„Gefühl, vertrieben zu werden“Kölner Künstler beklagt fehlende Ausstellungsräume

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Benjamin Bayram ist Künstler aus Köln.

Köln – Zum Atelier von Benjamin Bayram geht es vor dem Supermarkt-Parkplatz rechts, und dann hinein in ein verlassen aussehendes, großes, verglastes Gebäude. Im Flur wieder nach rechts, Trakt A, vorbei am Aufzug, die Treppe hoch in den vierten Stock. Oben liegt blauer Teppichboden, an einzelnen Türen hängen Zettel. Was ein wenig nach Studierenden-Wohnheim anmutet, ist die alte Deutschland-Zentrale des Autobauers Volvo in Rodenkirchen. In den ehemaligen Büros haben aktuell rund 170 Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers. Allerdings nicht mehr lange. Ihnen wurde gekündigt. Bayram will nun im Rahmen einer Ausstellung auf die fehlenden Räume für Kunst in Köln aufmerksam machen. 

Künstlerkarriere startete mit Graffiti

In seinem Atelierraum stehen die Bilderrahmen in mehreren Reihen auf dem Boden, im Regal stapeln sich Sprühdosen in unzähligen Farben. „Angefangen habe ich mit Graffiti, da war ich zwölf“, erzählt Bayram inmitten seiner Werke. „Das war eine sehr intensive Zeit – und natürlich war das auch alles nicht immer ganz legal“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Aus dieser Phase ist Bayram herausgewachsen, wollte seine Kunst auf ein nächstes Level bringen. „Graffiti ist naturgemäß eine sehr schnelle Kunst. Ich habe Lust bekommen, mehr Dinge mit Konzept zu machen und dreidimensionaler zu arbeiten.“

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Bayram möchte künftig auch als Kurator tätig sein.

Nun testet er die Grenzen der Leinwand aus. Die Sprühdosen sind aus Bayrams Kunst nicht verschwunden, sie wachsen nun förmlich aus dem Bild heraus. Dazu arbeitet der 33-Jährige nun auch mit anderen Materialien, wie Ölfarben. „Graffiti mache ich eigentlich nur noch privat, wie für meinen dreijährigen Neffen im Kinderzimmer“, sagt Bayram und lacht. Seine Kunst ist aber immer noch von „Street Art“ geprägt. „Ich bin aus einer Anti-Bewegung heraus gestartet und bin erwachsen geworden.“ Die Leidenschaft für die Kunst gibt Bayram nun auch im Rahmen von Workshops an Jugendliche weiter. 

Ausstellung auf der Aachener Straße geplant

Was Bayram stört, ist, dass selbst in der Street Art, wie bei Künstlern wie Banksy, die Kommerzialisierung Einzug erhalten hat. „Für viele ist Kunst nur noch ein reines Geschäft. Es werden Werke für mehrere tausend Euro gekauft, die bei den Leuten dann als Wertanlage im Keller rumstehen. Dabei soll Kunst doch gesehen werden“, so Bayram. Bestenfalls solle Kunst für alle umsonst zugänglich sein. „Kunst ist doch schließlich ein Kulturgut.“ Bei aller Kritik an zunehmender Kommerzialisierung in der Branche – natürlich wollen und müssen die Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Arbeit auch Geld verdienen. Es ist allerdings sehr schwierig, Werke an potentielle Käuferinnen und Käufer oder Zuschauende zu bringen. Auf großen Kunstmessen muss eine Standmiete von mehreren tausend Euro bezahlt werden.

„Oder man lässt sich von einer Galerie vertreten. Bei einem Verkauf nehmen die allerdings eine Provision von mindestens 50 Prozent, meist sogar bis zu 70 Prozent. Da frage ich mich schon – aber wer hat das Bild denn gemalt?“, so Bayram.

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Bayram hat sein Atelier aktuell in der ehemaligen Volvo-Zentrale in Rodenkirchen.

Niedrigschwellige Ausstellungsräume seien rar, dabei könnten gute Angebote auch die Stimmung rund um Kunstveranstaltungen verändern. „Ich mag dieses ganze Elitäre nicht, gezwungen im Anzug herumzustehen, dazu ein Glas Champagner. Auf meinen Ausstellungen soll jeder Spaß haben.“ Ab dem 26. August veranstaltet Bayram die Kunstausstellung „Freiraum“ an der Aachener Straße, zur Vernissage gibt es ein gastronomisches Angebot vom Restaurant „Trapas“. Das Event will Bayram dazu nutzen, auf die schlechten Bedingungen für Künstlerinnen und Künstler in Köln aufmerksam zu machen. 

Köln wird für Kunstschaffende unattraktiv

„Vielleicht kommt ja jemand, der einen ungenutzten Dachboden, Keller oder eine Garage hat, die als Atelier dienen könnte. Ich möchte die Stadtgesellschaft und die Künstler in Verbindung bringen“, sagt Bayram. Die Hoffnung auf die Stadt Köln habe er aufgegeben. „Es gibt so viele ungenutzte Gebäude, die in Übergangsphasen zur Verfügung gestellt werden könnten. Aber es passiert nichts.“ In die Ateliers in Rodenkirchen sollen in ein paar Monaten Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht werden.

Damit brechen erneut bezahlbare Räumlichkeiten für Kunstschaffende weg. „Eins ist klar, es soll immer eher ein Mensch einen Schlafplatz haben, als dass ich hier Kunst machen kann. Trotzdem fühlt es sich so an, als sei es eben der einfache Weg, ein paar Künstlerinnen und Künstler rauszuwerfen, als nach einer Alternative zu suchen“, sagt Bayram. 

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Auf Dauer werde Köln für Kunstschaffende dadurch unattraktiv. „Wenn man demnächst drei Jobs braucht, um sich ein Atelier leisten zu können, hat man schon das Gefühl, aus der Stadt vertrieben zu werden“, so der 33-Jährige. „Seinen Beruf so in Köln auszuüben ist sehr frustrierend.“ Zunächst hofft Bayram aber auf die berühmten Netzwerkfähigkeiten der Kölnerinnen und Kölner. „Hier kennt jeder jeden. Ich hoffe, so einige Räume vermitteln zu können.“

Ausstellung „Freiraum“, Aachener Straße 66, 50674 Köln. Vernissage 26.8. 15 Uhr - open end, dann 27.8. bis 2.9. 15 - 20 Uhr. 

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