Köln früher und heuteDie Schwibbögen der Siedlung Mauenheim sind größtenteils verschwunden

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Das Foto zeigt die sogenannten Schwibbögen in Mauenheim.

Historisches Foto der Guntherstraße in Richtung Nibelungenplatz in Mauenheim von 1925.

In unserer Serie „Köln früher und heute“ stellen wir wichtige Kölner Bauwerke, Plätze und Siedlungen vor. Diesmal: die Siedlung Mauenheim.

Die neue Siedlung wuchs schnell, obwohl die Begleitumstände nicht gerade komfortabel waren. Der junge Architekt Wilhelm Riphahn, der später Köln mit seinen Bauten stark prägen sollte, berichtete von Streiks, Transportschwierigkeiten und Materialknappheit. Ähnliche Probleme wie heute offensichtlich. Trotzdem waren 1921 bereits weit mehr als 400 Einfamilienhäuser südlich des Nippeser Nordfriedhofs fertiggestellt – zwei Jahre nach Baubeginn.

Die Wohnungsnot in Köln war groß vor 100 Jahren, auch dies eine Parallele zur Gegenwart. Wer eine Bleibe hatte, lebte oft in ungesunden und beengten Verhältnissen. In Bickendorf entstand deshalb unter der Regie des neu gegründeten städtischen Wohnungsunternehmens GAG ab 1914 erstmals eine so genannte Gartensiedlung, ein lichtdurchflutetes Wohngebiet für weniger gut betuchte Bewohner mit Vor- und Kleingärten zur Selbstversorgung. Die Häuser waren einfach, aber praktisch und nach damaligen Standards ziemlich großzügig. Ein Konzept, das ab 1919 in Nippes unter der Federführung von Wilhelm Riphahn fortgesetzt werden sollte.

Die Siedlung war für Beamte, Arbeiter und Angestellte gedacht

Zwischen dem Nordfriedhof, der Merheimer Straße und den Eisenbahngleisen entstand bis Ende 1927 die Siedlung Mauenheim, die aber erst später so heißen sollte. Für Beamte, Arbeiter und Angestellte wurden standardisierte Reihenhäuschen in drei unterschiedlichen Größen gebaut. Die Siedlung gab sich als geschlossene Einheit im Heimatstil, angelegt als ein Stück Idylle in einem politisch zunehmend radikalisierten Deutschland.

Das Foto zeigt die Guntherstraße heute.

Die Guntherstraße heute mit einem der verbliebenen Schwibbögen.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelten auch die zahlreichen „Schwibbögen“: bogenförmige Bauteile zwischen den Gebäuden, die dem Quartier ein romantisch-biedermeierliches Gepräge verliehen. Heute sind sie größtenteils verschwunden, genauso wie ein einheitliches Gestaltungskonzept: Jeder Bewohner scheint auf seinem Grundstück sein eigenes Süppchen zu kochen. Viele Fassaden, Dächer und Gärten sind nach individuellen (Farb-) Vorlieben verändert worden, auch deshalb ist die Siedlung nie unter Denkmalschutz gestellt worden.

Schon 1925 war Mauenheim für sein buntes Erscheinungsbild bekannt

Farbenfroh war die Heimat für rund 4000 Kölner allerdings schon in den ersten Jahren. Nachdem Plätze und Straßenzüge gemäß einem übergeordneten Plan rote, blaue oder gelbe Ölanstriche bekommen hatten, kursierten Spitznamen wie „Im bunten Paradies“ oder „Papageiensiedlung“.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ war 1925 begeistert vom Erscheinungsbild der neuen Straßenzüge: „Umrahmt von den zierlichen Rosen- und blauen Bethuniengirlanden, dem buntschimmernden Blumenflor der zum Teil wohlgepflegten Vorgärten zeigt der Neuanstrich dem Blick ein Bild von farbenprächtigster Harmonie und bewundernswürdiger Schönheit.“

Der Name „Mauenheim“ wurde erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt

Anfangs war das Areal auch als „Nibelungensiedlung“ bekannt. Denn auf Anregung des frühen NSDAP-Mitglieds und Allgemeinmediziners Rudolf Hartung waren 1921 Straßen, Wege und Plätze nach Figuren der germanischen Heldensage benannt worden, die später von den Nazis so gerne vereinnahmt wurde. Ihren offiziellen Namen erhielt die Siedlung auf Nippeser Gebiet schließlich 1922.

„Die GAG schrieb dazu einen Ideenwettbewerb aus, bei dem 161 Vorschläge eingingen“, sagt Reinhold Kruse, Mitautor eines Buchs anlässlich des 100-jährigen Bestehens Mauenheims. Den ersten Preis bekam der Vorschlag von Pfarrer Peter Schreiber, der den Namen „Siedlung Mauenheim“ ins Spiel brachte. Damit nahm er Bezug auf die „Herrlichkeit Mauenheim“, ein Gebiet, das die heutigen Stadtteile Nippes, Bilderstöckchen und Mauenheim umfasste, erstmals im Jahr 1199 erwähnt wurde und den Stiftsherren von St. Kunibert vom Kölner Erzbischof Adolph I. geschenkt worden war.

Von damals 23 Schwibbögen gibt es heute nur noch zwei

Erst unter französischer Herrschaft (1794 bis 1814) wurde das Stift und damit die Herrlichkeit Mauenheim von den Franzosen im Rahmen der „Säkularisation“ 1802 aufgelöst. Die Siedlung Mauenheim wurde 1933 dann auch der Mittelpunkt und Namensgeberin des neuen Stadtteils, der aus Teilen von Nippes, Merheim (linksrheinisch) und Longerich zusammengesetzt wurde.

Reinhold Kruse hat die Geschichte des Quartiers akribisch aufgearbeitet. Auch die Standorte der Schwibbögen konnte er genau lokalisieren. Wie genau 21 der einst 23 Bögen abhandenkamen, ist ihm jedoch ein Rätsel. Zwar seien die Gestaltungselemente bereits 1933 bei einer Versammlung der Siedlergenossenschaft als „ziemlich überflüssig“ und auf Dauer zu kostenträchtig beschrieben worden. Nur: „Wir haben überhaupt keine Hinweise darauf, dass welche entfernt wurden.“

Für Ulrich Krings, ehemaliger Kölner Stadtkonservator, besteht kein Zweifel, dass der Zweite Weltkrieg das Ende vieler Bögen bedeutete. Manche seien zerstört, andere danach im Zuge der Privatisierung der Siedlung nicht wieder aufgebaut beziehungsweise entfernt worden. Auch, weil sie die Durchfahrt behindert hätten. „Sie sind nicht als Gestaltungswerte gesehen worden“, bedauert der Kunsthistoriker.

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