Interview mit Sabine Schmitz„Ich will gar nicht wissen, wer da mitfährt“

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Sabine Schmitz Monitor

Sabine Schmitz zeigt am Dienstag (04.01.2011) in ihrem Büro in Tönisvorst die Facebook-Seite der von ihr mitinitiierten Bewegung "Save The Ring".

  • Vor dem „24-Stunden-Rennen“ 2014 auf dem Nürburgring sprachen wir mit Sabine Schmitz, die die „Grüne Hölle“ in und auswendig kennt.
  • Aus Anlass ihres Todes haben das Interview aus dem Archiv geholt. Die Rennfahrerin ist am Mittwoch, den 17. März 2021, an Krebs verstorben.

Frau Schmitz, wie haben Sie als Profirennfahrerin den Umgang Ihrer männlichen Kollegen mit dem Uralt-Klischee Frau am Steuer erlebt? Sabine Schmitz: Am Anfang waren sie schon sehr pikiert, wenn ich sie überholte, vor allem bei meinen Einsätzen in Südafrika. Damals hatten Frauen dort gerade das Wahlrecht bekommen, ein Jahr später kam ich. Ich war mit einem unterlegenen Auto schneller als die meisten. Dann sind die immer direkt an die Box gefahren und haben sich über ihr Auto beklagt, dies und jenes funktioniere nicht . . .

. . . Ausreden aus dem Handbuch für Rennfahrer . . .

... die man aber nur zwei, dreimal bringen kann. Danach sind sie mir voll in die Karre gefahren. Bis zum Beinbruch war da alles dabei. In Südafrika war das besonders krass.

Ab wann hatten Sie das Gefühl, dass man Ihnen Respekt entgegenbringt?

Das ging eigentlich relativ schnell. Wenn man mehrere Siege schafft gegen Profis, ändert sich deren Haltung.

Weil Profis am schnellsten merken, dass Frau Schmitz es draufhat?

Im Prinzip ja, aber Sprüche gab es trotzdem. Ich erinnere mich, als Klaus Niedzwidz fragte, ob die Kette vom Herd zu lang war. Ich habe ihm geantwortet, dass seine Begleiterin auch nicht so aussehe, als stünde sie den ganzen Tag am Herd. Sie hatte fünf Zentimeter lange Fingernägel. Ich habe das immer mit Humor genommen, war aber auch manchmal auf Krawall gebürstet. Da flogen schon mal Außenspiegel. Das waren schon harte Kämpfe, vor allem auf der Nordschleife. Hat Spaß gemacht. Seinen guten Ruf muss man sich erarbeiten. Die Nordschleife gilt als Ihre, tja wie soll man sagen, Geburtsstätte . . . .

. . . Wohnzimmer . . .

. . . auch das. Sie sind in Adenau geboren, aber deshalb wird man noch lange nicht die Königin des Nürburgrings.

Ich bin in Nürburg aufgewachsen, mit Kinderzimmerblick auf den Ring. Da wir immer internationale Gäste hatten und die total beeindruckt waren von der Rennstrecke, war mir schon klar, dass der Ring etwas Besonderes sein muss. Ich habe mir oft bei Langstreckenrennen die unterschiedlichen Linien angeschaut, einer fuhr so, der andere so, ach, ich würde aber so fahren. Ich hatte auch immer großes Interesse an Autos. Damals konnte ich mit Mutters BMW über den Ring zum Supermarkt nach Adenau fahren. Ich bin sogar ohne Führerschein gefahren, ich war ja noch keine 18.

Ist alles verjährt.

Ich war schneller als die Polizei, die fuhr Passat.

Bekannt und berühmt geworden sind Sie mit Ihren Ring-Taxifahrten und einer Superrunde mit einem Ford Transit. Wie kam es dazu?

Das war ein Projekt der Top-Gear-Show. Die kamen aus England mit diesem, ich sage mal: Büsjen, nach ein paar Testrunden habe ich denen eine Riesenliste geschrieben, was man an dem Auto ändern könnte, um es schneller zu machen. Haben sie dann auch gemacht, und es ging ganz gut. 10:07 Minuten, das ist schon eine Hausnummer mit dem Kastenwagen.

Wie gehen Sie mit der latenten Gefahr um? Auf der Nordschleife sterben jedes Jahr Menschen.

Das A und O ist ein Team, dem man vertraut. Ich fahre im Kundenauftrag ja auch viele fremde Autos, von Luschen bis 1000 PS. Nach zwei, drei Kurven weiß ich, ob das Ding geht oder eine Frickelbude ist. Bei unserem Rennauto muss man dem Team vertrauen, wenn das nicht wäre, könnte man nicht so beherzt über den Ring krachen. Unsere Autos sind dermaßen schnell. Früher konnte man den Leuten zuwinken, heute geht nur noch Tunnelblick.

Sie waren BMW-Werksfahrerin. Wie kam es zu dem Wechsel auf Porsche?

