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Schluss mit RauchenNikotin macht nicht süchtig

Lesezeit 4 Minuten

KÖLNER STADT-ANZEIGER Herr Winter, Tausende von Rauchern scheitern beim Versuch aufzuhören, werden rückfällig und haben Entzugserscheinungen. Und jetzt kommen Sie und sagen, Nikotin macht überhaupt nicht süchtig. Wie kommen Sie darauf?

ANDREAS WINTER Wenn Nikotin süchtig machen würde, müsste es jeden treffen. Wie beispielsweise käme es, dass Passivraucher nicht süchtig werden, obwohl nur sechs Prozent des Nikotins im Körper des Rauchers bleiben und der Rest ausgeatmet wird? Und warum befriedigt Passivrauchen bei einem Raucher nicht das Verlangen nach einer Zigarette? Und warum sagt die Medizin, dass Nikotin bei 80 Prozent der Raucher zu einer Sucht führt und nicht bei allen? Das macht nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Nikotin nicht süchtig macht.

Medizinisch erwiesen ist aber, dass Rauchen dafür sorgt, dass im Gehirn das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird, wodurch man sich besser fühlt - und schlechter, wenn der Stoff ausbleibt.

WINTER Richtig, aber dafür ist meiner Meinung nach nicht das Nikotin verantwortlich, sondern das, was der Raucher unterbewusst denkt. Ein Raucher verspürt das Erleichterungsgefühl durch eine Zigarette schon nach drei Sekunden, so schnell kann das Nikotin gar nicht im Gehirn ankommen. Dopamin entsteht wirklich, aber es ist nicht das Gift, das die Wirkung hervorruft.

Sondern?

WINTER Die Absicht zu rauchen. Damit verbindet jeder bestimmte Werte und Erfahrungen. Man signalisiert, dass man mündig, stark und frei in seiner Entscheidung ist - schließlich ist Rauchen den Erwachsenen vorbehalten. Besonders anfällig für das Rauchen sind Menschen, die unter einem hohen Erwartungsdruck stehen oder in der Erziehung vor hohe Erwartungen gestellt wurden. Eine Zigarette ist eine Entschuldigung, sich einen Moment zurückzulehnen und Erwartungsdruck kurz von sich wegzu- schieben. Dadurch verbindet man rauchen mit Entspannung.

Und wird abhängig davon?

WINTER Das kann man vielleicht meinen, wenn man daran glaubt und übersieht, warum man eigentlich raucht. Aber warum sollte man eine Zigarette brauchen um zu entspannen? Jeder Nichtraucher macht auch solche „Raucher-Pausen“, lehnt sich mal zurück, schließt die Augen und atmet tief durch - nur halt ohne dabei Gift einzuatmen.

Ihr Rat ist deswegen, man solle nicht auf das „Rauchen“ verzichten, sondern nur auf die Zigarette. Das klingt verrückt.

WINTER Was ich meine ist: Wer die Schmacht nach einer Zigarette verspürt, sollte sich von Erwartungsdruck befreien und zurücklehnen, durchatmen und einen Moment entspannen. Das Problem ist, dass Raucher meinen, sie bräuchten dafür eine Zigarette. Sobald man sich klar- macht, dass das nicht so ist, und aus welchen Gründen man wirklich raucht, ist es ganz einfach aufzuhören.

Wie erklären Sie sich die Entzugserscheinungen, die Raucher beim Aufhören verspüren?

WINTER Mit demselben Phänomen. Die Zigarette kann nicht mehr genutzt werden, um Erwartungsdruck von sich zu schieben und abzuschalten. Dadurch entsteht ein Gefühl der Unruhe, vielleicht sogar verbunden mit körperlichen Anzeichen dafür. Das ist aber keine körperliche Abhängigkeit, nicht der Körper verlangt nach Nikotin, sondern die Psyche nach einer Pause oder Bestätigung, weil durch Erwartungsdruck eine Konzentrationsstörung hervorgerufen wird.

Warum setzt sich Ihre Meinung denn in der Medizin nicht durch?

WINTER Mediziner sind immer skeptisch mit meiner Theorie umgegangen, aber diejenigen die mir zugehört haben, stimmen mir zu - vor allem, weil jeder Laie diese These an sich selbst überprüfen kann - dafür braucht man noch nicht einmal eine wissenschaftliche Studie. Ebenso die vielen Teilnehmer bei meinen Seminaren, die nach drei Stunden einfach nicht mehr rauchen mussten, aber konnten. Interessanterweise reagieren weder Pharma- noch Tabakunternehmen auf meine These.

Offenbar ist es zu riskant davon öffentlich Notiz zu nehmen, denn beide Bereiche würden großen Schaden nehmen, wenn sich meine Meinung durchsetzt. Die Zigarettenindustrie, weil jeder nur noch rauchen würde, wenn er das ganz bewusst will und nicht weil eine Sucht ihn dazu zwingt und die Pharmaindustrie, weil sie nicht mehr so sinnlose Präparate wie Nikotinpflaster verkaufen könnten.

Nikotinpflaster werden aber offenkundig sehr häufig mit Erfolg eingesetzt. Warum ist das so?

WINTER Weil die Leute daran glauben. Sie könnten aber auch einfach mir glauben, dass sie das Rauchen nicht brauchen. Dann müssten sie ihren Köper nicht noch weiter mit Gift belasten. Außerdem wird mit Nikotinersatzpräparaten kein Mensch zum entscheidungsfreien Optionsraucher, das ist das, was ich unter einem echten Nichtraucher verstehe, sondern nur zum Raucher, der nicht raucht.

INTERVIEW: STEFANIE SCHMIDT

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