang vom Kiewer Regime misshandelt und ermordet wurden.“ Kein Wort von einem gegenwärtigen Angriff durch den ukrainischen Staat. Auch deshalb konnte Russland hier keine legale Hilfe bei der Selbstverteidigung leisten.

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Besonders verstörend ist das Ziel, das Putin für die Militäroperationen ausgab. Russland werde „versuchen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren und diejenigen vor Gericht zu bringen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich russischer Bürger, begangen haben“.

Putin geht es nicht um die Bevölkerung

Hier geht es eindeutig nicht mehr darum, Donezk und Luhansk gegen einen angeblichen Angriff des ukrainischen Staates zu verteidigen. Vielmehr will Russland die gewählte Führung der Ukraine stürzen. Außerdem spricht er der Ukraine faktisch das Recht auf militärische Bewaffnung ab.

Dass Russland „ständig von der Ukraine bedroht wird“, wie Putin sagte, ist angesichts des monatelangen russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze eine völlige Verdrehung der tatsächlichen Lage. Selbst ein Nato-Beitritt der Ukraine – der überhaupt nicht auf der Tagesordnung steht – wäre in keiner Weise geeignet, eine militärische Aktion Russlands gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Unerwünschtes Verhalten eines Nachbarstaats rechtfertigt vielleicht die Einbestellung des Botschafters, aber nicht den Einmarsch von Militär. (rnd)

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