QuartalszahlenRechtsstreit um Brustimplantate belastet Tüv Rheinland

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Ein Hinweisschild einer Kfz-Prüfstelle des TÜV Rheinland steht neben der Unternehmenszentrale.

Ein Hinweisschild einer Kfz-Prüfstelle des TÜV Rheinland steht neben der Unternehmenszentrale.

Das Geschäft vom Tüv Rheinland brummt, die Auftragsbücher sind voll. Es gibt viele Lichtblicke in der Bilanz 2023, doch ein altes Thema wirft weiter Schatten.

Der 2010 aufgedeckte Brustimplantate-Skandal des französischen Herstellers PIP ist noch immer finanzieller Ballast für das Prüfunternehmen Tüv Rheinland. Wegen der damit verbundenen Rechtsrisiken seien die Rückstellungen im vergangenen Jahr um 47 Millionen auf 277 Millionen Euro erhöht worden, sagte Finanzvorstand Philipp Kortüm am Mittwoch in Köln. Zugleich seien Forderungen über 160 Millionen Euro gegenüber einer Versicherung in der Bilanz aufgeführt.

Es geht um Verfahren von circa 40.000 Klägerinnen in Frankreich, die vom Tüv Rheinland Geld haben wollen. Die Kölner Firma hatte das Qualitätssicherungsverfahren des französischen, längst liquidierten Implantate-Herstellers PIP zertifiziert. PIP hatte jahrelang billiges, minderwertiges Industriesilikon eingesetzt. Der Tüv Rheinland weist die Vorwürfe der Schlamperei zurück, das Kölner Unternehmen sieht sich ebenfalls getäuscht.

„Wir sind unverändert der Überzeugung, dass wir nichts falsch gemacht haben“, sagte Firmenchef Michael Fübi und wies darauf hin, dass man das letzte noch in Deutschland laufende Verfahren gewonnen habe. Frankreich ist nach seiner Darstellung ein Sonderfall. „In allen anderen Rechtsräumen ist immer bestätigt worden, Tüv Rheinland hat nichts falsch gemacht und Tüv Rheinland ist genauso betrogen worden.“ Die Rückstellungen habe man aus kaufmännischer Vorsicht getätigt - „weil wir davon ausgehen müssen, dass es Inanspruchnahmen geben wird“.

Im vergangenen Mai musste der Tüv Rheinland vor dem obersten französischen Gericht eine Niederlage einstecken. Danach musste das Prüfunternehmen seine Rückstellungen erhöhen. „Das Thema PIP wird uns noch Jahre beschäftigen“, sagte Fübi und berichtete von einem Urteil eines anderen französischen Gerichts Anfang dieses Jahres, dem zufolge ein Teil der Klägerinnen des gebündelten Verfahrens keinen Anspruch haben. Seit 2010 beliefen sich die Anwaltskosten schon auf rund 90 Millionen Euro, sagte der Manager. „Das sind immense Zahlen, um sich zu verteidigen, obwohl man unschuldig ist.“

Der Gesamtumsatz vom Tüv Rheinland legte im vergangenen Jahr um 7,2 Prozent auf 2,44 Milliarden Euro zu. Vor allem wegen der PIP-Rückstellungen sackte das Betriebsergebnis (Ebit) allerdings um 42 Prozent ab auf 103,9 Millionen Euro. Für 2024 ist Fübi zuversichtlich, im ersten Quartal legte der Umsatz nach seinen Angaben fast zweistellig zu. Das Geschäft rund um Dienstleistungen mit Bezug zur Nachhaltigkeit - etwa Windräder-Arbeiten - soll in den kommenden Jahren besonders stark anziehen: Nach 580 Millionen Euro im Jahr 2023 sollen es eine Milliarde Euro im Jahr 2028 betragen.

Der Tüv Rheinland ist nach eigenen Angaben hinter der Dekra und Tüv Süd das drittgrößte deutsche Prüfunternehmen. Geprüft werden nicht nur Autos in der klassischen Hauptuntersuchung - umgangssprachlich auch „Tüv“ genannt -, sondern auch Maschinen, Medizinprodukte und Klamotten. Die Schulung von Fachpersonal, Cybersicherheit-Dienste und Beratungen sind weitere Standbeine des Unternehmens. Der Tüv Rheinland hat rund 22.000 Beschäftigte, davon knapp 40 Prozent in Deutschland. (dpa)

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