Wirtschaftliche LageLippenstift als Krisenindikator

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Alles nur Psychologie: Je stärker die wirtschaftliche Krise ausfällt, desto kräftiger und mehr schminken sich die Frauen. (Bild: ar)

Alles nur Psychologie: Je stärker die wirtschaftliche Krise ausfällt, desto kräftiger und mehr schminken sich die Frauen. (Bild: ar)

BERLIN - Kurze Haare? Ganz schlecht. Knallrote Lippen? Rezession! Miniröcke? Es geht wieder aufwärts! So oder ähnlich können sich Ökonomen anhören, wenn sie über die Konjunktur parlieren. Reiner Unsinn? Keineswegs. Neben Ifo-Index und Bruttosozialprodukt gibt es durchaus auch einige weiche - nennen wir sie: halb ernst gemeinte - Indikatoren, die Volkswirte zurate ziehen, wenn sie sich ein Bild von der Wirtschaftslage machen wollen.

Der bekannteste ist vielleicht der „Lippenstift-Index“. Erfunden hat ihn Leonard Lauder vom Kosmetik-Konzern Estee-Lauder. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beobachtete der Firmenchef erstaunt, dass der Lippenstift-Absatz seines Konzerns nach oben schoss. Als Erklärung für das eigentümliche Phänomen blieb nur die Krise. „Der Lippenstift ist ein persönliches Wohlfühlutensil“, heißt es dazu beim deutschen Kosmetikerverband. „Es ist ein Stück Luxus, das man sich immer leisten kann.“ Anders ausgedrückt: Weil in schlechten Zeiten das Geld für teure Klamotten oder andere Luxusgegenstände fehlt, greifen Frauen verstärkt zum - farbenfrohen - Lippenstift, um sich etwas Gutes zu tun.

In der aktuellen Krise scheint sich die These Lauders zu bestätigen. Die Firma Douglas jedenfalls berichtet, dass sich Lippenstifte derzeit „sehr gut“ verkaufen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Kosmetika neben Arzneien im Januar die einzigen Produkte, die dem Einzelhandel ein Plus bescherten. Je häufiger der Lippenstift eingesetzt wird, umso schlimmer ist es also um Dax und Dow bestellt.

Mit rückläufigen Aufträgen und sinkenden Umsätzen muss die Wirtschaft auch rechnen, wenn die Säume der Röcke länger werden. Der Zusammenhang ist Ökonomen erstmals in den 20er Jahren aufgefallen. In den goldenen Zwischenkriegsjahren fielen die Saumlängen eher kurz aus, mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 wurden die Beinkleiner wieder länger. Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat den eigentümlichen Zusammenhang untersucht und in einer Studie tatsächlich belegt gefunden.

Für Japan gibt es ebenfalls Untersuchungen, die der jeweiligen Konjunkturlage die korrelierenden Saumlängen zuordnen. Die plausibelste Erklärung dafür ist vielleicht die: Wenn es gut läuft, gibt eine Frau sich gelöster, und das spiegelt sich dann auch in legerer Kleidung wieder. Wenn es mit der wirtschaftlichen Lage hingegen nicht zum Besten bestellt ist, werden lieber seriösere, dem Ernst der Situation angemessene Kleidungsstücke getragen.

Womit auch die Bubikopf-Theorie plausibel wird: Je kürzer die Haare, umso länger die Rezession. So sollen in den depressiv-deflationären 90er Jahren Kurzhaarfrisuren im Land der aufgehenden Sonne wahnsinnig en vogue gewesen sein. Sollte man demnächst also vermehrt auf Glatzen aufmerksam werden, könnte das ein klares Warnsignal sein: Haben Bankenhilfen und Abwrackprämie ihr Ziel vielleicht doch verfehlt und wird es mit der deutschen Wirtschaft jetzt lange und grausam bergab gehen? Dann doch lieber Miniröcke.

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