St. Gereon in MerheimVor dem Krieg den Spitzturm verloren

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Im Falle des gewonnenen Krieges sollte der alte Zustand wiederhergestellt werden Peter Heyduck

Im Falle des gewonnenen Krieges sollte der alte Zustand wiederhergestellt werden Peter Heyduck

Merheim – Im Sommer 1939, wenige Wochen vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, war es um die Merheimer Pfarrkirche St. Gereon recht beschaulich und idyllisch. Vor 75 Jahren erfreuten sich die Gläubigen, die zu den Messen und Andachten pilgerten, aber auch die Bürger, die auf dem Weg zu den umliegenden Gaststätten wie dem „Ahle Kohberg“ an der Kirche entlangspazierten, am Anblick des äußerlich schlichten und dennoch schmucken Gebäudes mit der markanten Kirchturmspitze. Damals zierte eine achteckige Helmspitze die Pfarrkirche, die im Jahr 1849 auf den Turm gesetzt worden war und 2200 Taler gekostet hatte. Ganz oben thronte eine Weltkugel mit Kreuz.

Doch bald nach Kriegsbeginn war klar, dass dieses Bild nicht von Dauer ist. Aufgrund der Nähe zum Fliegerhorst Ostheim (auf dem Gelände der heutigen Merheimer Kliniken und des Neubaugebietes Merheimer Gärten) sollte der spitze Kirchturm abgebrochen werden. „Aus Gründen der Flugsicherheit“ hieß es damals, wie der Merheimer Geschichtskreis um den Vorsitzenden Peter Heyduck herausgefunden hat. Der an die Olpener Straße angebundene Militärflughafen war in den Jahren 1936 und 1937 angelegt worden. In die Dienstvilla des Kommandanten an der Ostmerheimer Straße 390 zog im Juli 1938 Major Gotthardt Handrick ein, der bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin die Goldmedaille im Modernen Fünfkampf gewonnen hatte. Der Fliegerhorst wurde belegt mit drei Jagdstaffeln des Geschwaders „Schlageter“: 590 Offiziere, Soldaten und Beamte.

Vertraglich vereinbart

Bereits zu der Zeit musste die Pfarrei Rücksicht auf den Flughafen nehmen. Im Juli 1937 verständigte sich die Bauleitung der Luftwaffe mit dem Kirchenvorstand über zwei Leuchten, die an der Kirche angebracht werden mussten. Im November 1939 teilte man dem Pfarramt mit, dass „gemäß der Verfügungen des Luftgaukommandos VI, Münster/Westfalen, und des Luftwaffenbauamtes Köln aus Gründen der Flugsicherheit eine Kürzung der Turmhöhe durchzuführen“ sei. Das sei so auch mit Stadtkonservator Hans Vogts abgestimmt – er war von 1933 bis 1948 im Amt. Wenig später lag der Vertrag zwischen der Kirchengemeinde und dem Deutschen Reich vor: „Das Reich beseitigt den Turmhelm und errichtet ein Pyramidendach“, hieß es darin. „Im Falle des gewonnenen Krieges sollte der alte Zustand wiederhergestellt und der Turmhelm in der vorherigen Form neu errichtet werden“, so der Hobby-Historiker Heyduck. „Das sollte spätestens ein Jahr nach Kriegsende erfolgen und war vertraglich vereinbart.“ Der damalige Kaplan Joseph Bontenbroich hatte unterschrieben, das erzbischhöfliche Generalvikariat stimmte zu.

Für die Wertminderung des Gebäudes war der Gemeinde eine Entschädigung zugesichert worden. Laut Gutachten wurden hierfür die Neubaukosten für den abgebrochenen Spitzturm zugrunde gelegt. Mit Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten, einem Turmkreuz mit Hahn sowie den notwendigen Arbeitsgerüsten und dem anteiligen Architektenhonorar wurde eine Summe von 18 294, 84 Reichsmark veranschlagt, wie der Kölner Regierungsbaumeister Karl Band im November 1940 feststellte. Die Summe ist wohl gezahlt worden, doch zu einem Wiederaufbau kam es nach dem Krieg nicht. Heyduck: „Der abgebrochene Turm ist zwar am Fliegerhorst gelagert worden, doch nach Kriegsende diente das Holz als Brandmaterial. Das Kreuz sowie Zinkblech, Blei, Kupfer und Schiefer sind geklaut worden. Das waren ja Notzeiten.“

Stark beschädigt

Auch von dem Flughafen ist nichts geblieben. Seit August 1944 waren Start- und Landebahnen durch Bombenangriffe der Amerikaner stark beschädigt. Im Januar 1945 wurde der Fliegerhorst Ostheim geräumt und die letzen Flugzeuge in den Westerwald verlegt. Die flugunfähigen Maschinen wurden gesprengt, ehe der Fliegerhorst im April 1945 von Amerikanern besetzt wurde. 1946 wurde das Gelände von der Militärregierung an die Stadt Köln übergeben, die in den verbliebenen Kasernen ein Krankenhaus einrichtete. 1947 wurde der östliche Teil zunächst an die Fima Madaus verpachtet und später an sie verkauft.

Die Pfarrkirche St. Gereon blieb weitgehend, wie sie seit Kriegsausbruch war: mit abgeflachtem Dach. Allerdings wurde die Zinnkugel, die seit dem Krieg den Turm geziert hatte, später durch ein Kreuz und einen Hahn ersetzt, den Walter Prinz aus Brück gestaltete. Allerdings musste er nachbessern: Das Kreuz gefiel den Mitgliedern des Kirchenvorstandes auf Anhieb, der Hahn kam zunächst nicht gut bei den Merheimern an. Die Gesamthöhe von Kreuz und Hahn beträgt heute 4,60 Meter.

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