Sagenumwobenes Kölner GemäuerPorzer wandelt auf den Spuren der Kitschburg

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Hinter Bäume steht ein Fabrikgebäude.

Hinter Bäumen lagert heutzutage eine Gasbetonstein-Firma ihre Produkte. Just dort könnte einst die Kitschburg gestanden haben.

Ein abgewiesener Verehrer tötete einst die Tochter des Grafen von der Kitschburg. Belege für die Legende sammelt ein Hobby-Heimatforscher aus Lind. 

Wisperndes Schilf am Graben, von Wind und Alter gebeugte Eichen und ein Nebelhauch über abgeernteten Feldern –  an der Grenze zwischen Porz-Lind und Spich herrscht eine geheimnisvolle Stimmung. Hier, ganz in der Nähe, soll sie gestanden haben, die sagenumwobene Kitschburg, von der frühere Generationen in  Lind so anschaulich zu erzählen wussten. Manch betagte Frauen und Männer, die sich noch an Spaziergänge durchs Bruch mit den eigenen  Großeltern erinnern, können nach deren Hinweisen sogar einen ziemlich genauen Standort benennen.

Alte Rheinarme prägen die Landschaft zwischen Lind und Spich

Beim Blick zur Ortsbebauung in Lind schimmert tatsächlich etwas Massives durch lichte Baumreihen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie sich einst das Mauerwerk der Burg  aus dem moorig-feuchten Grund erhoben hat. In dieser von alten Rheinarmen geprägten Landschaft stapelt jetzt zwar ganz profan eine Firma zur Produktion von Gasbetonsteinen ihre folienverpackten Erzeugnisse. Aber just dort vermutet Wolff Geisler  den einstigen Standort der Kitschburg. Der in Wahn praktizierende Arzt, der schon lange in Lind lebt, befasst sich in seiner Freizeit mit heimatgeschichtlichen Themen. Die Kitschburg hat es ihm besonders angetan. Seit Jahren sammelt er Belege für die Existenz des geheimnisvollen Rittersitzes. Völlig abwegig ist der Kern der Überlieferungen nämlich durchaus nicht.

Eine Baum-Wiesen-Landschaft mit einem Weg ist zu sehen.

Die Bruch-Landschaft zwischen Lind und Spich wirkt geheimnisvoll. Das passt zur Sage um eine verschwundene Burg und ein umhergeisterndes Liebespaar.

Die Sage von der Kitschburg, die vor vielen Hundert Jahren im Sumpf zwischen Lind und Spich gestanden haben soll, geht so: Ein reicher Graf soll auf der Burg gelebt haben, dessen hübsche Tochter Adelheid ihr Herz dem Junker Kurt  von Waldenstein geschenkt hatte. Ein abgewiesener Verehrer lauerte den beiden Verlobten bei einer Kahnfahrt auf dem Teich der Burg auf  und tötete den Junker, Adelheid starb daraufhin aus Kummer. In verschiedenen Ausführungen der Sage ist es mal der Mörder, mal das zu Tode gekommene Paar, das des Nachts durch das Bruch geistert, stöhnt und um Hilfe ruft. Die Kitschburg sei, so die Erzählung, bald darauf ein Raub der Flammen geworden. Überreste habe man aber noch lange  gefunden.

Experten des Landesmuseums in Bonn fanden Überreste eines Gehöfts

Was Autorin Marianne Over im Buch „Sagen und Geschichten von der Wahner Heide bis zur Unteren Sieg“ publiziert hat, passt nach Geislers Erkenntnis zu den  Erzählungen von Ortsansässigen, zur Topographie des Bruch-Gebietes und zu archäologischen Ausgrabungen, die eine Besiedlung dort in der Spät-Latènezeit (etwa 500 vor Christi Geburt) beweisen. Ein Team unter Leitung des Archäologen Hans Eckart Joachim vom Rheinischen Landesmuseum Bonn fand in den 1970er Jahren die Überreste eines Gehöftes, das in alter Zeit wahrscheinlich auf einer Sanddüne in einer Senke der Rhein-Niederterrasse an langsam fließendem Gewässer errichtet worden war. Hölzerne Wagen- und Waffenteile, Reste der  Einrichtung von Haus und Hof,  Keramikscherben und vieles mehr wurden geborgen. Der auf Vorgeschichte spezialisierte Archäologe hielt laut Zeitungsberichten aus dem Jahr 1978 einen Zusammenhang zwischen der ausgegrabenen Pfahlbausiedlung und der Kitschburg-Sage  für möglich. An Sagen sei meist ein Quäntchen Wahrheit, sagte Joachim damals.

Ein Mann steht auf einem Acker.

Der Linder Arzt Wolff Geisler wandelt auf den Spuren der Kitschburg.

Der Ort der Grabungen in Lind vor fast 50 Jahren ist nach Wolff Geislers Worten jedenfalls unmittelbar angrenzend an die Stelle, wo er die einstige Kitschburg vermutet. Deshalb hat der Hobby-Geschichtsforscher sich bereits ans Landesmuseum und verschiedene weitere Fachleute gewandt, um Näheres über mögliche Sondierungen auch in der Umgebung zu erfahren. Seine These von der Existenz der Kitschburg sieht Geisler zudem durch eine heute noch bestehende, uralte Wegführung bestätigt. Der Schilfweg, der neben dem Fabrikgelände verläuft, war eine über Jahrhunderte genutzte, direkte Verbindung von der Heideterrasse bis an den Rhein. Er könnte auch den Burgbewohnern gedient haben.

Ortsnamen verweisen auf Geschichte von Porz-Lind

Und in einem gegenüberliegenden Feld hat Geisler eine ungewöhnliche Vielzahl von Kieselsteinen entdeckt, wie sie einst zur Weg-Befestigung verwendet wurden. Dass diese Steine nur dort und nirgends sonst im weiten Feld auftauchen, bestätigt ihn in der Annahme, hier sei ein Zuweg zur Burg gewesen. Noch heute existieren im Gebiet des Bruchs überdies besondere Gemarkungs-Namen, die auf Erhöhungen im einst häufig überschwemmten Areal hinweisen. Hans-Gerd Ervens, früherer Bezirksvorsteher von Porz, der gleichfalls Spuren der Geschichte von Lind archiviert, besitzt eine detaillierte Karte der einstigen Spich-Linder Bruchgenossenschaft. Darauf sind Dutzende kleiner Parzellen eingetragen. Eine davon heißt „Auf der Insel“.

Bevor die weitgehend landwirtschaftlich genutzte, weite Fläche zwischen Lind und Spich planvoll entwässert wurde, war das Gebiet im Winter häufig überschwemmt, wie sich ältere Bewohner erinnern. Wenn das so genannte Linder Meer bei Frost großflächig vereist war, machten sich Schlittschuhläufer einen Spaß daraus, an einer Art Seilkarussell in Lind Schwung zu holen und dann bis Spich mehrere hundert Meter übers Eis zu sausen. Ob es davon alte Fotos gibt? Wolff Geisler würde sich jedenfalls sehr freuen, eines zu sehen zu bekommen. Und er forscht weiter nach Spuren der Burg.

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