Kammerpräsident„Ohne Migranten ist das Handwerk aufgeschmissen“

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Hans Peter Wollseifer ist der Präsident der Handwerkskammer zu Köln.

Hans Peter Wollseifer ist der Präsident der Handwerkskammer zu Köln.

Im Handwerk ist jeder achte Azubi ein Ausländer. Laut Handwerkskammerpräsident Hans Peter Wollseifer ist Migration wirtschaftlich absolut notwendig. 

Sowohl bundesweit als auch in Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil der ausländischen Auszubildenden im Handwerk laut der Kammer bei 12,8 Prozent. Im gesamten produzierenden Gewerbe, das auch das Handwerk umfasst, liege der Anteil der ausländischen Beschäftigten bei 14,9 Prozent. Wenn man aber noch alle diejenigen einbezieht, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, sei der Anteil der Beschäftigten mit internationalem Hintergrund sicher doppelt so hoch. „Sie sind ein fester und wichtiger Bestandteil des deutschen Handwerks“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer Köln im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Im Handwerk werde Integration jeden Tag selbstverständlich gelebt – ohne, dass das immer groß thematisiert werde. Viele Handwerkerinnen und Handwerker seien absolute Integrationsspezialisten. In den häufig kleinen und mittelgroßen Betrieben seien alle aufeinander angewiesen: „Ob in Werkstätten oder auf Baustellen, bei uns arbeitet man Hand in Hand zusammen. Gerade neu Zugewanderte haben durch den engen Kontakt zu anderen Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, sie erhalten Unterstützung und können gut integriert werden“, sagt Wollseifer, der gelernte Maler und Lackierer ist und 1976 den Meistertitel erlangte.

Fachkräfte aus dem Ausland essentiell für deutsche Betriebe

Fast jeder Handwerksbetrieb könne die Geschichte einer gelungenen Integration erzählen. „Auch in meinem eigenen Betrieb haben wir in den letzten Jahren einige Geflüchtete erfolgreich integriert, die hervorragende Arbeit leisten“. Alle zwei Jahre verleihen der Westdeutsche Handwerkskammertag und die sieben nordrhein-westfälischen Handwerkskammern den Integrationspreis der Handwerkskammern NRW, mit dem besonders gelungene Beispiele ausgezeichnet werden. In Kürze wird der Preis wieder verliehen.

Ohne Menschen mit Migrationshintergrund und ohne Fachkräfte aus dem Ausland ist das Handwerk aufgeschmissen
Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln

Die jüngste Debatte um die Vertreibungs-Pläne von Rechtsradikalen sieht der Handwerkskammerpräsident mit großer Sorge. Seit Jahren ist der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen des deutschen Handwerks. „Daher besteht überhaupt kein Zweifel: Ohne Menschen mit Migrationshintergrund und ohne Fachkräfte aus dem Ausland ist das Handwerk aufgeschmissen. Wir dürfen nicht vergessen, welchen Beitrag sie dazu leisten, dass unsere Straßen asphaltiert werden und unsere Fahrzeuge funktionieren, dass unsere Wohnungen warm und unsere Haare geschnitten sind und dass wir immer frische Brötchen haben“, sagt Wollseifer. 

„Extremismus ist eine Gefahr für unsere Demokratie, unsere Freiheit, unsere Gesellschaft und letzten Endes natürlich auch für unsere Wirtschaft. Wer den Weg des Extremismus wählt, zerstört das, was wir als freie und geeinte Gesellschaft in den letzten 75 Jahren erreicht haben“.

Handwerkskammer NRW gründet als erste einen Migrationsbeirat

Es sei völlig klar, dass eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung ohne Handwerkerinnen und Handwerker mit internationalem Hintergrund nicht zu stemmen wäre. „Sie sind Teil unseres Landes, Teil unserer Gesellschaft und Teil des Rückgrates der deutschen Wirtschaft – jeden Tag aufs Neue. Besonders im Handwerk gilt: Es ist egal, wo du herkommst. Wichtig ist nur, wo du hinwillst“, so der Kammerpräsident weiter.

Auch in den Gremien und der Mitarbeiterschaft der Handwerkskammer  Köln spielen Menschen mit internationalem Hintergrund eine wichtige Rolle. „Wir haben als erste Kammer in Deutschland einen Migrationsbeirat gegründet“, sagt Wollseifer.

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