Kadetts und Cadillacs für ganz Köln

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René Krüger vor dem geschlossenen Autohaus

René Krüger vor dem geschlossenen Autohaus

Braunsfeld –  Opel war an der Ecke Oskar-Jäger-Straße, Melatengürtel zuhause, solange das kollektive Gedächtnis der Stadt reicht. Dort stand wohl einst auch der legendäre „Laubfrosch“ zum Verkauf, das erste in Deutschland am Fließband gebaute Opel-Grundmodell. Nach über 100 Jahren und einigen Eigentümerwechseln hat das Autohaus nun geschlossen. Zuletzt gehörte es der Firma Louis Dresen. Für das Unternehmen mit Stammsitz in Neuss bedeutet der Rückzug aus Köln schlicht eine Neuausrichtung seiner Strategie, Mitarbeiter wurden nicht entlassen, die Betreuung der Kölner Kunden geht an seinem Standort in Frechen weiter. Doch in Braunsfeld ist mit den Türen an der Oskar-Jäger-Straße, ein Kapitel Kölner Automobilgeschichte zugefallen.

Sie begann irgendwann zum Ende der Belle Epoque an eben dieser Stelle, als der Rüsselsheimer Autohersteller Adam Opel dort eine Verkaufsstelle errichtete. Ein wenig später, 1923, gründete sich im benachbarten Ehrenfeld, in der Lichtstraße die Deutsch-Amerikanische Automobil-Aktiengesellschaft, die die Antwort der amerikanischen Industrie auf die deutsche Erfindung importierte: Buick, Cadillac, Chevrolet und Lassalle. Es war kein gutes Jahr für den deutschen Autohersteller.

Die Inflation zwang Opel dazu, ein Werk zu schließen. Die Opel-Verkaufs GmbH in Köln befand sich in Liquidation – und die Automobil AG (den Zusatz Deutsch-Amerikanische hatte sie aus dem Namen gestrichen) übernahm 1930 den Betrieb und wurde zugleich Großhändler der Adam Opel AG für den Bezirk Köln. Der junge deutsche Kadett parkte nun neben den amerikanischen Cadillacs und sorgte für einen florierenden Handel, der wegen des Zweite Weltkriegs zum Erliegen kam. 1944 legte ein Luftangriff das Unternehmen zunächst in Schutt und Asche, der Betrieb wurde vorübergehend nach Bergneustadt verlegt. Nach Kriegsende wurde der Firmensitz aber mit Hilfe der Belegschaft an der Oskar-Jäger-Straße wiederaufgebaut. Es folgten Jahrzehnte des Wachstums: Halle um Halle entstand für Ausstellungen, Lager und Werkstätten, aufgestockt mit Räumen für die gesamte Verwaltung. Der Expansionskurs gipfelte in den glänzenden 80er-Jahren und ihrem hedonistischen Produktkult, der auch die Autoliebhaber erfasst hatte.

Leuchtend-rote Corvettes glänzten im Autohaus an der Oskar-Jäger-Straße. Der Leiter der Kölner Filiale des Louis Dresen, René Krüger, hat von seinen älteren Kollegen viele Geschichten gehört: „Hierher kam die Kölner Haute Volée und kaufte Cadillacs und Corvettes“, erzählt er, „nicht nur Männer mit Goldkettchen und dicken Oberarmen.“

Markus Göpfert absolvierte damals seine Lehre in der Automobil AG und erinnert sich: „Typen vom Kiez waren auch dabei, aber es konnte durchaus auch passieren, dass ein hoch angesehener Doktor mit so einem Auto hier hereingefahren ist oder ein Ingenieur.“ Rotlichtgröße Schäfers Nas gehörte zu den Kunden, kaufte Ersatzteile für sein amerikanisches Fahrzeug. Eines weiß Göpfert: „Das Autohaus hat das Viertel geprägt – und umgekehrt.“So ist es auch heute. An Straßen mit dem Namen Kohlen- und Eisenstraße ziehen Investoren zwischen Industriedenkmälern Wohnviertel hoch – und geht die Zeit für Gewerbebetriebe zu Ende. Längst sind die alten Hallen viel zu groß, produzieren zu hohe Raum- und Personalkosten. „Das Gebäude ist sehr, sehr alt“, schildert Küster. „Wir haben hohe Energiekosten. Die Lampen haben 400 oder 500 Watt das Stück. Hier rauscht ganz schön etwas an Strom durch.“ Eine Umrüstung auf LED sei aufgrund der Gesamtgröße des Betriebs von knapp 14 000 Quadratmetern nicht mehr rentabel. In die ehemaligen Ausstellungshallen am Melatengürtel, wo früher Sportwagen ihre Muskeln zeigten, ist ein Fitnessstudio eingezogen, in dem die Kunden ihren Bizeps trainieren.

Opel gehört mittlerweile zum französischen Konzern PSA. Der hat sich entschieden, zum ersten Mal seit 50 Jahren zwei eigene Opelniederlassungen in Köln zu eröffnen, am Raderthalgürtel und an der Widdersdorfer Straße in Müngersdorf. Geschäftsleitung des Autohauses Dresen zog die Konsequenz, wie Küster schildert: „Für uns machte es da keinen Sinn, vor Ort zu bleiben.“ Dresen ist aus Köln weggezogen, die Erinnerung an das legendäre Autohaus an der Ecke Oskar-Jäger-Straße, Melatengürtel wird wohl noch länger bleiben.

Die Bilder aus dem Archiv von Eusebius Wirdeier werden in einem Bildband von Lindenthal zu sehen sein, den er in Arbeit hat. Wer Fotos und Geschichten aus dem Viertel beisteuern kann, möge ihn per E-Mail kontaktieren.

eusebius.wirdeier@netcologne.de

Markus Göpfert, Zeitzeuge

Markus Göpfert, Zeitzeuge

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