Als BMW in die Formel 1 ging, fand der neue Sportchef Gerhard Berger Tourenwagen plötzlich doof, da sind alle Tourenwagenfahrer rausgeflogen.

Sie haben das 24-Stunden-Rennen am „Nürburgring“ zweimal gewonnen. Was ist das Ziel am Sonntag?

Der dritte Sieg. Klar, wir wollen gewinnen. Letztes Jahr sind uns hinten die Aufhängung gebrochen, links und rechts. Du stehst zweimal eine Viertelstunde, das kann man nicht mehr aufholen.

In diesem Jahr sind in Ihrer GT3-Klasse über 60 Autos am Start. Die Konkurrenz ist groß.

Ich guck' mir die Liste nie an. Ich will gar nicht wissen, wer da alles mitfährt. Ich fahre erst mal, dann gucke ich auf den Monitor, dann sehe ich, wer fährt.

Zu ihrem Porsche-Team gehört neben dem Niederländer Patrick Huisman und dem Franzosen Patrick Pilet auch Ihr Lebensgefährte Klaus Abbelen. Wer von ihnen beiden ist der Schnellere?

Mein Freund Klaus ist Motorradrennen gefahren, da war er superschnell. Im Auto ist das mal so mal so. Aber er hat sich gut gemacht. Ich habe viel mit ihm trainiert. Aber das Team und das Auto richtig nach vorn gebracht hat Patrick Pilet. Der hat uns erst mal gezeigt, was der neue GT-3 R alles kann. Der hat wesentlich mehr Abtrieb. Auf den Geraden ist er nicht so schnell, aber du hämmerst durch die Kurven, dass der Hut fliegt. Ohne zu bremsen, daran muss man sich gewöhnen.

Sie haben die Entwicklung des Nürburgrings von Kindesbeinen an verfolgt. Neubau der Grand-Prix-Strecke, im Jahr 2000 deren Umbau, später dann die skandalgespickte Erweiterung inklusive Insolvenz.

SCHMITZ: Die Nordschleife war ja mit Formel-1-Autos nicht mehr befahrbar. Die Grand-Prix-Strecke war okay, aber was danach kam, war nicht mehr so gut. Deshalb haben wir Bürgerinitiativen gegründet, es nutzte aber nichts.

Wie konnte das nur passieren?

Alle haben gesagt, das wird nichts, aber keiner hat den Allerwertesten bewegt. So wie der Eifeler Bauer eben so ist: Jo, jo, die machen dat schon. Die sollen ruhig hier bauen, ehe sie das Geld woanders ausgeben. Dass das so dermaßen in die Hose geht, damit haben sie nicht gerechnet. Wir schon. Und dass das jetzt verkauft worden ist, ist der Super-GAU. Die haben ja erst mal die Erlebniswelt und das kleine Museum gebaut, das wurde ja nach wenigen Jahren platt gemacht, weil es nicht lief. Das dann tausendmal größer zu machen, um zu sagen, jetzt läuft es, wie hirnrissig ist das denn? Die Eifel ist Eifel, im Winter ist hier Winter, da kommt keine Sau. Feierabend. Wir haben sechs Monate Nebel. Vor zwei Jahren hatten wir sieben Monate Schnee.

Schnee in der Eifel, damit konnte nun wirklich niemand rechnen.

Dieses Projekt war politisch gewollt, da wurden alle Regeln außer Kraft gesetzt. Da wurde abgerissen ohne Abrissgenehmigung und dann wurde betoniert und gebaut ohne Baugenehmigung und ohne Finanzierung. Das muss man sich mal vorstellen.

Der Nürburgring hat jetzt einen neuen Besitzer, die Firma Capricorn in Düsseldorf. Was hat sich verändert?

Ich denke, es wird sich sehr viel ändern, denn es ist völlig legitim und normal, dass ein neuer Besitzer erst Mal sämtliche Verträge kündigt. Der neue Besitzer muss ja wirtschaften. Ich sehe das allerdings so: Er hat ja den Ring quasi geschenkt bekommen.

Der offizielle Kaufpreis betrug 77 Millionen Euro.

Meines Wissens sind, wenn überhaupt, bisher nur siebeneinhalb Millionen Euro geflossen. Und jetzt dürfen die erst mal schalten und walten. Und in ein paar Jahren zahlen die vielleicht mal etwas. Und die haben jetzt überall den Daumen drauf.

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Was erwarten Sie für die Zukunft?

Die EU hat festgestellt dass, oh Wunder, illegale Beihilfen geflossen sein könnten. Da hätte ja keiner mit gerechnet, nicht wahr? Die Rechtmäßigkeit des Verkaufs ist also noch nicht abschließend geklärt. Und wenn man bedenkt, dass Capricorns Creditreform-Auskunft mit sehr schwacher Bonität bewertet worden ist, hätte ich den Ring eigentlich auch kaufen können. Bei mir sähe das kreditmäßig wesentlich besser aus.

Das Gespräch führte Olaf Bachmann. 

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