Oase für SinnsucherKölner Kloster hat trotz Kirchenkrise enormen Zulauf

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Sammlung im Gebet: das Herz-Jesu-Koster der Benediktinerinnen in Köln-Raderberg

Köln – Tief im Süden von Köln gibt es ein ganz eigenes Osterwunder zu bestaunen. In Raderberg, am Rande der Südstadt, wo man sie nur „unsere Schwestern“ nennt. Die mächtigen alten Mauern bergen das neugotische Kloster, in dem seit 1896 die Benediktinerinnen leben — nach der uralten Ordensregel des Heiligen Benedikt aus dem Jahr 529. Eine Ruhe-Insel mitten in der Stadt, inmitten von Lärm und Palaver. 

Einst ist die Stadt um das alte Klostergebäude rum gewachsen und hat den riesigen Klostergarten mit seinen Laubengängen, den im Sommer hier grasenden Kühen, den alten Obstbäumen, Kräuter- und Gemüsebeeten zu einer Ruhe-Insel mitten in der Stadt gemacht. Inmitten von Lärm und Palaver. Das für sich genommen ist schon einen näheren Blick wert.

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Einige Schwestern widmen sich dem Kräutergarten, dem Gemüseanbau und stellen Naturkosmetik her,

Noch erstaunlicher allerdings ist, dass Priorin Schwester Emmanuela Kohlhaas vermeldet: „Das Haus ist bis unters Dach voll.“ Das Kloster platzt aus allen Nähten, weil sich jedes Jahr weitere Frauen entschließen, in den Orden einzutreten und sie gar nicht mehr wissen, wo sie weitere Interessentinnen unterbringen sollten. In der Woche vor Ostern legte die Jüngste im Konvent, Schwester Maria (21), mitten im Corona-Lockdown ihr feierliches zeitliches Gelübde ab.

Nonne mit Kapitänspatent

„Gerade die Berufungen im mittleren Alter zwischen 40 und 50 haben zugenommen“, erzählt die Priorin. Frauen, die oft nach einer Familienphase oder erfüllter Berufstätigkeit ihrem Leben diese radikale Wende geben. Gerade die Eintritte von Frauen, die ganz viel unterschiedliche Lebenserfahrung mitbringen, seien kostbar, so die Priorin. Von der Philosophin über die Diplom-Psychologin bis zur Maler- und Lackierermeisterin reichen die Berufe der 32 Nonnen.

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Es ist eine kreative Mischung von Menschen aus vier Generationen, die im Kloster zusammen lebt, betet und arbeitet.

Sogar die erste Frau in Deutschland mit Kapitänspatent für die Rheinschifffahrt durfte der Konvent Jahrzehnte eine der Ihren nennen: Die Anfang des Jahres mit biblischen 98 Jahren verstorbene Schwester Benedikta, geboren 1923 bei Windstärke 11 auf einem Schiff auf der Nordsee, ist nur eine von vielen Frauen mit eindrucksvoller Vita, die die Gemeinschaft prägten.

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„Es ist die kreative Mischung aus vier Generationen, die die Lebendigkeit ausmacht“, erzählt Priorin Schwester Emmanuela. Die promovierte Musikwissenschaftlerin ging als Nonne nochmal unter die Studenten und arbeitet jetzt als Coach, Supervisorin und Moderatorin. Jede bringt ihre Talente ein, um die Gemeinschaft, die autark von ihrer Arbeit leben soll, zu finanzieren. Auch handfestes Tun hat einen hohen Stellenwert: Einige Schwestern widmen sich dem Kräutergarten, dem Gemüseanbau und stellen Naturkosmetik her, andere flechten nach alter Handwerkskunst Körbe oder gießen Kerzen.

Gewaltenteilung im Kloster in Köln-Raderberg

Dabei fußt die 1500 Jahre alte benediktinische Ordensregel nicht nur auf dem ewigen Rhythmus aus Gebet und Arbeit, aus Kontemplation und Aktion. Sie ist auch — im Kontrast zur katholischen Amtskirche — sehr demokratisch. „Wir leben das Prinzip der Augenhöhe. Wir haben Gewaltenteilung und alle Amtsinhaber — wie etwa die Priorin — werden auf Zeit gewählt. Es ist in der Geschichte des Ordens schon zwei Mal passiert, dass eine Priorin, mit der es nicht funktioniert hat, qua Mehrheitsentscheidung abgesetzt wurde“, erzählt Schwester Emmanuela.

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Auch Priorin Schwester Emmanuela Kohlhaas packt bei der täglichen Arbeit mit an. Das Klosterleben ist demokratisch und auf Augenhöhe organisiert.

