IntegrationsprojektEiner sicheren Zukunft entgegentanzen
Köln – Es gibt diese Projekte, für die man unverzüglich Feuer und Flamme ist, sobald man Zeuge ihrer Anstrengungen wird, die für üblich im Verborgen stattfinden. Weil man, wie in diesem Fall, miterleben darf, wie sehr Tanz, Gesang, Schauspiel und vor allem öffentliche Auftritte den jungen Beteiligten Stärke und Selbstbewusstsein schenken. Sie für den Moment vergessen lassen, dass Erfolg bislang in ihrem Leben nicht zwingend auf der Tagesordnung stand.
Tanzen und pauken
Die Rede ist von dem Verein „Planet Kultur“, ein von Beginn an von „wir helfen“ (und auch vom Jobcenter Köln, dem Landesverband Rheinland (LVR), der Kurt und Maria Dohle-, und der Globus-Stiftung) gefördertes Integrationsprojekt, das seit 2005 Jahr für Jahr bis zu 20 Jugendlichen mit schwierigen Startbedingungen zweierlei bietet: Die Chance auf einen Schulabschluss, eine Ausbildung und die (Be-)Förderung ihrer musischen Talente. Das Team von professionellen Künstlern und Dozenten um Projektleiterin Lisa Mehnert unterrichtet die Jugendlichen, von denen viele geflohen sind, ausgewandert oder anderweitig ungünstige Ausgangslagen haben, ein Jahr lang in Tanz, Gesang und Schauspiel – und parallel in klassischen Schulfächern wie Deutsch, Bio oder Mathe. Von morgens halb neun bis halb fünf am Nachmittag.
Magische Momentaufnahmen
Drei Tage vor dem Fest der Liebe hat das „Planet Kultur“-Team Unterstützer, Freunde und Familienmitglieder zu einer Valentinsfeier in den mit Pappherzen und Rosenblüten geschmückten Hinterhof geladen. Und erstmals ist mit Bürgermeisterin Elfie Scho-Antwerpes auch eine Vertreterin der Stadt Köln zu Besuch. Die 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bieten den rund 60 Gästen magische Momentaufnahmen ihrer künstlerischen Arbeit. Gegossen in ein kurzweiliges, kreatives Programm, eine Mixtur sämtlicher künstlerischen Genres und Epochen. Einstudiert mit Hilfe von Lisa Mehnert (Regie, künstlerische Leitung), Christina Schamei , Stefan Leibold (Theatermusik, Gesang), Marie Lumpp und Mehdi Harris (Tanz) und Anna-Maria Suckow (Schauspiel).
Erfolg verwischt Unterschiede
Auszüge aus Macbeth finden neben Adeles „Skyfall“, dem Titelsong des gleichnamigen James-Bond-Films, Platz, Chartshits folgen Evergreens wie Ray Charles „Hit the Road Jack“ oder „Sway“ von Dean Martin. Es wird getanzt, gesungen, gemimt. Und im Anschluss gefeiert. Erfolg macht stark. Erfolg schafft Gemeinschaft. Erfolg verwischt Unterschiede.
Da ist Ahmet, 18, (alle Namen der Schüler geändert), der in Regelschulen nicht Fuß fassen konnte, gemobbt, ausgegrenzt und „vergessen“ wurde, weil die Klassen viel zu groß waren, um ihm eine individuelle Förderung zu geben. „Ich wollte immer Schauspieler werden, oder Visagist, aber Schauspielunterricht konnte ich mir nicht leisten. Hier bei Planet Kultur, wo gezielt auf meine Stärken und Schwächen eingegangen wird, habe ich erkannt, dass ich lebenslänglich Musik machen möchte.“ Pianist, Gesangslehrer, so etwas. Doch jetzt steht erst einmal der Hauptschulabschluss an. Dann die Mittlere Reife – „Planet Kultur“ sei Dank.
Traum von Tieren und vom Tanz
Maria, 20, kam vor drei Jahren aus Brasilien nach Köln. Für ein Berufskolleg war ihr Deutsch zu dürftig, für eine private Förderung das Familienbudget zu schmal. „Hier habe ich vor allem durch den Gesangs- und Schauspielunterricht innerhalb weniger Monate Deutsch gelernt.“ Genug gerüstet also für einen deutschen Hauptschulabschluss – und die Mittlere Reife. So sehr Maria die künstlerische Ausbildung genießt: „Tierärztin, das wäre ein Traum!“
Valentinas Vision seit Kindheitstagen: Ihren Unterhalt einmal als Tanzlehrerin zu bestreiten. Vor drei Jahren kam die heute 23-Jährige aus Salamanca nach Köln – der deutschen Sprache nicht mächtig, noch unsicher in ihrem Vorhaben. Heute, vier Monate nach ihrem Start bei „Planet Kultur“ weiß sie eines gang genau: „Meine Vision soll Wirklichkeit werden.“ „Planet Kultur“ macht stark.
Wie ein Familienersatz
Yade, 20, möchte sich bei „Planet Kultur“ auf die Aufnahmeprüfung bei einer staatlichen Schauspielschule vorbereiten, Mike an seiner Karriere als Gitarrist feilen, Yusuf will Rapper werden und Ole erst einmal den Schulabschluss meistern. So unterschiedlich die Beweggründe, Visionen und Lebenswege der 17 Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind, so gleich lautet ihr Credo: „Bei Planet Kultur wird uns der Weg in eine sichere Zukunft gebahnt!“ Fachlich wie menschlich. Denn für den ein oder anderen Teilnehmer sind die Hinterhofräume von Planet Kultur e.V. mehr als nur ein Ort der Ausbildung. „Wir haben uns innerhalb weniger Wochen zu einer engen Gemeinschaft entwickelt – manchmal fühlt es sich an wie eine große Familie“, sagt Ahmet, nimmt Maria in den Arm und tanzt mit ihr im Pas de deux Richtung Innenhof.
Eine Stunde zuvor wünschte Elfie Scho-Antwerpes den jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern „eine gute Zukunft und dass sie ihren Weg finden“. Wer sie auf der Bühne erlebt hat, ahnt, dass ihn die Jugendlichen schon längst eingeschlagen haben.
Neue Räume dringend gesucht
Um auch künftig möglichst viele Jugendliche auf den guten Weg zu bringen, ist der Verein auf ein neues Domizil angewiesen – und sucht ein rund 600 Quadratmeter großes Gebäude, das Platz für zwei große Proberäume, vier Klassenräume , einen Aufenthaltsraum, eine Küche und drei Büros bietet.
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