Neue Gesamtschule im Kölner WestenSo wollen die Schulleiter die Pädagogik an einer neuen Kölner Schule reformieren

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Zwei Lehrer sitzen im Sekretariat einer Schule.

Daniel Brünger (l.) und Falko Semrau– die kommissarischen Schulleiter der neu gegründeten Gesamtschule „Am Wassermann“ in Vogelsang

Im Sommer entsteht in Vogelsang die neue Gesamtschule „Am Wassermann“. Ihre Leiter wollen Schule anders denken.

Sie wollen Schule anders denken – weg davon, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Lernstoff zu verinnerlichen: „Für uns steht die Frage im Zentrum, was Kinder und Jugendliche brauchen, um zu wachsen und sich zu entwickeln“, sagt Falko Semrau. Er und sein Kollege Daniel Brünger werden die neue Gesamtschule „Am Wassermann“ leiten, die im Sommer in Vogelsang in dem sogenannten Snake-Gebäude entsteht. Wenn die Gesamtschule Wasseramselweg, die hier derzeit noch im Interim untergebracht ist, Ende des Schuljahres in ihren fertigen Neubau zieht, wird im Juli die neue Gesamtschule einziehen.

„Am Wassermann“ ist eine von gleich drei neuen Gesamtschulen, mit denen die Stadt Köln der in dieser Schulform besonders gravierenden Schulplatznot begegnen möchte. Die neue inklusive Schule in Vogelsang, die die Schulen auf dem Bildungscampus im Gewerbepark Vogelsang ergänzen soll, wird vierzügig sein. Für eine Gesamtschule ist das ein vergleichsweise kleines System, was der stellvertretende Schulleiter Daniel Brünger (57) als großen Vorteil sieht. Der Lehrer für Mathe, Englisch und Sport ist bislang als didaktischer Leiter an der achtzügigen Gesamtschule Rodenkirchen tätig. In solch großen Systemen sei es deutlich schwieriger, Veränderungen und innere Reformen anzustoßen.

Ein Drittel des Unterrichts fließt an der Kölner Schule in eine Lernzeit

Deshalb freut sich Brünger nun, quasi als Krönung seiner beruflichen Laufbahn, „auf das neue, deutlich flexiblere System und die Chance, Schule durch eine Neugründung mit neuen Ideen zu beleben“. Lange Jahre hat Brünger als Hauptschullehrer an der Bickendorfer Montessori Hauptschule gearbeitet und dort nach eigenen Angaben erlebt, wie sehr reformpädagogische Ansätze seinen Schülerinnen und Schülern zugutegekommen sind. Auch der kommissarische Schulleiter Falko Semrau (54) ist überzeugter Reformpädagoge: Als didaktischer Leiter ist der Lehrer für Deutsch und Kunst seit nunmehr elf Jahren an der Bonner Marie-Kahle Gesamtschule tätig und hat dort sehr erfolgreich das Lernzeitmodell „Dalton“ mit etabliert, für das die Bonner Schule 2020 sogar mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde.

Genau dieses prämierte Konzept der Dalton-Pädagogik soll auch eine tragende Säule der neuen Kölner Gesamtschule werden: Grundlage des Konzepts, das auf die US-Pädagogin Helen Parkhurst zurückgeht, ist der Ansatz, dass die Schüler neben den Stunden im Regelunterricht in täglichen Lernzeiten eigenverantwortlich und in ihrem Tempo lernen können. Das Konzept, das unter der Prämisse „Lernen braucht Zeit“ läuft, biete auch zeitlichen Spielraum, damit sich Schüler etwa auf die Fächer konzentrieren könnten, in denen sie Schwierigkeiten haben und mehr üben müsse oder auch auf gezielte Leseförderung, erläutert Semrau. Gleichzeitig biete es auch Raum für Projekte, die die Kinder sich nach Interesse suchen und die dann gleichwertig mit in die Bewertung einfließen. „Ein Drittel der Zeit für jedes Fach wird in eine solche Lernzeit gegossen, wodurch man enorme Flexibilität gewinnt“, berichtet Semrau von den Erfahrungen. Außerdem sorgt das Konzept seiner Erfahrung nach für eine sehr gute Lernatmosphäre. Die Beziehungsarbeit stehe im Mittelpunkt, weil sich die Schüler auch den Dalton-Raum – und damit eben auch die Lehrkraft - aussuchen könnten, bei der sie die Lernzeit verbringen möchten.

An der Marie-Kahle-Gesamtschule habe sich das Konzept als ein erfolgreicher Weg bewährt, um der sehr heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden und die Kinder nach ihrem individuellen Lernstand zu fördern, berichtet Semrau. Über 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler erhielten dort eine Qualifikation für die Oberstufe, obwohl weniger als ein Drittel mit einer Gymnasialempfehlung an die Schule kam.

Auch Begabtenförderung soll in Vogelsang ihren Platz haben

Als zweite Säule des Schulkonzepts sehen die beiden Pädagogen den kompetenzorientierten Unterricht, der sich an den von der OECD definierten künftig zentralen Kompetenzen Kooperation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken orientieren soll. Persönlichkeitsentwicklung werde der zentrale Fokus sein, genauso wie Demokratie- und Medienerziehung, erläutern die Schulleiter. Derzeit sind sie dabei, ein Team aus Lehrerinnen und Lehrern zusammenzustellen und mit interessierten Eltern Gespräche zu führen. Dabei betonen die beiden Pädagogen, dass sie eine Schule für alle Lernniveaus sein wollen und gezielt für die Leistungsstärkeren auch Begabtenförderung anbieten. Am 16. Januar um 19 Uhr stellen sie ihr Konzept im Rahmen einer Infoveranstaltung in der Gemeinschaftsgrundschule Johanniter-Schule in Lövenich vor.

www.amwassermann.de

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