Dabei sind benediktinische Klöster nicht in sich abgeschlossen. Neben der inneren Einkehr steht die Zuwendung nach außen. Ein Kern der Ordensregel ist die Gastfreundschaft: Alle Gäste sollen wie Christus empfangen werden, schreibt Benedikt. Die Gästezimmer des Klosters sind regelmäßig ausgebucht. Immer mehr suchende Menschen kommen hierher, um für ein paar Tage Rückzug und die Stille zu suchen und sich im Gespräch von einer der darin ausgebildeten Schwestern begleiten zu lassen.

Täglicher Kontakt mit den Kölnern

Gastfreundschaft bedeutet aber auch, den alltäglichen Kontakt mit den Kölnern zu suchen: „Wir sind als Kloster in der Stadt sehr nah am Lebensnerv der Menschen. Die wollen uns begegnen.“ Da sind nicht nur Menschen, die einfach schellen und das Gespräch suchen und hinterher in den Google-Rezensionen von den „netten, unheimlich herzlichen Nonnen“ schwärmen. In Vor-Corona-Zeiten war die Klosterkirche bei Sonntagsgottesdiensten voll, der klösterliche Adventsmarkt ist eine feste Institution und beim letzten Tag der Begegnung drängten 2000 Menschen in das Kloster. Die Schwestern immer mittendrin.

Die Lebensmittelausgabe, die sie seit vielen Jahren für Bedürftige betreiben, haben sie in den Klostergarten geholt. Immer dienstags verteilen die Nonnen Lebensmittel an Menschen, denen das Nötigste zum Leben fehlt. Neben der Nächstenliebe auch ein pragmatischer Weg, um Kontakt zu ganz unterschiedlichen Menschen zu halten und sich nicht in einer Blase spiritueller Gottsucher einzurichten. Jetzt in Zeiten von Corona und Lockdown, kommen die Menschen einzeln an das kleine erst im vergangenen Jahr neu eingeweihte Wege-Kapellchen am Eingang und werfen eine Fürbitte in den eigens dafür dort befestigten Briefkasten.

Authentische Haltung

Wie erklären sie sich diesen Zulauf im 21. Jahrhundert, wo sie doch so ganz ohne Anbiederung an den Zeitgeist daherkommen? Und das in Zeiten von Priestermangel und Missbrauchsskandal, da Gläubige im Erzbistum in Scharen die Abstimmung mit den Füßen antreten? „Ich glaube, es gibt unglaublich viele Menschen, die suchen. Hier bei uns spüren sie, dass der Kosmos Kloster lebt. Sie erleben hier eine Atmosphäre der Lebensfreude und der Offenheit.“ Der andere Faktor ist für die Priorin die Authentizität: „Um diesen radikalen Lebensentwurf hier zu leben, haben die Schwestern viel aufgegeben. Das überzeugt und fasziniert viele.“

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Innere Einkehr gehört zum Klosterleben ebenso dazu wie Zuwendung nach außen.

Vielleicht ist es auch einfach die Haltung, die verfängt. Hier leben Menschen, die Gott suchen und nicht haben. Die Zuhören statt von oben zu predigen, wie Menschen zu leben haben oder sich gar in priesterlicher Hybris anzumaßen, darüber zu urteilen, wer eines Segens würdig ist. Die auf festem Fundament gründen, und trotzdem für einen angstfreien Umgang mit Wandel stehen. „Manchmal sind wir wie ein Hund, der seinen Knochen festhält. Wir halten etwas fest, was unendlich wichtig zu sein schien“, sagt Schwester Emmanuela. Und hindern damit das Leben.

Sie spricht allgemein und meint doch auch die Kirche: Auch die müsse jetzt klären, was noch wirklich mit Leben gefüllt ist und lernen, manches Lebenshinderliche loszulassen — so wie sie das hier im Kloster regelmäßig tun.

Im Hinblick auf die katholische Kirche befürchtet sie, dass diese sich mit ihrer hohen Beharrungskraft und dem Fokus auf Erhalt des Systems am Ende selber abschafft. Schwester Emmanuela klingt erstaunlich wenig bekümmert, als sie das sagt. Innere Freiheit macht augenscheinlich gelassen. Auch als vor einigen Wochen ausgerechnet am Aschermittwoch die hoch ansteckende britische Mutante wie ein Sturm durchs Kloster gefegt ist: Alle 32 Schwestern hatten sich infiziert. Alle — auch die Hochbetagten unter ihnen — haben dem Virus den Garaus gemacht. Sie könnte jetzt sagen: Sehen Sie, beten hilft! Stattdessen sagt sie: „Wir sind froh und dankbar.“ 

Das Klosterleben der Benediktinerinnen — in Bildern von Fotograf Michael Bause

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Eindrücke aus dem Herz-Jesu-Koster der Benediktinerinnen in Köln

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Eindrücke aus dem Herz-Jesu-Koster der Benediktinerinnen in Köln

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