„Solche wie er sterben irgendwann aus“Kölner Traditions-Tankstelle schließt nach 50 Jahren

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Resa Ghadiri steht an einer Tanksäule seiner Tankstelle in Ossendorf.

Resa Ghadiri war 24 Jahre lang Betreiber der SB-Tankstelle in Köln-Ossendorf.

Nach 24 Jahren muss die SB-Tankstelle in Köln-Ossendorf wegen Beendigung des Pachtvertrags schließen – das Ende einer Institution.

Gerade noch hat Resa Ghadiri nebenan in der Werkstatt gearbeitet. Das Auto einer Kundin aus der Nachbarschaft brauchte eine Inspektion, ihren Rasenmäher hat Resa Ghadiri gleich mit repariert, kein Problem. Jetzt sitzt er in dem kleinen Lager zwischen Werkstatt und Verkaufsraum auf einer Kunststoffkiste und hält Rückschau auf sein Arbeitsleben, das in Kürze endet.

Nach 24 Jahren endet Pachtvertrag für Kölner Tankstellenbetreiber

Die SB-Tankstelle an der Ossendorfer Rochusstraße 353, die er seit 24 Jahren führt, schließt am 29. Juni. „Wir sind alle traurig“, sagt der 71-Jährige. Der Pachtvertrag für das Grundstück laufe Ende des Jahres aus, die Betreibergesellschaft habe entschieden, die Gebäude abzureißen. Für viele Menschen in der Umgebung schließt damit eine Institution.

„Menschen, die sind wie er, sterben irgendwann aus“, sagt Beate Benz, die seit sieben Jahren für Resa Ghadiri als Kassiererin arbeitet: „Er hat für jeden ein offenes Ohr.“ Wieslaw Kaczmarzyk, schon lange Stammkunde an der Rochusstraße, findet den nahenden Abschied „ein bisschen schade“: „Die ganze Schrebergartenanlage hat hier Benzin für die Rasenmäher geholt“, sagt der 61-Jährige: „Zack, zack, war man da und wurde immer nett bedient.“ Auch Anwohner Mike Bellon bedauert das baldige Ende für die Tanke: „Die ist noch urig und familiär, so etwas geht verloren.“

Von Promi bis Ex-Häftling – Kölner Tankstelle mit diverser Kundschaft

1999 wurde Resa Ghadiri Pächter der damals schon 30 Jahre alten Tankstelle, die heute einer Tochtergesellschaft von Shell gehört und sich in all der Zeit kaum verändert hat. In den 1970er Jahren war er aus Iran nach Köln gekommen, wo er zunächst Fahrzeugtechnik studierte. Mit einer Tankstelle in Worringen wurde er nicht glücklich, umso mehr in Ossendorf, direkt gegenüber der Justizvollzugsanstalt Ossendorf. Auch sein Bruder arbeitet mit. „Es war eine sehr schöne Zeit“, sagt Ghadiri in sanftem Tonfall: „Wenn man von der Kundschaft akzeptiert wird, ist das viel wert.“

Die SB-Tankstelle Ossendorf von außen.

Die SB-Tankstelle Ossendorf schließt zum Ende des Jahres.

Früher, so hat es sich Mike Bellon berichten lassen, zapften RAF-Anwälte wie Hans-Christian Ströbele und Otto Schily hier Benzin. Eher auf Alkohol und Zigaretten abgesehen hat es manch frisch entlassener Ex-Häftling. „Manche sind lustig und gut, manche sind aggressiv“, sagt Resa Ghadiri, der immer versucht, schwierige Situationen mit diplomatischem Geschick zu entschärfen.

Ruhe bewahren und Verständnis zeigen gehören zu seinen Stärken: „Viele haben keinen Anschluss, keine Wohnung, keine Arbeitsstelle“, sagt er über seine Kundschaft aus dem Knast. Auch für andere Probleme habe ihr Chef Antennen, ergänzt Beate Benz: „Er weiß, wenn jemand kein Geld hat.“ Dann berechne er bei einer Reparatur auch mal nur das Material.

Köln: Zwischen Melancholie und Freude auf die Zeit danach

Die Angestellte hat in den vergangenen Wochen aufgeschrieben, was die Kundschaft zur bevorstehenden Schließung gesagt hat. Ihre Zitaten-Sammlung reicht von „Was, ihr macht zu, das ist ja mies!“ bis „Sie schließen doch nicht für immer?“. Eine Frau habe sich neulich mit einem Blumenstrauß und Geld für ein gemeinsames Essen beim Team bedankt. „Eine Tankstelle mit familiärem Anschluss finden Sie nicht so schnell“, sagt die Kassiererin.

Eine Tankstelle mit Geflügelhaltung wohl auch nicht. „Eines Morgens kam ich an, da stand ein Hahn auf dem Gelände der Tankstelle“, erzählt Resa Ghadiri: „Der arme Kerl war am Fuß krank.“ Ein Fuchs hatte ihm wohl zugesetzt. Der Hahn wurde gepflegt und durfte eine Zeitlang in der Waschhalle wohnen. Irgendwann brachte ein Kunde zwei Hühner vorbei, damit der Hahn nicht so alleine ist. Die drei Tiere von der Tankstelle wurden zur Attraktion und Kinder aus der Nachbarschaft sammelten die Eier ein. Diese Zeiten kommen nicht wieder.

Jeden Tag war Resa Ghadiri von morgens bis abends in seinem Betrieb. Sogar Filmaufnahmen entstanden an den betagten Zapfsäulen. Nun naht das große Finale. Aggressive Häftlinge und diverse Einbrüche in den Verkaufsraum können Resa Ghadiris Gesamtbilanz nicht trüben: „Das Positive überwiegt, das Negative hängen wir direkt an den Baum.“ Er verliere so etwas wie eine Familie, sagt der gebürtige Teheraner. Dafür habe er nun endlich Zeit für seine eigene Familie.

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