„Wir können nicht mehr“Kita-Eltern schreiben verzweifelten Brief an Kölner Oberbürgermeisterin

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Mit bunten Buchstaben sind die Worte "Erzieher*in gesucht" geschrieben, die an einem Zaun einer Kindertagesstätte befestigt sind.

Die Personalnot spitzt sich auch in Kölner Kitas immer weiter zu. Eltern verzweifeln, weil sie keine verlässliche Betreuung für ihre Kinder mehr haben. (Symbolbild)

Eltern müssen ihre Kinder immer häufiger selbst betreuen oder früher abholen. Die Personalnot in den Kitas ist laut Stadt „historisch“.

Im Alltag der Familien, deren Kinder die städtische Kita in Esch besuchen, gibt es drei verschiedene Eskalationsstufen des Personalmangels. Sie entscheiden darüber, ob und wie lange die Kinder am jeweiligen Tag betreut werden. Und sie entscheiden darüber, ob und wie lange die Eltern arbeiten können. Verkündet werden die Eskalationsstufen „Personalengpass“, „totaler Personalengpass“ und „extremer Personalengpass“ per E-Mail, im besten Fall am Vorabend, manchmal aber auch erst am Morgen des Tages, an dem sie gelten.

Köln: Kitas verkürzen Öffnungszeiten und betreuen nicht mehr alle Kinder

Die Eskalationsstufen haben eines gemeinsam: Sie bedeuten Einschränkungen. Das Ausmaß ist sehr unterschiedlich, wie Mitglieder des Elternbeirats in einem Gespräch erläutern. Im günstigsten Fall werden Randstunden gestrichen und die Kita öffnet später und schließt früher. „Am extremsten war es, als die Kinder nur von 10 bis 13.30 Uhr betreut wurden“, sagt Stephanie Curci.

Drei Männer und zwei Frauen stehen vor dem Zaun einer Kita und schauen in die Kamera.

Der Elternbeirat der städtischen Kita in Esch (von links): Nils Rücker, Stephanie Curci, Maarkus Curci, Jasmiin Kutzner, Sibel Dogar

Doch es gibt auch die Tage, an denen die extremste Stufe gilt und nur eine bestimmte Anzahl der 86 Kinder überhaupt die Kita besuchen kann. „Anfang des Jahres hat jedes Kind eine Nummer erhalten. In Engpass-Mails steht dann, welche Nummern betreut werden können“, sagt Elternbeirat Nils Rücker.

Kinder werden zu Nummern in einem Rotationssystem. Um auf die nach ihrer Aussage „katastrophale Betreuungssituation“ aufmerksam zu machen, wenden sich die Eltern der Kita in Esch in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Bildungsdezernent Robert Voigtsberger. „Wir können nicht mehr und wir würden in den Elternstreik treten, wenn wir könnten“, heißt es darin. Darin schildern sie „existenziellen“ Probleme, vor denen berufstätige Eltern stehen. „Die Eltern in unserer Kita fühlen sich von politischer Seite im Stich gelassen.“

Die Eltern in unserer Kita fühlen sich von politischer Seite im Stich gelassen
Elternbeirat der städtischen Kita in Esch

Elternbeirat Markus Curci schildert, dass er wegen der unzuverlässigen Kinderbetreuung bereits seinen Job als Personalsachbearbeiter verloren habe. „Nach Corona hatte mein Chef kein Verständnis dafür, dass ich ständig kürzer arbeiten und zu Hause arbeiten musste“, sagt der dreifache Vater. Seine Frau arbeitet in einer offenen Ganztagsschule: „Homeoffice ist da nicht möglich“.

Nils Rücker, dessen vierjähriges Kind allein im November an sieben Tagen nicht in die Kita durfte, steht vor einem ähnlichen Problem: Als Referent im Landtag führt er unter anderem Besuchergruppen durch das Parlamentsgebäude und hat eine Präsenzpflicht zu täglichen Kernzeiten. „Meine Frau ist Lehrerin an einem Gymnasium und nimmt unser Kind regelmäßig mit in die Schule. Und da ist sie nicht die Einzige in ihrem Kollegium“, sagt Rücker.

Stadt Köln: Personalnot wird sich kurzfristig nicht verbessern

Die Stadt Köln bestätigt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ den personellen „Engpass“ in der Escher Kita. Zum 1. Januar werde eine vakante Stelle „nachbesetzt, so dass dann nur noch eine Stelle unbesetzt ist“. Verbessern wird sich die Situation dadurch aber offenbar nur bedingt: „Aufgrund der hohen Ausfallzeiten des Bestandspersonals kommt es immer wieder zur Reduzierung des Betreuungszeiten und/oder Reduzierung der Anzahl an Kindern, die betreut werden können“, teilt die Stadtsprecherin weiter mit.

Nils Rücker und die anderen Eltern der Kita haben angekündigt, die Elternbeiträge und das Essensgeld für die ausgefallenen Betreuungstage zurückzufordern. Ob sie damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Denn laut Stadt gebe es keine Möglichkeit, „von der Beitragserhebung abzusehen oder geringere Beträge zu berechnen“. Eine Beitragsreduzierung komme nur bei einem „erheblichen“ Betreuungsausfall in Betracht, nämlich erst bei „einem Betreuungsausfall von insgesamt mehreren Wochen innerhalb eines Kindergartenjahres“.

Die Kita in Esch ist indes kein extremer Einzelfall, sondern steht stellvertretend für die vielen weiteren Kölner Kindertagesstätten, in denen ebenfalls Personalnot herrscht. Allein in den rund 200 städtischen Kitas sind aktuell mehr als 200 Stellen unbesetzt. Die Leiterin des Kölner Jugendamts, Dagmar Niederlein, formulierte es kürzlich in einem Brief an die Eltern von Kita-Kindern: „Die Lage ist wirklich von historischem Ausmaß“ und führe häufig zu verkürzten Öffnungszeiten und Notbetreuungen.

Vakante Stellen blieben teils auf Monate unbesetzt. „Eine Besserung der personellen Situation ist zumindest kurzfristig leider nicht in Sicht“, schreibt Niederlein weiter. Der herrschende Fachkräftemangel werde sich auch deshalb verschärfen, weil in den kommenden Jahren „eine Vielzahl an Beschäftigten in den Ruhestand gehen werden“. Und so wird es wohl auch weiterhin verschiedene Eskalationsstufen des Personalmangels geben. Nicht nur in der Kita in Esch.

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